Raritäten aus den Beständen der Bibliothek von Samuel von Brukenthal (I)
Ausgabe Nr. 2757
Der Gründer und Namensgeber des ältesten Museums in Hermannstadt und Rumänien hat nicht nur Gemälde, Münzen usw. gesammelt sondern auch Bücher. Seine Bibliothek im Brukenthalpalais ist eine Schatzkammer, die zur Zeit für das Publikum geschlossen ist. Der für die Bibliothek zuständige Kurator Alexandru-Ilie Muntean hatte die Initiative, in loser Folge einige Raritäten aus dieser Schatzkammer in der HZ vorzustellen. In der ersten Folge geht es um ein von dem Buchdrucker Samuel Schárdi (1705-1779) dem Baron Samuel von Brukenthal gewidmete Buch, auf dessen Titelblatt zu lesen ist: ,,Das vollständig vermehrte Hermannstädtische Gesang=Buch, darinnen 688. auserlesene, alte und neuere, in der Christlich-Evangelischen Kirche gebräuchliche Lieder, gesammlet, und, nach den Abtheilungen des geoffenbarten Lehrbegriffs, in Ordnung gebracht worden, nebst einem auf ähnliche Art eingerichteten Gebet=Buch./Hermannstadt, in der St. Buchdr. gedruckt und verlegt Samuel Schardi. 1766″.
In der ,,Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers“, auch bekannt als Französische Enzyklopädie (Paris, 1751-1780), erscheint Zivilität (civilité) neben Stichworten wie Höflichkeit (politesse) und Freundlichkeit (affabilité) und wurde allgemein als die Wissenschaft vom höflichen Sprachgebrauch und dem Verhalten in der Gesellschaft definiert. Laut Duden bedeutet Zivilität soviel wie ,,Anständigkeit, Höflichkeit (im Ungang mit anderen).
Da in der frühen Neuzeit die christliche Spiritualität im Alltag der meisten Europäer fast allgegenwärtig war, kann man sagen, dass die Symbiose zwischen Zivilität und Christentum eine Selbstverständlichkeit war, und Siebenbürgen bildete bei diesem europäischen Kulturphänomen keine Ausnahme. Die wichtigsten Bücher, in denen gelehrt und gesungen wurde, was es bedeutete, ein guter Christ zu sein, waren unter anderem Katechismen, Bibeln, aber auch Drucke wie das ,,Hermannstädtische Gesangbuch“ von Samuel Sárdi aus dem Jahr 1766.
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts, als Valentin Wagner das erste siebenbürgische Gesangbuch in Kronstadt druckte, gewannen Gesangbücher schnell an Popularität und wurden bald zu einem prägenden Element der Reformation, das zur Besonderheit der christlichen Spiritualität und Materialität in Siebenbürgen beitrug, insbesondere im protestantischen Bereich, aber nicht nur.
Johannes Honterus schreibt in seiner ,,Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen“, gedruckt in Kronstadt 1547, also vor 475 Jahren, dass die Lehrer darauf achten sollten, religiöse Lieder zu lehren: ,,(…) vnd fleissig schulmeister vberal darzu verordnet sollen werden die nit allein der gewon heit halben sorg tragen auff den gesang in den kirchen sonder auch die iugent in freyen künsten vnd christlicher leer auffzihen vnd unterweisen“.
Mehr als zwei Jahrhunderte nach Honterus und Wagner wandte sich in ähnlicher Weise auch Martin Felmer an die Gläubigen, als er in der ,,Vorrede“ zum Gesangbuch von 1766 in Bezug auf religiöse Lieder schrieb: ,,Aus dieser Ursache haben es die Knechte Gottes, denen er die Aufsicht über seine Gemeine anvertrauet, und sie darinnen zu Haushaltern über seine Geheimnisse bestellet hat, allezeit für einen Theil ihrer Pflicht gehalten, dieses Stück des Gottesdienstes, nicht nur sorgfältig zu bewahren, sondern auch nach allem Vermögen zu befördern”.
Samuel von Brukenthal und seine Zeitgenossen fanden sowohl in Siebenbürgen als auch auf dem mitteleuropäischen Buchmarkt ein reichhaltiges Angebot an Zivilität und christlicher Zivilität gewidmeten Büchern in verschiedenen Sprachen und Formaten, wie zahlreiche Bibliotheksauktionskataloge und Buchhandlungskataloge der damaligen Zeit zeigen.
Das von Andreas Schunn und Martin Felmer herausgegebene und 1766 in der Druckerei von Samuel Sárdi in Hermannstadt gedruckte ,,Hermannstädtische Gesangbuch“, mit grünem Samteinband und vergoldeten, verzierten Rändern, gehört zweifellos zu den herausragenden Büchern, die in jener Zeit hergestellt wurden. Gleichzeitig ist es ein Ausdruck des Glaubens und sogar der Eleganz der siebenbürgischen protestantischen Aristokratie des 18. Jahrhunderts, der Samuel von Brukenthal angehörte, und nicht zuletzt der Sorgfalt und des Geschicks, die bei der Herausgabe und dem Druck einiger Bücher in Siebenbürgen im Zeitalter der Aufklärung walteten.
Gedruckt zum allgemeinen Kirchen-Gebrauch, ist dieses ,,Hermannstädtische Gesangbuch“ – abgesehen davon, dass es laut einer Widmung wahrscheinlich von Sámuel Sárdi an Samuel von Brukenthal mit allen Ehren überreicht wurde – jenes, aus dem bei Samuel von Brukenthals Beerdigung am 12. April 1803 die Hymne 451 vorgelesen wurde.
Johann Georg Schaser schrieb Mitte des 19. Jahrhunderts, dass Samuel von Brukenthal gewollt hätte, dass bei seiner Beisetzung die folgenden biblisch inspirierten Verse gelesen werden: ,,Ich bin dein Gott und deines Samens, /Sei nur getrost und Glaubens voll,/Ich schwöre dir Kraft meines Namens,/Dass dir kein Gutes mangeln soll,/Du bist mein auserwählter Sohn./Ich bin dein Schild und grosser Lohn.“
Eng verbunden mit der Idee der Zivilität sind andere Tugenden und Werte, die Samuel von Brukenthal in seinem Testament erwähnt: Weisheit, Freundlichkeit, Güte, Werte die von dem ,,Hermannstädtischen Gesangbuch“ verkörpert wurden.