Auch junge Hermannstädter halten sich mit Straßen-Workouts fit
Ausgabe Nr. 2763
Human Flag, Full Planch, Front Lever. Die meisten Übungen beim Street Workout, zu Deutsch Straßen-Training, tragen englische Namen. Nicht verwunderlich, denn der Sport findet seine Ursprünge Anfang der 2000er Jahre vor allem in den ärmeren Stadtteilen von New York City. Da sich die Bewohner meist keine Mitgliedschaft in teuren Fitnessstudios leisten können, beginnen sie damit die Spielplätze und Bänke in der Nachbarschaft für ihre Sporteinheiten zu verwenden. Schnell verbreiteten sich Videos der Übungen im Internet, sodass der Sport in der gesamten USA, in Russland und in Europa auf neue Anhänger traf und trifft. Auch in Hermannstadt ist die Trendsportart schon längst angekommen. Seit 2020 gibt es sogar einen offiziellen Verein, das FLUX Street Workout Team Sibiu.
„Beim Street Workout trainieren wir mit unserem eigenen Körpergewicht. Alles was wir dazu brauchen finden wir in unserer Umwelt“, erklärt Florentin Cismaru-Băcanu, einer der Gründer und Trainer von FLUX. Nur zum Aufwärmen oder um die Kraft zu steigern, nutzt die Gruppe manchmal Gummibänder oder Gewichte. Die Routinen setzen sich aus vielen einzelnen Übungen zusammen. Neben dynamischen Bewegungen, wie Klimmzügen und Kniebeugen gehören statische Haltungen zur Königsdisziplin des Street Workouts. Eine dieser Übungen, optisch wohl auch die beeindruckendste, ist die Human Flag. Diese menschliche Flagge meint eine Art seitlichen Handstand, bei der sich Sportler im 90 Grad Winkel „flaggenartig“ von einer Stange abstemmen. Das benötigt eine enorme Menge an Kraft und Körperspannung, vor allem im Bereich der Schultern. Wie für die meisten Street Workout Übungen ist für die menschliche Flagge ein gutes Körpergefühl notwendig. „Durch den Sport lernt man seinen gesamten Körper besser kennen und erkennt, wozu er eigentlich fähig ist“, führt Florentin aus.
Street Workouts kann grundsätzlich jeder machen, in Hermannstadt gibt es mittlerweile sogar drei eigens dafür eingerichtete „Street Workouts Parks“. Sie befinden sich am Konradplatz/Piața Cluj, auf dem ehemaligen Erdwall an der Unteren Promenade/Corneliu Coposu-Boulevard und im Erlenpark.
Mit ihren Reckstangen verschiedener Höhen ähneln sie einem Spielplatz, nur fehlt ihnen Rutsche und Sandkasten. Die Parks wurden auf Bitten des Teams gebaut, sind aber für alle zugänglich. Trotzdem warnt Florentin: „Anfänger sollten sich langsam herantasten, denn es kann ein bis zwei Jahre dauern, bis man die nötige Kraft und Koordination für einige Übungen aufgebaut hat“. Deswegen empfiehlt der 27-jährige das Training auch erst ab 14 Jahren.
Bei FLUX trainieren die Athleten und Athletinnen trotz verschiedener Alters- und Fähigkeitsstufen zusammen. Sie lernen voneinander und bilden eine Gemeinschaft. „Es geht um mehr als nur Sport, wir sind eine Familie“, betont der Trainer. Gerade für die Jugendlichen sei es wichtig, gute Vorbilder zu haben und einen Sinn für Verantwortung und Disziplin zu entwickeln. Für Florentin ist das eine Herzensangelegenheit. Mit dem Team verdient er kein Geld, alle Beiträge und Spenden gehen in die Teamkasse und werden für die Veranstaltung von Wettkämpfen oder neues Equipment verwendet.
Ein großer Wunsch, den sich das Team im November 2021 erfüllen konnte, ist eine eigene Halle. So können sie unabhängig von den Wetterverhältnissen trainieren. „Den Winter über hat bis jetzt jeder für sich trainiert. In Studios oder zu Hause, manche aber auch gar nicht“, erklärt Florentin. Darunter habe vor allem die Motivation und das Gemeinschaftsgefühl gelitten. Die neue Halle am Habermann-Markt bietet nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch einen Rückzugsort für das Team und eine Anlaufstelle für alle Interessierten. Sobald es das Wetter wieder zulässt, will die Gruppe aber auf jeden Fall wieder draußen trainieren. Dann findet man sie montags bis freitags ab 16 Uhr im Erlenpark.
Cheyenne PETERS