Bei der Christus-Statue auf dem Gordon-Berg im Kreis Harghita
Ausgabe Nr. 2836
Wenn man von Odorhellen/Székelyudvarhely/Odorheiu Secuiesc in Richtung Sovata/Szováta fährt, kommt man nach wenigen Minuten Fahrt nach Bisericani/Székelyszentlélek, eine Ortschaft, die zur Gemeinde Lupeni/Farkaslaka gehört. Bereits wenn man den Hang hinunterfährt, ist beim genaueren Hinblicken zur linken Hand auf dem Gipfel des Gordon-Berges die Silhouette einer Jesus-Statue auszumachen. Wenn man an der Kreuzung nach rechts biegt, kommt man über eine Erdstraße zur 22,5 Meter hohen Christusstatue, auch Herz Jesu-Aussichtspunkt (,,Jézus szíve kilátó”/Foișorul inima lui Isus) genannt, ein Werk aus Edelstahl und galvanisiertem Stahl, das zugleich als Aussichtsturm fungiert. Es ist zwar möglich, bis zur Statue zu fahren, aber vom Fuße des Waldes besteht die Möglichkeit, zu Fuß über einen Kreuzweg hinaufzugelangen. Sowohl die Stationen des Kreuzweges als auch die Christus-Statue stammen von demselben Autor: Walter Levente Zavaczki.
Oben sind bereits Besucher. Einige von ihnen sind mit dem Fahhrrad heraufgekommen, andere mit dem Wagen, andere haben den Wagen weiter unten gelassen und sind über den Kreuzweg zu Fuß heraufgekommen. Viele der Besucher kommen aus anderen Kreisen Rumäniens aber auch aus Ungarn, Ortsansässige sind auch dabei. Scheinbar trägt die Statue als Sehenswürdigkeit zur Ankurbelung der lokalen Wirtschaft bei. Ein Souvenirladen und ein Lokal haben sich da bereits in der Nähe angesiedelt. Es soll auch Tage gegeben haben, wo pro Tag an die 2.000 Besucher bei der Christus-Statue geschätzt wurden.
Im Inneren der Statue führt eine Wendeltreppe empor. Es besteht die Möglichkeit, bis in den Kopf hinaufzusteigen. Insgesamt 13 Ortschaften können von oben beobachtet werden.
„Meine Frau sagt, dass ich unter Größenwahn leide“, sagte Walter Zavaczki. „Aber in der Bildhauerei geht es ja darum, einen Raum zu füllen, etwas in einen Raum zu stellen. Je besser dieser gefüllt wird, desto anschaulicher ist das Werk.“ Zavaczki gefielen nie die kleinen, winzigen Arbeiten.
In Bulgăreni/Bogárfalva wurde eine Kirche gebaut und er wurde beauftragt, die Skulptur der Schutzpatronin, der Jungfrau Maria von Fatima, zu hauen. Über diese Arbeit lernte er den ehemaligen Direktor der Firma Gordon, Árpád Magyari, kennen. Magyari hatte einige Semester Theologie studiert, interessierte sich für geistige Angelegenheiten und beabsichtigte die einstige Bedeutung des Gordon-Berges als eine Pilgerstätte wiederherzustellen. Dass der Gordon-Berg einst eine Pilgerstätte war, soll auch unter den Ortsansässigen in Vergessenheit geraten sein. So wurde Zavaczki 2009 mit dem Werk auf dem Gipfel des 958 Meter hohen Gordon-Berges beauftragt. Dieses sollte eine Christus-Darstellung sein und zugleich ein Aussichtsturm. 2011 wurde das Werk aufgestellt und 2013 eingeweiht. Als Initiatoren fungieren laut einem Plakat Magyari Árpád und Péter János, beide Inhaber der Fima Gordon sowie Ehrenhauptdechant Hajdó István.
