Kein Happy End

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Deutsches Theater aus Temeswar live auf Facebook

Ausgabe Nr. 2670

Szenenfoto mit Radu Brănici, Simona Vintilă und Isa Berger (v. l. n. r.). Foto: DSTT

Ein Gutes hat die Coronavirus-Krise. Man hat die Gelegenheit, Theaterstücke online zu sehen, zu denen man sonst keinen Zugang hätte. Fast alle großen Theaterhäuser des Landes bieten seinen Zuschauern auf ihrer Facebook-Seite im Online-Streaming Inszenierungen an. Darunter befinden sich das Hermannstädter Radu Stanca-Nationaltheater, das Ion Luca Caragiale-Theater aus Bukarest und seit vergangenen Montag auch das Deutsche Staatstheater Temeswar. Das erste Theaterstück, das man aus der Ferne genießen konnte, war „Im Schatten des Vergessens“ von Simona Vintilă, in deutscher Sprache mit rumänischer Untertitelung, das am 11. Mai 2018 in Temeswar Premiere gefeiert hatte.

 

Das Stück beginnt mit einer Szene in einer Psychiatriepraxis. Eine Frau macht einen Gedächtnistest, den sie nur teilweise besteht. Nächste Szene: Die Frau bekommt Besuch von ihrer Tochter und deren Freund, Alois (Radu Brănici). Die Frau vergisst offensichtlich, ihre Tochter vom Flughafen abzuholen und vermasselt ihr Lieblingsgericht, das sie so oft vorher gekocht hatte.

Dem Zuschauer wird ziemlich früh klar, dass die Hauptdarstellerin, die so überzeugend von Simona Vintilă, der Autorin und Regisseurin des Stücks, gespielt wird, an Demenz oder Alzheimer leidet.

Im weiteren Verlauf der Handlung verschlimmert sich der Zustand der Frau. Die Tochter, gespielt von Isa Berger, begreift als einzige in der Familie, dass etwas unternommen werden muss und besucht den Psychiater (Rareș Hontzu), der als Diagnose „eine leichte kognitive Beeinträchtigung“ oder „Gedächtnisstörung“ angibt.

Die Erkenntnis der Tochter, dass ihre Mutter an Alzheimer leidet, kommt auch zu spät. Die Heimkehr des sonst im Ausland arbeitenden Vaters, interpretiert von Franz Kattesch, kann nichts mehr an der Situation ändern. Der Verfall der Familie nimmt seinen Lauf: Alois verlässt die Tochter, die mit der Pflege der kranken Mutter überfordert ist und oft mit dem Vater streitet. Das Stück endet damit, dass sich die Mutter verirrt und von der Polizei nach Hause gebracht wird.

Die Szenen werden durch Gesangseinlagen von Dana Borteanu getrennt, die die Krankheit verkörpern soll. Am Klavier begleitet sie Aurel Dragalina. Ihre Stimme drückt gegen Ende des Stücks gewaltig auf die Tränendrüse. Im Hintergrund werden Nahaufnahmen der Hauptdarstellerin Simona Vintilă auf eine Leinwand projiziert. Es gibt kein Happy End auf der Bühne, so wie es im wirklichen Leben auch kein Happy End bei Alzheimer-Patienten gibt.

Zur Entstehung des Stücks sagte Simona Vintilă gegenüber Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien: „Ich freue mich, dass dieses autobiografische Stück weitgehend szenisch umgesetzt wird … nicht nur, weil ich seit zwölf Jahren die Phasen dieser schweren Krankheit mit meiner Mutter durchmache, sondern auch, weil ich einige der Verheerungen, die die Alzheimerkrankheit unter den Betroffenen und den indirekt Betroffenen verursacht, mit der ganzen Welt teilen möchte.“

Etwa 70 Personen sahen sich im Durchschnitt das Theaterstück auf der Facebook-Seite des Deutschen Staatstheaters Temeswar (https://www.facebook.com/deutschestheatertemes war/) im Live-Streaming an und blieben bis zum Schluss, der sich wegen eines technischen Problems ziemlich lange verzögerte.

Schon heute, den 30. April, ab 18 Uhr, können Theaterliebhaber erneut eine Inszenierung von Simona Vintilă erleben. Es handelt sich um das Stück ,,Die menschliche Dummheit“ nach Ion Creangă.

Cynthia PINTER

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.