Versteckte Tragödien in Heimen

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Reportage über das Amt für Kinderschutz und Sozialfürsorge des Kreises Hermannstadt

Ausgabe Nr. 2714

Das Schulungsgebäude auf dem Gelände des  Kinderheims in Orlat  wurde komplett saniert, die Zahl der Kinder auf 44 reduziert. Foto: Beatrice Ungar

Während sich in der lokalen Presse die Managerin der Sozialdirektion des Kreises Hermannstadt (DGASPC), Laura Vîlsan, damit lobt, dass alle Kinder „aus dem System” (gemeint sind die Heime) Zugang zu der online-Schule haben, berichtet eine Reportage aus Bukarest über die weniger schöne Seite der Amtes. Da geht es um 11- und 12-jährige Mädchen „aus dem System”, die sexuellen Straftätern wehrlos ausgesetzt sind, um Bewohner eines Heimes für Personen mit Behinderung, die ihren Mitbewohnern im wahrsten Sinne des Wortes die Augen ausreißen und vor allem darum, dass es keine legalen Konsequenzen für die Mitarbeiter gibt, die Vîlsan sogar „Helden” nennt. Es ist nicht das erste Mal, dass hässliche Geschichten über das DGASPC Hermannstadt an die Öffentlichkeit gebracht werden, es gab sogar Prozesse gegen Angestellte des Amtes, die minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen haben, reformiert wurde das Amt bisher nie. Und wenn auch zum Augenschein dem einen oder anderen Angestellten aus disziplinären Gründen gekündigt wird – nicht der Managerin -, bekommt diese Person eine gut bezahlte staatliche Arbeitsstelle, wie z. B. bei der Präfektur.

 

Die sehr gut dokumentierte Reportage der Journalistin Diana Oncioiu ist unter https://beta.dela0.ro/falimentul-sistemului-de-protecie-a-copilului/ zu finden. Der Artikel enthält Links zu weiteren journalistischen Untersuchungen zu dem DGASPC Hermannstadt, bisher wurden sie von der lokalen Presse nie aufgegriffen und auch der Hermannstädter Kreisrat, dem das Amt untergeordnet ist, hat nie Stellungnahmen dazu veröffentlicht. Noch mehr, der Kreisrat hat nach einem sehr dramatischen Vorfall einen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, dessen Bericht nie veröffentlicht wurde. Und wie jedes Mal, gab es auch keine legalen Konsequenzen und zwischen den Behörden scheint es, dass es ein gemütliches Status Quo herrscht. Für die Schutzbefohlenen ändert sich dabei auch nichts, inzwischen hat ein 15-jähriges Mädchen „aus dem System” ihr erstes Kind geboren, Vater ist ein knapp 40-jähriger Mann.

Das Mädchen, Daniela, befindet sich in einem Heim des DGASPC und ist einer der ersten Fälle, die im Artikel beschrieben wird. Dem etwa 35-jährigen Geliebten wird erlaubt, die damals 12-Jährige im Heim zu besuchen. Inzwischen ist Daniela weiter im System, aber nicht mehr als zu schützendes Kind, sondern als zu schützende minderjährige Mutter mit Kind und hat mehrmals versucht, aus dem Heim zu fliehen.

Zu diesem und zu anderen Fällen gab es eine ausführliche Kontrolle seitens der Nationalen Autorität für die Rechte der Personen mit Behinderung, Kinder und Adoptionen (Autoritatea Națională pentru Drepturile Persoanelor cu Dizabilități, Copii și Adopții, ANDPDCA), Autorität, die dem Ministerium für Arbeit und sozialem Schutz untergeordnet ist. Die Ergebnisse sind ausführlich unter http://andpdca.gov.ro/w/wp-content/uploads/2020/12/Sinteza-control-Sibiu_CU-FOTO.pdf zu finden. Auch im Bericht einer Kommission des Rumänischen Parlaments (http://www.cdep.ro/pls/proiecte/docs/2020/ph074_rap_ancheta.pdf) werden Unregelmäßigkeiten beim Sozialamt des Kreises Hermannstadt gemeldet. In Hermannstadt gibt es zu keinem dieser Dramen ein Echo seitens der Behörden.

In Diana Oncioius Artikel werden weitere Fälle kurz aufgeführt, dazu auch die Antwort der Managerin Laura Vîlsan, die wenig berührt zu sein scheint über das unzumutbare Leben der zur Prostitution gezwungenen Minderjährigen und viel mehr damit beschäftigt zu sein scheint zu erklären, dass sie und ihre Mannschaft sehr kompetent sind.

Dabei ist sie der Meinung, dass der vorhin erwähnte Ausschuss des Kreisrates zur Untersuchung der Tätigkeit der Leitung des von ihr geleiteten Amtes, der ins Leben gerufen wurde im Zusammenhang mit  einem Vorfall, in dem einem Mann die Augen ausgerissen wurden, ausschließlich gegen sie gerichtet wurde. Dass dabei zwei Männer mit Behinderung, die unter ihrer Leitung ein noch schlimmeres Leben haben, als bisher – der eine blind, der andere in psychiatrischem Gewahrsam -, scheint sie weniger zu beschäftigen, als sich selber als Opfer des Untersuchungsausschusses darzustellen. Der Ausschuss übergab seinen Bericht 2019 der Kreisratsvorsitzenden. In dem Ausschuss vertreten waren Kreisräte seitens der verschiedenen Parteien und zwei Psychologen. Einer von ihnen, Mugur Frăţilă ist u. a. seit vielen Jahren Mitarbeiter des Centrul de Resurse Juridice, einer NGO aus Bukarest, die sich durch mehrere Projekte für die Rechte der schutzbedürftigen Personen in Rumänien eingesetzt hat. In dieser Rolle hat er im Laufe der Jahre viele Heime und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Rumänien besucht, kennt sehr gut die Probleme im System und war deswegen auch bereit, seinen Bericht dem Kreisrat abzugeben. Auch seine Berichte wurden bisher ignoriert, wie auch alles, was wahrscheinlich nicht zum „guten Image” des Kreisrates passt.

Die Schutzbefohlenen im Kreis Hermannstadt – und nicht nur – bleiben weiterhin nicht ausreichend geschützt, weitere Tragödien sind so gut wie vorprogrammiert und in Hermannstadt herrscht weiterhin die Ruhe. Denn die minderjährigen Mädchen und Jungen „aus dem System” sind zu sehr damit beschäftigt, sich gegen die nächste Vergewaltigung zu wehren, um sich auch noch vor dem Missbrauch durch die Behörden schützen zu können.

Die Journalistin Diana Oncioiu schlussfolgert treffend und ernüchternd: „Diese Tragödien (die nicht nur persönlich sind, sondern öffentliche Dimensionen haben, weil sie von unserer kollektiven Fähigkeit sprechen, extrem gefährdeten Kategorien Sozialhilfe zu leisten) werden nur in Berichten festgehalten, die fast niemand sieht.”

Ruxandra STĂNESCU

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Soziales.