Es fehlt der direkte Kontakt zu den Schülern

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Drei Lehrerinnen erzählen über ihre Erfahrungen mit dem Online-Unterricht

Ausgabe Nr. 2670

Karikatur: Schule mit Corona. Marian KAMENSKY

Von Klasse Null bis Lyzeum und Hochschule, die Lehrer im ganzen Land sitzen seit Wochen vor den Computern und machen das Beste aus der Tatsache, dass das Schuljahr dieses Jahr nicht mehr im Klassenzimmer stattfinden wird, sondern ausschließlich online. Mirona Stănescu, Direktorin des Departements für Pädagogik und Didaktik in deutscher Sprache der „Babeş-Bolyai” Universität Klausenburg, Nicoleta Maier, Deutschlehrerin am Octavian Goga-Kolleg in Hermannstadt und Cristina Călinescu, Grundschullehrerin am Goethe-Kolleg in Bukarest teilten aus ihren Erfahrungen mit. Alle sind in der glücklichen Situation, dass alle ihre Schüler es sich leisten können, mitzumachen. Und auch alle wissen das Gelernte zu schätzen. Die Interviews führte HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u.

 

Die klassischen Unterrichtsstunden fallen aus. Wie finden Sie das?

C.C.: Ich denke, das ist besser so. Wir waren für sowas zwar nicht vorbereitet, aber inzwischen haben sich die Kinder schon dran gewöhnt. In meiner Klasse sind 34 Kinder, 31 machen beim Online-Unterricht mit. Ich persönlich würde natürlich wieder in die Klasse gehen, aber ich habe die Vorbereitungsklasse, da ist die soziale Distanzierung unmöglich. Die Kinder können nicht davon abgehalten werden, zusammen zu spielen, oder dass sie dich spontan umarmen.

N.M.: Meiner Meinung nach war das die richtige Entscheidung. Ich spreche jetzt sowohl als Lehrerin, als auch als Elternteil. Ich denke, dass die aktuelle Situation ziemlich seriös ist und dass durch das Schließen der Schulen Schüler und Lehrkräfte geschützter sind.

M.S.: Es gibt natürlich mehrere Sichtweisen. Einerseits kann ich das sehr gut verstehen, es geht um die Sicherheit der Kinder und der Lehrkräfte und ich kann es nachvollziehen. Andererseits ist es nicht immer einfach, die Probleme, die dadurch entstehen, tatsächlich vorauszusehen und zu lösen. Wir sind nicht das einzige Land, das sich dafür entschieden hat, Italien hat bereits angekündigt, dass die Schulen bis September geschlossen bleiben. Prinzipiell finde ich, dass es eine gute Entscheidung war und sie war vorauszusehen.

Wie haben Sie konkret Ihre Unterrichtsstunden veranstaltet?

C.C.: Wir arbeiten mit Zoom. Am Anfang haben wir viele Wiederholung gemacht, inzwischen habe ich begonnen, zu unterrichten. Für uns klappt es, in den größeren Klassen kann es schwieriger werden.

N.M.: Ich unterrichte Deutsch an den Klassen 9 bis 12 und habe in den Unterrichtsstunden sehr oft die Medien eingesetzt, so dass die Schüler daran gewöhnt waren. Zum Beispiel habe ich gerade heute erfahren, dass wir den deutschen Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa” zum Thema „Statt Gedichten? – Stadtgedichte!” gewonnen haben, wo es darum ging, einen Video-Clip zu drehen und zu schneiden. Erst haben wir über WhatsApp-Gruppen gearbeitet, dann gab es Webinare für die Lehrer, zum Beispiel für Google Classroom und Microsoft Teams. Die Schule hat dann beschlossen,  dass alle die gleiche Plattform benutzen, Microsoft Teams, und hat Kontos für Lehrer und Schüler eingerichtet, so dass wir einheitlich arbeiten. Das war eine gute Entscheidung, denn die Schüler waren nicht mehr gezwungen, auf mehreren Plattformen zu arbeiten und konnten ihre Aufgaben für alle Fächer auf der gleichen Plattform lösen. Wir haben natürlich mehrere Möglichkeiten, Materialien zu posten, wir können Links schicken, die Schüler können mit uns in Verbindung treten, wir können Live-Stunden durchführen, was sehr gut ist. Sicherlich brauchen dafür alle Laptop und Internetzugang, meine Schüler sind in der glücklichen Situation, dass alle mitmachen können.

