TV-Koch Rainer Klutsch präsentiert Gerichte, die er seit seiner Kindheit kennt
Ausgabe Nr. 2763

Klutsch, Rainer: Am Herd meiner Oma – Familienrezepte aus Siebenbürgen. ars vivendi verlag, Cadolzburg 2021, Hardcover, 240 Seiten, ISBN 978-3-7472-0247-0, 240 Seiten, 26 Euro (D); 26,90 Euro (A). In Hermannstadt liegt das Buch im Erasmus-Büchercafé und in der Schiller-Buchhandlung auf und kostet 129 Lei.
Ein Kochbuch kann man am besten testen, wenn man die Rezepte nachkocht, hat sich eine Gruppe Hobbyköche aus Hermannstadt gesagt und „Am Herd meiner Oma – Familienrezepte aus Siebenbürgen” des TV-Kochs Rainer Klusch (ARD, SWR, SAT.1) ins Auge gefasst.
Das Buch mit 80 Rezepten deckt alle Bereiche ab, von Suppen bis Desserts, so dass jeder der Freunde im Ad-hoc-gebildeten Kochkreis die Qual der Wahl hatte.
Schön gemacht ist das Buch, weil vor jedem Kapitel kurz das Leben der Oma erwähnt wird und auch die Rezepte mit kurzen Erinnerungen an die Kindcheit gebunden werden: Was den Kindern geschmeckt hat und welche Rezepte nur mit dem Versprechen eines Desserts akzeptiert wurden.
Die Rezepte sind eher einfach und können leicht von Anfängern nachgekocht werden. Dabei sind nicht nur siebenbürgische Rezepte, denn Palukes und Sarmale werden überall in Rumänien gekocht, haben auch bei der Oma nicht gefehlt. Schöne Fotos begleiten das Buch, auch wenn zu Hause die Gerichte dann wesentliche Unterschiede vorweisen – was des Weiteren noch erörtert wird.
So wurde das Kochbuch von allen Teilnehmern recht gründlich untersucht, von Siebenbürgern und Nicht-Siebenbürgern. Überraschend war auch für die Siebenbürgern die Tatsache, dass viele Rezepte mit Wacholder gewürzt werden, was den getesteten Gerichten eine sehr schmackhafte Note verlieh. Die Nicht-Siebenbürger entdeckten auch ein total neues Rezept – obwohl sie seit vielen Jahren in Hermannstadt leben, wurde ihnen noch nie eine Kümmelsuppe serviert.
Noch nicht gestestet, aber auf der kurzen Liste für die nächsten Wochen ist wohl die Salatsuppe geblieben. In diesem Kochbuch werden nämlich die frischen Salatblätter in die fertige Brühe getan. Wenn so die grünlichen Lappen der „normalen” Salatsuppe gemieden werden, könnte dieses Gericht vielleicht auch neue Fans gewinnen, es bleibt aber offen, ob diese Salatsuppe auch wirklich den Geschmack behält.
Auf die kurze Zukunfts-Liste hat es auch der Baumstriezel geschafft, den man zu Hause nicht bäckt, nicht weil das Rezept aufwendig ist (ist es gar nicht!), sondern weil Einem die Holzrollen fehlen. Im Buch gibt es eine technische Lösung dafür: leere Getränkedosen.
Auf gar keiner Liste haben es die „Mitsch (Mititei)” geschafft, nicht wegen dem Rezept, sondern weil in Rumänien quasi jeder Haushalt, der sich respektiert, seinen Lieblingsmetzger hat, wo man die „besten micider Welt” findet. Ja, darüber wird auch bei jeder Grill-Party mit Freunden debattiert (und keiner läßt nach). Für Nostalgiker im Ausland ist das vielleicht eine Lösung, mit mindestens zwei Insider-Tipps: Das Wasser in der Hackfleischmasse mit einer kräftigen , ungesalzenen Knochensuppe (mit viel Knochenmark) ersetzen und die Masse einen Tag (oder mindestens 12 Stunden) ruhen lassen.

Rapunzelsalat
Keiner hat sich getraut, die Doboș-Torte zu machen, weil man von den eigenen Omas weiß, dass nicht nur (wie im Buch schon gewarnt) die Herstellung der 10 dünnen Kuchenböden sehr aufwendig ist, sondern weil die „böse Überraschung” erst am Ende kommt (eine Warnung wäre auch angebracht gewesen), wenn die Karamellglasur an die Reihe ist: Nicht nur, dass heißer Karamell gemeingefährlich ist, sondern dass er sich kaum streichen lässt, entweder zu heiß oder zu kalt ist. Man braucht richtige Erfahrung, um die Glasur so zu verstreichen, dass sie dünn und knackig aber trotzdem ebenmäßig und goldbraun glänzt.
So entstand eine Woche nach der Auswahl auch ein Festschmaus, bei dem jeder Tester auch seine Erfahrungen beschrieb.
Omas Tokane und der Ungarische Kartoffeleintopf waren einfach und unwiderstehlich. Die Tokana ist auch ein klassisches Gericht in ganz Rumänien (und bestimmt in unterschiedlichen Formen überall auf der Welt anzutreffen), nicht nur weil es schnell gemacht wird und keine hohen Künste braucht, sondern weil man dafür alles in den Topf wirft, was man gerade im Haus und in der Kühltruhe hat – auch saisonbedingt.
Nicht auf den Tisch kamen die Französischen Kartoffeln, weil im Rezept die 500 Gramm gekochten Kartoffeln und die drei Eier mit 200 Gramm geschmolzener Butter übergossen werden müssen. Da alle Teilnehmer andere Varianten dieser Kartoffel kennen und damit aufgewachsen sind, wurde auf diese Verköstigung verzichtet.
Klassisch war auch der Rapunzelsalat, der mit einem kräftigen Kräuterbrot serviert wurde. Und bei Brot gab es auch die ersten Schwierigkeiten, trotz der Erfahrung der beiden Hobbybäcker, die regelmäßig neue Brotsorten probieren und immer Sauerteig im Haus haben. Dadurch ist der erste Teil weggefallen, in dem man seinen eigenen Sauerteig herstellt. Was nicht richtig geklappt hat, war erst die Herstellung des Teiges, wobei die empfohlene Wassermenge erhöht werden musste, eine Sache der Erfahrung, vielleicht nichts für Anfänger. Auch mit den Wartezeiten klappte es nicht so richtig und auch das visuelle Ergebnis machte die Bäcker nicht richtig glücklich. Dafür waren die Tischnachbarn über das dunkle und gut gewürzte Dinkelbrot sehr glücklich – das bekommt man in dieser Bioqualität in Hermannstadt (noch) nicht.
Das Visuelle machte auch der Buchteln-Herstellerin zu schaffen – die goldenen Buchteln von dem Cover des Buches hatten mit ihren dunklen und eher rustikalen Buchteln nichts gemeinsam. Auch wenn der Geschmack ganz in Ordnung war, will die Testerin das dunkle Dinkelmehl demnächst mit Weizenmehl ersetzen, mit Hoffnung auf leicht-luftige Buchteln.
Welcher der Tester das Buch kaufen wird oder nicht, bleibt noch offen, da ist aber sicher eine Tradition der Kochenthusiasten entstanden.
Ruxandra STĂNESCU