,,Hexenszenen – ein siebenbürgisches Melodram“
Ausgabe Nr. 2877
Noch im Jahr 1697 gab es in Hermannstadt einen Hexenprozess wie es solche in den Jahren zuvor auch gegeben hatte – ebenso wie in anderen Städten Siebenbürgens. Das entsprechende Archivmaterial liegt vor. Mit diesen historischen Dokumenten hat sich der Komponist Heinz Acker beschäftigt, nachdem er einen eindringlichen Bilderzyklus der Künstlerin Sieglinde Bottesch zum selben Thema gesehen hatte. Damit war die Grundlage geschaffen für eine Komposition, die nun im Rahmen des Sachsentreffens am Samstagabend in der evangelischen Stadtpfarrkirche uraufgeführt wurde.
In der vollen Kirche hörten die Menschen von den Dramen, die sich damals abgespielt hatten, als „normale“ Frauen beschuldigt wurden, Hexen zu sein, sie ins Gefängnis kamen, gefoltert wurden, um ein Geständnis zu erpressen, und dann schließlich von einem Richter für schuldig befunden und bestraft wurden, meistens mit dem Tod.
Heinz Acker, Musiker aus Hermannstadt, der bald nach dem Studium in Klausenburg nach Deutschland übergesiedelt war, ist ein vielseitiger, erfahrener Komponist. Mit den Hexenszenen hat er ein umfangreiches Werk von 40 Minuten geschrieben, unterteilt in vier Sätze, die jeweils eine bestimmte Situation der Geschehnisse vor Augen und Ohren führen. Es sind dabei große Rollen für die beiden Sänger, ein Sopran und ein Bariton, entstanden. Sie übernehmen die unterschiedlichen Rollen im Stück: Die Nachbarn, die Verdächtigungen aussprechen, die drei als Hexen verdächtigten Frauen im Kerker, eine Zwiesprache mit dem Teufel (was ja den Hexen häufig nachgesagt wurde) und schließlich den Prozess mit der Verurteilung der Angeklagten.
Die Texte der Gesangspartien vermitteln eine gewisse Einförmigkeit mit nur gelegentlichen Ausbrüchen. Der Sprechrhythmus ist regelmäßig, er kommt häufig im Jambus daher. Heinz Acker, der den Text selbst verfasst hat, übernimmt hier zum Teil die Formulierungen der historischen Dokumente, die, besonders in der Szene vor Gericht, betont sachlich sein wollen.
Die Dramatik, die sich trotzdem auf den Hörer überträgt, entsteht vor allem durch die beteiligten Instrumente. Da grollen Paukenwirbel, mit Xylophon und Celesta werden Töne erzeugt, die den Gesang schrill untermalen. Wenn es ernst wird, erklingt die Orgel, die Flöte wird zur Begleiterin des Soprans bei einer nachdenklichen Szene im Kerker und die Geige gibt beim imaginierten Tanz mit dem Teufel fremdartige Töne von sich. Zusätzlich werden Geräusche eingespielt, die das Unheimliche noch verstärken.
Die Musik läßt sich stilistisch kaum einordnen. Gemäßigt moderne Passagen lassen immer wieder auch Anklänge an Richard Wagner aufblitzen, das mittelalterliche „dies irae“ wird verfremdet zitiert.
Im Zusammenhang mit dem Treffen der Siebenbürger Sachsen muss hervorgehoben werden, dass die Musiker sowohl von der Staatsphilharmonie Hermannstadt als auch von Deutschland angereist waren. Auch das Programmheft enthielt den kompletten gesungenen Text sowohl auf deutsch als auch in der rumänischen Fassung von Beatrice Ungar. Und die beiden Gesangssolisten teilten sich ebenfalls auf die beiden Länder auf: Der sehr souveräne junge Bariton Tim Lucas vereint sächsische und bundesdeutsche Wurzeln in sich. Wohlbekannt ist in Hermannstadt die Sopranistin Melinda Samson, die ihre große Partie – vor allem die der drei der Hexerei beschuldigten Frauen – überzeugend darstellte.
Ein solch aufwendiges Konzert lässt sich nur mit vielseitiger Unterstützung realisieren. Auch diese erfolgte sowohl von deutschen als auch rumänischen Institutionen.
Bleibt noch eine kleine dramaturgische Sache zu erwähnen: Melinda Samson trat in einem langen weißen Kleid auf. Man konnte diese Farbe der Unschuld durchaus auch als Statement zugunsten der armen Frauen deuten, die als Hexen denunziert worden waren.
Elisabeth DECKERS