Zavaczki soll nun mehr Zeit mit dem Berechnen der Maße verbracht haben, als mit der eigentlichen Ausführung der Arbeit. „Ich habe es entworfen, erst über Zeichnungen, Skizzen, dann auch räumlich, Ingenieure haben dann ausgerechnet, wie groß die Zugfestigkeit der Materialien sein soll, wie dick der Stahl sein muss, um die Struktur tragen zu können, wie die Beschaffenheit des Betonfundaments sein soll. An der Struktur änderte sich aber nichts“. Die klassischen bildhauerischen Formen fertigte er im Hof. Die Teile der Stahlstruktur wurden in der Fabrik der Firma Nyko gefertigt. Sie wurden hinausgebracht an den Standort, wo ein Kran und Industriekletterer die Statue zusammenbauten. Der Kopf, die Hand und das Gewand bestehen aus rostfreiem Edelstahl, die Struktur aus verzinktem Stahl. An der Struktur sind beim genaueren Hinblicken übliche Motive von den Szeklersäulen zu erkennen.
Das Vorhaben rund um die Christus-Statue verlief nicht immer glatt. Erst soll man es mit dem „Ego“ von Politikern aus derselben Gegend zu tun gehabt haben. Auch wurde die Meinung verbreitet, das Werk sei ein „Blech-Christus“.
„Auch in Paris hat man die Glaspyramide in die Nähe des Louvre gesetzt, was den historischen Hintergrund noch mehr herausgehoben hat“, meinte Zavaczki. Ein Kontrast, eine Kuriosität sei schließlich nötig. „Ich glaube, als ein zeitgenössisches Werk, passt es sehr gut in die Umgebung hinein“. Im Winter, wenn Schnee da ist, soll das Werk desto mehr in die Landschaft hineinpassen.
„Ich hatte auch Künstler aus Ungarn nach ihrer Meinung gefragt. Es kamen zwei Bildhauer, Kossuth-Preisträger, die sich die Pläne angeschaut haben, so dass kein Kitsch oder eine naive Struktur aufgestellt wird. Es sollte künstlerisch etwas Geeignetes sein“, sagte er.
Dann wurde beispielsweise beim Bau des Sockels aus einem nebensächlichen Grund oberhalb 30 Zentimeter mehr Beton gegossen, wodurch die Stahlstruktur wiederum etwas an Höhe verlor. Dann wurde auch rund um den Sockel, aus Sicherheitsgründen vor allem im Hinblick auf die Kinder, mehr Erde aufgefüllt als vorgesehen, wodurch wiederum von den Proportionen eingebüßt wurde. Im Internet gibt es aber immerhin 3.206 Google-Bewertungen, wobei fast alle eher positiv ausfallen. Bloß die Erdstraße, die bei regnerischem Wetter für Autos ungeeignet wird, wird von Bewertern in einem weniger positiven Licht erwähnt.
„Ich war stolz darauf, dass die Sache auch in die Hände von Imre Makovecz geraten war“, sagte Zavaczki. Dem ungarischen Architekten habe das Projekt derartig gefallen, dass er hier auch eine Spur hinterlassen wollte. Und so entwarf er kostenlos eine Kapelle, die zugleich der letzte Entwurf seiner Laufbahn sein sollte. Die Kapelle soll an den Anfang des Kreuzwegs platziert werden, der Grundstein wurde bereits gelegt, die Arbeiten müssen allerdings noch ausgeführt werden.
Immerhin soll dieses Werk die höchste Christus-Statue Osteuropas sein und die viert- oder fünfthöchste Europas und sie ist auf jeden Fall auch unter diesen und den restlichen in der Welt etwas Einzigartiges. Was die Höhe anbelangt, solle eine Konstruktion unter 10 Meter der Bezeichnung ,,Aussichtsturm“ nicht entsprochen haben und höher zu gehen habe man nicht gewagt, da der Material- und Kostenaufwand viel zu stark angestiegen wäre.
„Um im Szeklerland zu überleben, muss man jedwelche Arbeit annehmen“, meinte Zavaczki. „Ich habe aber nie Kitsch gemacht. Es gefielen mir eher die Werke, die etwas aussagen, wo ich ein Zukunftsbild für zukünftige Generationen schaffen kann, wo ich eine Nachricht hinterlassen kann. Wenn ich aufgefordert werde, werde ich da sicherlich nicht nur meine eigene Vision in den Mittelpunkt stellen, sondern es muss auch dem Auftraggeber gefallen.“ Meistens sind die Auftraggeber Lokalverwaltungen, Behörden, aber auch Privatpersonen. Oftmals kommt es vor, dass alles nur ein Vorhaben bleibt, weil es sich herausstellt, dass kein Geld dafür da ist. „Es gibt nur wenige Projekte, die wirklich ausgeführt werden. Ich hatte nämlich schon so viele Aufforderungen erhalten, dass ich zwei Leben bräuchte, um alle auszuführen“, meinte er.
