Wer war und wo wohnte Johann Karl Albrich (1788-1839)?
Ausgabe Nr. 2875
Zwischen dem 22. bis 26. August 1912 fanden in Mediasch Vereinstage statt, für die die Stadt zur Erweiterung des städtischen Saales „Zur goldenen Traube“ eine Festhalle angebaut hatte. Hier tagten in jenen Tagen nacheinander Mediascher und Schelker Volksschullehrer, der Mediascher Musikverein, der Sebastian-Hann-Verein, der Siebenbürgische Ärzteverein bei Eröffnung für die Tagungsdauer einer hygienischen Ausstellung, der Frauenverein, der Siebenbürgische Karpathenverein und der Gustav-Adolf-Verein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen befand sich die 60. Hauptversammlung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde mit seinen Sektionen für Geschichte sowie für Naturkunde. Dabei würdigte der Vereinsvorstand Bischof D. Friedrich Teutsch recht ausführlich die in letzter Zeit verstorbenen Ehren- sowie gewöhnlichen Mitglieder. In einem Fall begann der Bischof seine Würdigung sogar bei den Vorfahren des Verstorbenen. Da reihen wir uns ein.
Ein gewisser Michael Albrich, er lebte zwischen den Jahren 1699-1779, wurde Pfarrer in Galt – einem Dorf am rechten Altufer, etwa sieben Kilometer süd-östlich von Reps gelegen. Im Jahre 1732 verhalf er den Galtern zur Wiedererlangung der damals unter dem Namen „Kriegshattert“ bekannten Hutweide, wofür die dankbaren Galter 132 Jahre hindurch immer Nachkommen ihres verehrten Michael Albrich zu ihrem Pfarrer wählten.
Ein Nachkomme dieser Reihe von Geistlichen, Johann Karl Albrich, folgt nun in unseren Ausführungen. Er wurde am 27. August 1788 geboren, wobei seine Mutter – eine Tochter des Repser Königsrichters Michael von Steinburg – starb. So wuchs der Knabe zunächst bei Verwandten in Reps auf, besuchte danach einen ersten Schulunterricht in Leschkirch, von wo er an das Hermannstädter Gymnasium kam. Da schreibt die Matrikel über ihn: „fleißig, mittelmäßiges Genie, seine Gelehrsamkeit glänzt in nichts, Tabakraucher“. Er studierte abweichend vom üblichen Studiengang in den Jahren 1805 und 1806 in Leipzig Jura, wurde dann Tabularkanzlist in Neumarkt am Mieresch – also ein Beamter, der für die sorgfältige Ordnung der Urkunden in einem Amt verantwortlich ist –, diente danach kurz auch in Klausenburg. Im Jahre 1808 trat er in die Verwaltung des Leschkircher Stuhls ein, wonach er die Tochter eines Pfarrers aus dem etwa 17 Kilometer nördlich von Leschkirch liegenden Dorfes Magarei heiratete. Da sollte bald in seinem Leben eine günstige Wende eintreten.
Da gab es den ungeliebten Baron: Michael Gottlieb Freiherr von Brukenthal. Als der Gubernator Samuel von Brukenthal am 3. Januar 1802 sein Testament verfasste, hatte er seinen ältesten Neffen – eben Michael Gottlieb – praktisch enterbt, da dieser im Alter von 51 Jahren ein zweites Mal geheiratet hatte, nämlich die junge Gräfin Christina von Teleki. Der Gatte trat dadurch zum Ungarntum über und nahm den unitarischen Glauben an, ihre Kinder in ungarischer Sprache erziehend. Als dieser Neffe, der das Leben eines ungarischen Magnaten angenommen hatte, hörte, dass nach Anregungen aus Ungarn, die ungarischen Schulen in Straßburg am Mieresch (Aiud), Klausenburg und Neumarkt am Mieresch das Studium der Rechtswissenschaften angenommen haben, entschloss er sich, dieses auch für das deutschsprachige Gymnasium in Hermannstadt anzuordnen.
Vom Amte her war Michael Gottlieb Freiherr von Brukenthal seit 1790 Sachsencomes. Als eine seiner letzten Amtshandlungen – er sollte bald sterben – berief er den in Leschkirch lebenden Johann Karl Albrich zum „Professor juris“ an das Hermannstädter Gymnasium. Dieser trat am 1. September 1812 für einen Jahreslohn von 460 Gulden – einschließlich Quartiergeld – das neue Amt an, nicht wenig, wenn man damals für einen Gulden fünfeinhalb Kilo Rindfleisch kaufen konnte. Neben seinem Amt war dem Professor auch die Möglichkeit geboten worden, die Advokatur frei auszuüben. So kaufte sich Albrich auf der oberen Wiese ein Haus.
