Besuch in Klagenfurt am Wörthersee
Ausgabe Nr. 2875
„Alt nivel de confidence“ – das ist Hermannstädter Jugendsprache und Johanna wollte in unserer Feedback-Runde damit in etwa sagen: „Die Menschen hier bringen einem viel Vertrauen entgegen.“ Johanna entstammt einer evangelischen Familie aus Hermannstadt und wurde im Mai konfirmiert. Zusammen mit ihren beiden Mitkonfirmanden Georg und Liviu nahm sie vom 25. Juni bis zum 3. Juli an der Besuchsreise teil, die zur Partnergemeinde nach Klagenfurt am Wörthersee führte, der evangelischen Johanneskirche. Es war eine kleine Reisegruppe, die letztendlich zustande kam, geleitet von Jugendreferentin Christine Grahl und Pfarrer Hans-Georg Junesch.
Obwohl schon sechzehn, war es Johannas erste Auslandsreise. Das Reisefieber war entsprechend hoch und die Aufregung groß. Vergangenen Sommer hatte sie schon Jugendliche aus Klagenfurt kennen gelernt, die damals im Jugendzentrum Holzmengen auf ihrer Sommerreise nach Hermannstadt Quartier aufgeschlagen hatten. Somit gab es große Wiedersehensfreude, als die jungen Leute sich übers letzte Juniwochenende im Bethaus Ferlach im Rosental (slowenisch Rož) trafen, unserem Campus. In Kärnten war noch Schulzeit, so dass auch Pfarrerin Sabine Schmoly und Pfarrer Gregor Schmoly unter der Woche noch keinen Ferienmodus einschalten konnten. Auch das große GemeindeNfest musste vorbereitet werden, für den Sonntag. Die Klagenfurter Jugendlichen waren fest eingespannt: Kinderspielplatz und –programm, Vorbereitung und Durchführung von einem Quiz für alle, Stühleschleppen – wir durften mithelfen und fühlten uns wie daheim.
Trotzdem war der Abend des ersten Tages gemeinsam verplant: „Gloria“ hieß die Vorstellung, zu der wir eingeladen waren. Der Schulchor des Evangelischen Musikgymnasiums aus Oberschützen führte zusammen mit Solo-Blechbläsern im katholischen Dom zu Klagenfurt ein wahres Feuerwerk moderner Kirchenmusik auf, geleitet vom evangelischen Diözesankantor Martin Lehmann. Es war ein wahres Erlebnis, die gut geschulten, kräftigen jungen Stimmen zu hören.
Was ist aber ein GemeindeNfest? Wieso das „N“, wunderten wir uns. Nun, das Geheimnis wurde bald gelüftet. Die drei evangelischen Gemeinden rund um den Wörthersee feiern reihum jedes Jahr ein Sommerfest mit Gottesdienst. Dieses Jahr war die Johanneskirche an der Reihe und wir als Besucher aus der Partnergemeinde wurden offiziell begrüßt. Es war außerdem ein Fest der Jubiläen. Jede der Gemeinden hat nämlich einen runden Geburtstag gefeiert: Klagenfurt-Johanneskirche 160 Jahre seit ihrer Gründung, Pörtschach 70 und Velden 30. Hinzu kam noch ein besonderes Ereignis: Die Saison des Kirchenschiffes hat begonnen, das in der Urlaubszeit um den Wörthersee herumfährt und an bestimmten Anlegestellen (z. B. auch Maria Wörth) als Ort der Begegnung und des Gottesdienstes dient.
Daher wurde der Gottesdienst nicht in der Kirche, sondern im davor liegenden Lendhafen gefeiert. Zwei Tage später durfte unsere Gruppe mit dem Kirchenschiff mitfahren, als es von Pfarrer i.R. Lutz Lehmann auf den Wörthersee hinausgeschippert wurde. Ein weiteres Highlight unserer Reise.
Unsere Reise hatte neben den Begegnungen und der Gemeinschaft mit den Glaubensgeschwistern in Klagenfurt noch andere evangelische Stätten im Programm: Zwei Burgen und ein Gebirgsdorf. Wir konnten dabei herausfinden, wie engmaschig das Netz des evangelischen Glaubens in Mitteleuropa doch ist, zu dem Siebenbürgen sich historisch zählen darf.
