,,Visionär und komplexe Persönlichkeit“

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Streiflichter von den drei Dr. Carl Wolff-Gedenktagen in Hermannstadt (II)

Ausgabe Nr. 2887

Dipl.-Ingenieur Marcel Stanciu bei seinem Vortrag im Spiegelsaal des DFDH. Er präsentiert gerade die für die Elektrifizierung Hermannstadts drei wichtigsten Persönlichkeiten: Dr. Carl Wolff, Direktor der Hermannstädter allgemeinen Sparakssa, Partenie Cosma, Direktor der Albina-Bank und Ingenieur Oskar von Miller.                                                    
Foto: Laura MICU

Ein Highlight der drei Tage war am ersten Abend, Freitag, dem 11. Oktober, die Wortmeldung des Ururenkels von Dr. Carl Wolff, Dipl.-Ingenieur Jakob Grohmann, der vor allem die Familiengeschichte beleuchtete und den Geehrten als Privatmann vorzustellen versuchte. Hier einige Auszüge: „Mein Onkel Heinz Rybiczka und ich, Jakob Grohmann, wir sind Nachkommen von Carl Wolff. Carl Wolff war mit Friederike Lehrmann verheiratet und hatte fünf Kinder. Zwei starben bald. Die Kinder Marie, Alice und Karl wuchsen in Hermannstadt auf. Alice Wolff heiratete Michael Fleischer aus Heltau und ist meine Urgroßmutter. Im Ersten Weltkrieg gingen sie bald nach Wien, wo ihre Töchter Alice und Ilse aufwuchsen. Meine Großmutter Alice kam im Sommer oft nach Siebenbürgen. Schließlich zogen sie nach Oberösterreich, wo mein Onkel Heinz und meine Mutter Annemarie aufwuchsen. Nun leben wir in Wien.

Die beiden anderen Kinder, Karl und Marie Wolff, hatten keine Nachkommen, die Schwester meiner Großmutter auch nicht, so sind wir Kinder, Enkel und Urenkel von Alice Fleischer, geborene Wolff die einzigen direkten Nachfahren von Carl Wolff.

Vor ein paar Jahren bin ich bei der Vorbereitung einer Siebenbürgenreise eher zufällig auf den Dr. Carl Wolff-Verein und das Kinderhospiz gestoßen. Wir haben Kontakt aufgenommen und konnten im Vorjahr mit Ortrun Rhein das Hospiz besuchen. Wir sind berührt, wie hier mit Kindern umgegangen wird und wie viel Gutes getan wird, alles im Namen unseres Vorfahren Carl Wolff. Also unterstützen wir gerne die Arbeit des Carl-Wolff-Hospizes von Wien aus.

Wir haben zum Anlass der Festtage unser bescheidenes Familienarchiv durchgeschaut und ein paar private, familiäre Erinnerungen zusammengetragen. Ein paar Anekdoten aus seinem Leben wollen wir mit Ihnen nun teilen:

Ein Schulkollege sagte über ihn: ‚Sein Körper ist fast unter Mittelgröße, mehr zart als kräftig, doch gesund. Was aber seiner Körpergröße abging, das ersetzte großartig seine geistige Begabung, die in jedem Unterrichtsgegenstand Ausgezeichnetes leistete.‘ Er trug damals schon den Spitznamen ‚Doktor‘.

Zuerst beginnt er ein Studium der Chemie in Wien, was er bald wegen zu geringer Vorkenntnisse abbricht. Dann macht er in Wien mit Rechtswissenschaften weiter, doch er ist mit dem Professor unzufrieden.

Eine Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Hauptveranstaltern der Gedenktage unterschrieben am Samstag, dem 12. Oktober, in der Kapelle des Dr. Carl Wolff-Altenheims in Hermannstadt auf dem ehemaligen Schreibtisch von Dr. Carl Wolff, der aus dem Familienbesitz stammt und bis vor kurzem im Hause Binder in Heltau stand, Reinhold Sauer, Vorsitzender der Carl Wolff-Gesellschaft (links) und Hannelore Baier, Vorsitzende Dr. Carl Wolff-Verein.                                                     Foto: Beatrice UNGAR

Er wechselt nach Heidelberg und trifft dort Landsleute aus Siebenbürgen. Hier gibt es wöchentliche Treffen in der Wohnung eines Professors zur Lösung von Rechtsfällen. Das begeistert ihn und er will Professor werden. Über das Siebenbürgisch-Deutsche Wochenblatt liest er über die Unterdrückung der Sachsen nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich ab 1867. Er schreibt selbst erste Artikel, die Aufsehen erregen. In einem Brief an Eltern: ‚Ich habe den Entschluss gefasst, bei meiner Nation bis zum letzten Atemzug auszuharren.‘

In Wien war für ihn viel Arbeit angesagt, zusätzlich wochenlange Vertretung des Revisors des Morgen- und Abendblattes, er trifft sich mit seiner Frau auf halbem Weg im Hotel Viktoria, Favoritenstraße, zum Abendessen, sie geht nach Hause, er zurück ins Büro und er kommt oft erst um 2 Uhr nachts nach Hause.

Er hat große Freude über Enkelkind Ilse, geboren 1919, die dann monatelang zum ‚Aufpeppeln‘ in Hermannstadt betreut wird, wo sie sich gut entwickelt.”

Davor hatte Ingenieur Marcel Stanciu die Anwesenden kenntnisreich durch die Geschichte der Elektrifizierung von Hermannstadt und Umgebung geführt und immer wieder darauf hingewiesen, wie bahnbrechend diese Leistung von Dr. Carl Wolff und dessen Mitstreitern gewesen sei, da sie der Gemeinschaft diente und nicht bloß einzelnen Industrieanlagen. Bei der Besichtigung des Museums des ersten Hermannstädter Elektrizitätswerks in Zoodt am Sonntag konnte Marcel Stanciu regelrecht schwelgen bei seiner kompetenten Führung und auch die Gastfreundschaft des Teams von Marius Tomuș, das das immer noch in Betrieb befindliche Wasserkraftwerk instandhält, war vorbildlich. Nach einem Mittagessen in einer Forellenzucht ging es zurück nach Hermannstadt. Hier fand zum Abschluss der drei Gedenktage eine Andacht am Grab von Carl Wolff auf dem Hermannstädter städtischen Friedhof statt. Stadtpfarrer Kilian Dörr hielt die Andacht. Reinhold Sauer, der Vorsitzende der Carl Wolff-Gesellschaft und Hannelore Baier, die Vorsitzende des Dr. Carl Wolff-Vereins legten einen Kranz nieder und Friedrich Philippi las ein 1929 Carl Wolff gewidmetes Gedicht des Mediascher Pädagogen und Pfarrers Josef Lehrer (1874-1944) vor, das in dem Band „Dr. Carl Wolff 1849-1929. Zum frommen Andenken” (Druck der Krafft & Drotlleff A.-G. Hermannstadt 1929) erschienen ist. Eine der Strophen lautet: „Reißt ihn heraus aus Schein und Dunst und Worten,/die mögen Anderer schöner Zierrat sein,/denn seiner Art setzt man an allen Orten/ein Denkmal dauernder als Stein”.

Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.