Auf dem Rückweg führt vor Odorhellen eine Erdstraße einen Hang hinauf und in den Wald hinein und wieder über einen Kreuzweg zur Kapelle der Familie Ugron. Die Stationen dieses Kreuzwegs wurden ebenfalls von Walter Zavaczki geschaffen und sollen bei der lokalen römisch-katholischen Kirchengemeinde beliebt sein. Dieser Kreuzweg wird auch „Szekler-Kreuzweg“ genannt, weil jede Station außer den gewöhnlichen biblischen Szenen noch zusätzlich je eine Jahreszahl enthält, die an ein dramatisches Ereignis in der Geschichte der Szekler erinnert. Die erste, 1241, soll an den Tatarensturm erinnern, und die letzte, 2004, an das Referendum in Ungarn, wo über die doppelte Staatsbürgerschaft abgestimmt wurde. Das Referendum wurde ergebnislos abgeschlossen, weil wegen der niedrigen Teilnahme weder der Anteil der „Ja“-Stimmen noch jener der „Nein“-Stimmen die nötigen 25 Prozent erreichte. Allerdings hatten die Linksparteien eine Kampagne geführt gegen das Gewähren der erleichterten Staatsbürgerschaft für die Auslandsungarn, wodurch sich diese gekränkt fühlten und scheinbar das Ereignis bis heute nicht vergessen haben.
Was die Stationen der Kreuzwege anbelangt, so versuchte Zavaczki, die Szenen eher symbolisch darzustellen. „Ich habe mich darum bemüht, keine derartig dramatischen Szenen zu schaffen wie in den Filmen oder in älteren, klassischen Darstellungen“, sagte der Künstler. „Der Mensch sollte nicht herkommen, um zu weinen, sondern es soll ihm ein Plus an Kraft geben“.
Von den etwa 100 Werken Zavaczkis wurden 60 in der Gegend um Odorhellen aufgestellt. Zu seinen Werken zählen beispielsweise u. a. die Statuen des Dichters József Attila, des Schriftstellers Sütő András, jene vom Heiligen Stefan oder vom siebenbürgischen Fürsten Szekely Mózes, aber auch die Elemente des zehn Meter hohen Millennium-Denkmals in Odorhellen, das auf dem Platz eines älteren ähnlichen Denkmals errichtet wurde.
Zavaczki wird daheim beim deutschen Vornamen „Walter“ genannt. Seine Mutter ist nämlich eine Szeklerin aus Szákelylengyelfalva/Polonița und sein Vater ein Deutscher aus Oberwischau. Über Geschicklichkeit hatte bereits sein Vater verfügt. ,,Was er einmal anfing, führte er zu Ende, unabhängig vom Bereich“, meinte Zavaczki. Sogar Ungarisch lernte sein Vater hier, allerdings entschied er sich, 1987 nach Deutschland auszuwandern. Seine Familie sollte auch nachziehen, allerdings wurde dieser mehrmals die Ausreise verwehrt. So entschied sich seine Mutter, hierzubleiben. Als sich die Grenzen öffneten, entschied sich aber sein älterer Bruder Berthold zu seinem Vater nach Deutschland zu ziehen, wo er Keramiker wurde. Und so blieb der ältere Bruder beim Vater und der jüngere bei der Mutter. In einer Zeit, wo es noch keine Computer in den Haushalten hier gab, hatten beide Brüder viel Zeit mit Zeichnen verbracht. Sogar Taschengeld verdienten sie durch das Zeichnen von Bildgeschichten oder das Zeichnen bekannter Personen aus der Rockmusikszene, vor allem als es hier noch keine Poster und derlei gab. Zavaczki besuchte eine Tischlerschule, machte nebenbei auch eine Ausbildung für traditionelles Schnitzen. Als er einmal zum Zeitvertreib aus einem Holzklotz einen Menschenkopf schnitzte, war sein Lehrer positiv überrascht, brachte einen noch größeren Holzklotz und bat ihn, das zu wiederholen. Und so fing seine Künstlerlaufbahn an. Anschließend machte er das Abitur und studierte Bildhauerei an der Kunstfakultät in Großwardein.
Werner FINK