So gehörten die Khevenhüllers im 16. Jahrhundert und drüber hinaus trotz ihres evangelischen Bekenntnisses zu den staatstragenden Familien in Kärnten und im Habsburgerreich. Ein Nachfahre ist Nikolaus Graf von Zinzendorf. Ihr Hauptsitz, die Burg Hochosterwitz, bezeugt die Familiengeschichte. Beeindruckt hat uns neben Burg und Ausstellung auch der Burgberg selbst, ein in der Landschaft 175 m aufragender singulärer Dolomitfelsen. Ihn zu Fuß über den Georgsweg zu erklimmen war ein besonderes Erlebnis. Nebst Blumenpracht und Vogelgezwitscher am Steilhang des Felsens entdeckten wir eine sechshundertjährige Linde. Auch ihre tausendjährige Schwester erfreut sich 500 Meter weiter bester Gesundheit, so dass ich als nur neunhundertjähriger Siebenbürger meinen Sachsenhut ziehen musste.
Weiter ging es auf den Spuren Paul Wieners, dem ersten evangelischen Superintendenten der Siebenbürger Sachsen, der bekanntlich gar kein solcher war, sondern aus Laibach/Ljubljana im heutigen Slowenien nach Hermannstadt kam. Eine Plakette am Hermannstädter Stadtpfarrhaus erinnert daran. Sein Mitstreiter in Laibach war Primož Trubar, der Reformator, Bibelübersetzer und Bibeldrucker der Slowenen, der damit die moderne Schriftsprache geprägt hat. Ähnlich wie Martin Luther auf der Wartburg hat Trubar eine zeitlang auf der berühmten Burg Bled verweilt, eine tausendjährige Anlage mit altertümlichen und vorgeschichtlichen Wurzeln, die wiederum eine Verbindung in unsere Gefilde aufzeigen. Eine Informationstafel erwähnt nämlich die „Wlachen“ als Einwohner des Gebietes, als im 7. Jahrhundert Slawen einwanderten. Schließlich durften wir den slowenischen Reformator und National“heiligen“ auch direkt begrüßen. Eine Ausstellung zur Geschichte des Protestantismus in der Krain mit einer Trubar-Wachsfigur als evangelischer Prediger auf der Kanzel, sowie eine aktive Druckerpresse geben Einblick in das zeitenwendende 16. Jahrhundert in Europa.
Im Alpenland ruft natürlich auch der Berg. Diesem Ruf wollten wir gerne folgen, und verbanden den Besuch im Gebirgsort Fresach bei Villach und seinem Museum der Geschichte des Protestantismus und der Evangelischen Kirche in Kärnten mit einer Wanderung in den Nockbergen. Fresach ist einer der Orte, wo Evangelische im Habsburgerreich in der Zeit der Gegenreformation als Geheimprotestanten ihren Glauben trotz schwerer Unterdrückung weiterlebten. Eine der Strafmaßnahme der Behörden war die Exilierung nach Siebenbürgen. Zusammen mit Exulanten aus Oberösterreich wurden die Kärntner Evangelischen in den sächsichen Orten Neppendorf, Großau und Großpold angesiedelt, wo sie in Glaubensfreiheit leben durften und bis heute als Landler bekannt sind. Geheime Versammlungsorte im Wald, Bibelverstecke in Baumhöhlen, geistliche Erbauungsschriften, die zum Teil erst in jüngerer Zeit in häuslichen Verstecken alter Stuben entdeckt worden sind, gehören zu dem Schatz des Museums, den wir besichtigen und auch erfassen durften.
Heute bedeutet Evangelischsein in Kärnten ein gesellschaftsnahes Gemeindeleben. Dank auch des langjährigen Kurators der Johanneskirche, Udo Puschnig, der nach 18 Dienstjahren sein Ehrenamt abgegeben hat, doch in Premiere zum Ehrenkuratur ernannt wurde, steht die Partnerschaft mit Hermannstadt auf festen Beinen. Er ist ein beredtes Beispiel dafür, wie die 12% Evangelischen in Kärnten sich Dank ihrer Vernetzungen vielfältig im Gemeindeleben engagieren. Sein Dienst und seine Beauftragung bei der Kärntner Landesregierung ermöglicht seit vielen Jahren eine große Zahl von Gemeinschaftsprojekten in Siebenbürgen und darüber hinaus. Neu ist nun in der Klagenfurter evangelischen Partnergemeinde die Besetzung des Kuratorenamtes. Seit Anfang des Jahres wird dieses von einem Kuratorenteam ausgefüllt. Drei engagierte Frauen besetzen es: Almut Starzacher (Kuratorin), Brigitte Hany (Kuratorin-Stellvertreterin) und Gudrun-Maren Jusner (Sitzungsleitung). Wir danken allen für die liebevolle Aufnahme, die erfreulichen und interessanten Begegnungen und wünschen uns auch in Zukunft ein reges Miteinander.
Hans-Georg JUNESCH