Vortrag über die Pfeilerfiguren an der evangelischen Kirche in Mühlbach
Ausgabe Nr. 2763
Heidrun König, Architektin und Leiterin des Landeskirchlichen Museums im ,,Friedrich Teutsch“-Begegungs- und Kulturzentrum in Hermannstadt, hielt am Montag der Vorwoche ihren jährlichen kunsthistorischen Vortrag mit Aktualitätsbezug zum Thema „Die Pfeilerfiguren des Mühlbacher Hallenchors“. Ab 18 Uhr führte sie die rund 20 Gäste durch die Geschichte der Stadt, der Kirche und der Gestalten, die das Gotteshaus schmücken und von oben auf die Gläubigen blicken.
„Vor zwei Jahren war ein Museumsvortrag von Heidrun König die letzte Veranstaltung vor dem Lockdown“, erinnerte sich Teutsch-Haus-Leiterin Dr. Gerhild Rudolf zur Begrüßung des Publikums im Terrassensaal. Rudolf erklärte weiter, dass der Vortrag an diesem Abend des 14. März mit Museumsleiterin König die erste Veranstaltung des Teutsch-Hauses ohne Maskenpflicht darstellt. „Es ist eine große Freude, dass man sich im Begegnungs- und Kulturzentrum wieder so begegnen kann“, so Rudolf, die anschließend das Wort an die Referentin übergab.
Seit 2015 ist die Architektin Heidrun König Leiterin des Landeskirchlichen Museums im ,,Friedrich Teutsch“-Begegnungs- und Kulturzentrum der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien in Hermannstadt. Den Einstieg in ihren Vortrag bildete ein Exkurs in die Stadtgeschichte von Mühlbach/Sebeș Alba. Danach führte König das Publikum durch vier Phasen der Bauhistorie der dortigen evangelischen Stadtpfarrkirche und deren spätere Renovierungen sowie Restaurationen. Nach zwei Bauphasen der romanischen Basilika – vor und nach dem Mongolensturm – sei in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der gotische Hallenchor entstanden. Im 15. Jahrhundert seien die Seitenschiffe des Langhauses verbreitert und erhöht worden. Der Umbau der Halle ist laut König jedoch nicht mehr zustande gekommen. Bemerkenswert an der Mühlbacher Kirche sei die Qualität ihrer Bauplastik.
Später kam König auf die Pfeilerfiguren, die den Chorraum von außen schmücken, zu sprechen. In zwei Registern umstehen diese die Kirchenfassade. „Die oberen stehen unter säulengestützten Baldachinen und sind von unten kaum zu sehen“, so König. Die beste Kunst mitunter fern vom Blick der Gläubigen in der Höhe zu positionieren, sei typisch für das sakrale Verständnis des Spätmittelalters.
Ergänzend zu ihren Ausführungen zeigte König aktuelle Bilder der Gestalten von 2020, die mit einer Drohne aufgenommen worden sind, und ältere Fotografien aus verschiedenen Quellen. Die Drohnenaufnahmen machte Film- und Musikproduzent Schneider nach dem nassen Sommer 2020, im Zuge dessen ein Baldachin abstürzte und weitere Figuren beschädigt wurden. „Die Bilder zeigen, dass es Zeit zur Restaurierung der Gestalten ist“, betonte König die Aktualität ihrer Vortragsthematik.
Die meisten Figuren der Heiligen, die Ende des 14. Jahrhunderts entstanden, seien noch erkennbar, bei anderen sei die Ermittlung der Identität schwieriger. Da sie aus grobkörnigem Sandstein gefertigt sind, würde die Witterung den Gestalten zusetzen. König sagte: „Einigen Apostelfiguren fehlen zum Beispiel die Attribute. Manche kann man anhand anderer Merkmale erkennen, die gestalterischen Konventionen, beispielsweise der Haartracht, folgen.“
In ihrer Präsentation zeigte die Museumsleiterin Aufnahmen von Figurengruppen, die die Menschwerdung Jesu in Szenen aus dem Marienleben darstellen. Beispielsweise die Verkündigung des Herrn durch Erzengel Gabriel oder die Heimsuchung Mariä sind an der Kirchenfassade zu sehen. Erstere ist nach Osten ausgerichtet und sei wohl das Patrozinium der Kirche.
Besonderes Augenmerk legte König auf eine lächelnde Gestalt, die auch den Einladungsflyer zierte. Ihr komme eine Schlüsselbedeutung zu. „Sie wird als der heilige Emmerich gedeutet“, löste König das Rätsel auf. „Das Lächeln gilt als Zeichen der Zugehörigkeit zum beata stirps – dem seligen Geschlecht.“ Auch Emmerichs Vater Stefan l., der Heilige als alter König David, und Ladislaus l., in der Gestalt des heiligen Georg, seien an den Pfeilern der Nordseite zu erkennen. Gemeinsam stellen sie gemäß der Ergebnisse neuer kunsthistorischer Forschung die Triade der ungarischen Königsheiligen dar. König erklärte die Entstehung und Verbreitung dieses Drei-Königs-Kults und die Stilisierung der Heiligenviten.
Während des Vortrags, der knapp 90 Minuten dauerte, nahm König auch Bezug auf andere Gotteshäuser mit vergleichbarer Ikonografie wie dem in Mühlbach. Unter anderem zog sie Parallelen zum Kölner Dom und dem Veitsdom, aber auch zu den Chören in Kronstadt/Brașov und Klausenburg/Cluj-Napoca. Zudem wurde die Motivation hinter der Auswahl verschiedener Pfeilerfiguren, beispielsweise kaiserliche Spenden, und der historische Kontext, in dem sie entstanden, im Referat beleuchtet. „Die Ikonografie ist stets ein Produkt aus kirchlicher Tradition und Politik“, so die Museumsleiterin zusammenfassend.
Nach einer aufschlussreichen Fragerunde war das Referat zu Ende. Abschließend meinte Dr. Gerhild Rudolf mit Dank an Heidrun König: „Jetzt werden wir die Kirche in Mühlbach ganz anders ansehen.“ Der Applaus der Zuhörenden bestätigte dies. Interessierte können die Gipskopien einiger Figuren des Hallenchors in der Mühlbacher Kirche aus nächster Nähe betrachten.
Carla HONOLD