Gerade auf dem so merkwürdigen Gebiet der oberen Wiese! Einerseits haben die Bewohner der oberen Altstadt hierher, wo es neben einer entsprechenden Graslandschaft auch einen Brunnen gab, nicht nur während Zeiten der Belagerung der Stadt durch Feinde, sondern auch im Frieden ihre Viehherden ausgetrieben. Das wurde erst am 24. Juli 1853 endgültig verboten. Andererseits muss die obere Wiese auch irgendwie besiedelt gewesen sein, da sich als älteste Nachbarschaftsordnung Hermannstadts gerade jene vom Jahresbeginn 1563 der oberen Wiese erhalten hat.
Johann Karl Albrich ließ das gekaufte Haus auf der Wiese sofort abtragen und baute an Stelle ein neues geräumiges Gebäude. Es war darin Platz auch für einen Diener, ein Stubenmädchen und eine Köchin sowie für die Naturalien – also Gaben für die Küche – die der Anwalt für die Lösung kleinerer Rechtsfälle erhielt.
Nach dem frühen Tod der Frau heiratete der Hausherr noch einmal am 12. Mai 1816, und zwar eine Tochter vom Stadt- und Stuhlrichter Simon Schreiber, der zwischen 1830-1836 Bürgermeister von Hermannstadt war. Unmittelbar nach der zweiten Ehe, in der fünf Kinder zur Welt kamen, entstand im neuen Haus auf der Wiese – zur Sensation der Umgebung – eine für Siebenbürgen wohl erste „Meißnerische Heizung“. Dazu entwickelte sich das Leben normal, mit Gemüsegarten und Stallungen an der Rückseite des Hauses, sowie mit einem Türchen zum Bereich „an der Mauer“ – wie die Hermannstädter damals die noch namenlosen Gebiete an der Stadtmauer nannten.
Kenntnis über den in Mediasch geborenen Vetter unseres Märtyrers Stephan Ludwig Roth – also über den vielseitigen Erfinder Paul Traugott Meißner (1778-1864) – verdanken wir dem ausführlichen Schrifttum des aus der Winzergemeinde Seiden an der Kleinen Kokel stammenden Elektrotechnikers und Publizisten Hans Barth, der sogar vom Österreichischen Patentamt wertvolle Unterlagen erhalten und verwendet hat (Von Honterus zu Oberth, Kriterion Verlag, Bukarest 1980, S. 144-168, 183-186).
Überraschend ist Johann Karl Albrich noch nicht 51 Jahre alt, im April 1839, gestorben. So erlebte er den Augenblick nicht mehr, als Johann Traugott Meißner weltberühmt wurde, nachdem er seine überarbeitete Heizungslehre unter Nummer 2081 als Patent anmeldete. Dadurch konnten erstmals in der Menschheitsgeschichte Bahnwagen sowie Dampf- und Segelschiffe geheizt werden. Andererseits ist seltsamerweise nicht überliefert worden, wo sich auf der Wiese das neue Haus von unserem modernen Rechtsanwalt befand. Dafür finden wir bei Emil Sigerus eine Erklärung. Er merkte gelegentlich an: „Als 1872 das Grundbuchamt vom Staate übernommen wurde und bei dem königlichen Gerichtshof in der Reispergasse für die alten Grundbücher kein Raum vorhanden war, wurden sie in mehreren Fuhren nach Orlat in die Papiermühle geschickt und dort eingestampft. Dadurch lassen sich heute nur durch einen Zufall die Besitzverhältnisse in vergangener Zeit feststellen“.
Ein Nachkomme – Karl Albrich – kehrte allerdings mit Familie am 5. August 1860 nach Hermannstadt zurück, wo er eine vielseitige Anstellung als begabter Mathematiker fand. Die aus acht Personen bestehende Familie übernahm das Haus der Vorfahren auf der Wiese, das nun nach den alten Adressbüchern lokalisiert werden kann. Ebenda erlebte die Familie beispielsweise, wie am 14. Februar 1872 der Bereich an der Stadtmauer in Harteneckgasse benannt wurde.
Nach dem Tod am 12. Januar 1911 des Mathematikers gingen dessen Nachkommen eigene Wege. Auch ist die ganze Gegend, bestehend aus der Wiesen- und Harteneckgasse, besonders in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts – vorwiegend durch die Architekten Ernst Stenzel und Wilhelm Schneider – wesentlich umgestaltet worden. Das Albrichische Haus steht noch, hat aber seinen Eingang von der Wiesengasse und seine Hausnummer verloren.
Manfred WITTSTOCK