Von Buchdruckern und Umbauten am Kleinen Ring
Ausgabe Nr. 2874
Johann Barth senior wurde um das Jahr 1670 geboren. Das Handwerk eines Buchdruckers erlernte er von Stephan Jüngling, der zwischen den Jahren 1660-1687 als Pächter in Hermannstadt die städtische Druckerei betrieb. Er ist diesem auch als Pächter gefolgt. Doch bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen den Jahren 1703-1711, als Kurutzenkrieg bekannt, wiederholte Pestausbrüche in Hermannstadt – 1706, 1709, 1710, 1717, 1719 – sowie Hungersnöte ließen Johann Barth – der zudem einen Sohn zur Ausbildung in Leipzig unterhielt – beim Magistrat um Verringerung seiner Pacht zu bitten. Sein Ansuchen wurde günstig geregelt.
Am 8. Februar 1723 wurde entschieden, er habe jährlich nicht mehr 60, sondern nur noch 50 Floren (also Gulden) zu bezahlen. Johann Barth hielt sich pünktlich bis zu seinem Lebensende an diese Reglung. Am 9. November 1745 verfasste er sein Testament und nachdem er bald gestorben war, erfolgte am 18. April 1746 die Teilung seines Nachlasses. Er besaß am Eck Fleischergässchen-Fleischergasse ein Haus mit einem kleinen Gemüsegarten im geschätzten Wert von rund 1200 Floren, dazu etwas Schmuck, Kleidung und üblichen Hausrat. Außerdem besaß er eine vollständige eigene Druckerei im Wert von rund 200 Floren sowie Buchbinderwerkzeug im Wert von 52 Floren und 65 Denar. Durch die damalige Reglung kam das Haus mit dem Gemüsegarten in fremde Hände. Heute steht da an Stelle das von der königlich-ungarischen Verwaltung errichtete und am 1. Oktober 1904 festlich eröffnete Postgebäude.
Der gleichnamige Sohn, Johann Barth junior, geboren im Jahre 1702, hatte in Leipzig nicht nur das Handwerk der Druckerei, sondern auch jenes des Gießens von neuen Lettern gelernt. Heimgekehrt um 1730 erreichte die Firma ein Schreiben des orthodoxen Bischofs Ioanichie aus Râmnicul Vâlcea, der um Hilfe für die Erneuerung seiner Druckerei bat. Barth konnte während einem Aufenthalt jenseits der Karpaten mit dem Gießen neuer Druckbuchstaben helfen, war aber bei der Erneuerung – selbst nach Einschaltung eines befreundeten Waffenschmieds – der Druckerpresse überfordert. In Hermannstadt siedelte er sich zunächst am Fingerlingsplatz an, von wo aus er das Wohnhaus Nr. 24 am Kleinen Ring – einschließlich des links davon stehenden Verteidigungsturmes über dem oberen Ende der Fingerlingstreppe – erwarb, um beide Bauten bis zum Jahre 1767 umzugestalten, als er mit seiner Druckerei hier einzog.
Auf einen ersten Blick tragen die Fenstereinrahmungen des Turmes Renaissanceelemente. Dazu ist der Durchgang zur Stiege mit einem Kreuzgewölbe bedeckt, welches die Jahreszahl 1567 trägt. Soeben wird der Verputz im Durchgang erneuert, wobei die alte Jahreszahl erhalten wurde. In jenem Jahr, am 16. Februar 1567, fegte über die damals existierenden 1311 Wohngebäude des Ortes ein so heftiger Sturm, dass sogar mehrere Gebäude niedergerissen wurden. Die Stadt war danach genötigt, während dem ganzen Jahr bauliche Wiederherstellungen durchzuführen. Damals, als ein Verteidigungsturm im Zentrum der sich rasch ausbreitenden Ortschaft sinnlos war, ist der Turm bereits zu Wohnzwecken an das Nebenhaus angeschlossen worden. Nun wurde durch Barth der Turm durch eine Mansarde erhöht. Das neue Dach wurde mit einer kupfernen Fahne versehen, die die Jahreszahl 1767 trägt. Das ursprünglich einstöckige Wohnhaus im Renaissancestil erhielt nun noch zwei Etagen von unterschiedlicher Größe. Hier wohnte und wirkte Johann Barth junior bis zu seinem Tod. Er starb im Jahre 1782.
Das Haus mit dem Turm und der Druckerei erbte sein Sohn Petrus Barth. Dieser wurde im Jahre 1745 geboren, besuchte zwischen 1760-1767 das evangelische Knabengymnasium in Hermannstadt, ging danach auf Wanderschaft, um das Handwerk der Druckerei zu erlernen. Heimgekehrt heiratete er am 17. Mai 1772 eine Tochter des Pfarrers aus Holzmengen. Da er mit dem Günstling des Kaisers Josef II., mit dem zum Katholizismus übergetretenen Buchdrucker Martin Hochmeister nicht konkurrieren konnte, sollte Petrus Barth vorwiegend rumänische Bücher veröffentlichen. Er starb im Jahre 1801.
Nach dem frühen Tod des Vaters erscheint als Erbe Johannes Andreas Barth. Dieser, geboren im Jahre 1773, verließ die Anlage am Kleinen Ring und richtete sich mit der Druckerei in der Heltauer Gasse Nr. 11, im Gebäude des einstigen „Kronstädter Herrenhofes“, ein. In Hermannstadt, wo regelmäßig die Nationsuniversität tagte, richteten die einzelnen Landesgebiete für ihre Vertreter „Herrenhöfe“ ein, in welchen sie Unterkunft für sich und ihre Fuhrwerke mit dem dazugehörigen Personal sowie Speise und Trank vorfahnden. Johannes Andreas Barth sollte bis zu seinem Tod, 1832, ebenfalls vorwiegend Bücher in rumänischer Sprache drucken.
Erst sein Schwiegersohn, Johann Georg Samuel von Closius, sollte als Nachfolger in der Firmenleitung zu einem normalen Druckereiwesen zurückkehren. Da erschien beispielsweise die von Heinrich Schmidt 1859 und 1860 verlegte „Siebenbürger Quartalsschrift“, die hier ab 1861 als „Hermannstädter Zeitung“ und ab 1863 unter dem Titel „Hermannstädter Zeitung vereinigt mit dem Siebenbürger Boten“ gedruckt wurde.
Nach 1874 nannte sich die Druckerei „Closius Erben“, um bald nach Einstellung fremder Buchdrucker einzugehen. Auch das Gebäude des einstigen „Kronstädter Herrenhofes“ verschwand, nachdem da 1914 das erste moderne Kaufhaus Osteuropas entstand.
Manfred WITTSTOCK