M.S.: An der Uni hat man sich schnell entschieden, dass die Vorlesungen online stattfinden werden, wir durften uns dann auswählen, über welche Plattform wir arbeiten. Manche arbeiten über Skype, über Zoom, über Microsoft Teams… Es war außerdem klar, dass der Unterricht weiterhin so stattfindet, wie er im Stundenplan vorgesehen war. Für mich und ich denke, ich kann auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen sprechen, gab es aber auf jeden Fall mehr Vorbereitung. Wir mussten auch plötzlich Lösungen finden für neue Probleme, die man normalerweise im Unterrichtssaal nicht hat. Ich gebe zum Beispiel Unterricht zu Kinder- und Jugendliteratur, und hatte Bücher und Bilderbücher dabei, die die Studierenden sich dann auch anschauen durften.

Wie haben die Schüler reagiert?

C.C.: Am Anfang waren sie nicht so aufmerksam, aber jetzt sind sie dran gewöhnt. Wir beginnen nicht um 8 Uhr, sondern erst um 9, aber die Anpassungsphase ist vorbei.

N.M.: Wie gesagt, für die Schüler war es nichts Neues. Inzwischen ist es so geregelt, dass ein Viertel der Unterrichtszeit live ist, der Rest individuelles Studium. Wir haben sehr gut mit den Eltern zusammen gearbeitet und ich denke, dass alles in Ordnung war.

M.S.: Für die Studierenden gab es das Problem, dass die unterschiedlichen Stunden über verschiedene Plattformen gelaufen sind. Da mussten sie für jede ein Konto haben, regelmäßig bei allen kontrollieren, ob was Neues ansteht, usw.

Welche waren die Herausforderungen für Lehrer und Schüler?

C.C.: Für die Lehrer war es herausfordernd, die nötigen Materialien zu finden. Für die Vorbereitungsklasse der deutschen Abteilung gibt es erst recht wenig didaktisches Material. Für die Kinder war es schwierig, aufmerksam zu sein und nicht mehr alles aus dem Haus zu zeigen, Puppe,  Hund und Vieles mehr. Inzwischen haben sie verstanden, dass die Stunden eben Stunden sind, dass sie nichts essen dürfen, dass sie nicht alle 20 Minuten aufs Klo rennen dürfen, dass sie nicht miteinander sprechen dürfen.

N.M.: Die Schüler sind mit der Technik vertraut. Ich denke nur dort, wo mehrere Kinder einen Laptop benützen, könnte ein organisatorisches Problem auftreten.  Auch wir als Lehrer haben im Laufe der Jahre bei mehreren Fortbildungskursen teilgenommen, es war also nicht Neuland. Die Neuigkeit war nur die Online-Plattform.

M.S.: Ich denke, die Studierenden haben sich am Anfang tatsächlich ein bisschen schwer getan und ich glaube, uns und auch ihnen war es nicht klar, dass es so lange dauern.  Mittlerweile klappt alles, sie haben sich auch dran gewöhnt, dass sie von uns Aufgaben bekommen, die sie dann lösen müssen und die wahrscheinlich dann zumindestens in meinem Fall Teil der Note sein werden. Auch wir hatten am Anfang keine Erfahrung mit dem Online-Unterricht und mussten unser Angebot anpassen. Zum Beispiel hätte eine meiner Unterrichtsstunden in einer Bibliothek stattfinden müssen… Was uns Schwierigkeiten macht, ist die Online-Verbindung. Viele arbeiten in dieser Zeit von zu Hause, das Internet funktioniert auch dementsprechend. Wir werden also oft rausgeschmissen, mir passiert das öfters, dass ich zwei Minuten mit mir selber rede, weil ich auf einmal weg bin… Außerdem ist es ein Problem, dass die Studierenden auch nicht immer die beste Internet verbindung haben, um per Video an der Veranstaltung teilnehmen  zu können.

Was nehmen Sie als Lehrer mit aus dieser Erfahrung?

C.C.: Ich nehme viel Erfahrung mit dem Online-Unterricht mit. Wir haben gelernt, auch Online-Stunden attraktiver zu gestalten.

N.M.: Das wichtigste ist, dass wir gesund bleiben und dass wir uns Rechenschaft gegeben haben, dass wir zusammenhalten müssen. Wir müssen Geduld haben, uns die Zeit organisieren, uns anpassen und alles wird gut sein.

M.S.: Viele Lehrer haben jetzt erkannt, dass die Medien auch im Unterricht eine wichtige Rolle spielen können und müssen. Die Medien sind nicht immer der schwarze Mann, die können sehr effizient eingesetzt werden. Man kann und muss auch die Kenntnisse der Studierenden verwerten, die in diesem Bereich viel weiter sind als wir.

Was vermissen Sie, worauf könnten Sie ab jetzt verzichten?

C.C.: Mir fehlt natürlich der Kontakt mit meinen Schülern. Dass ich sie dort sehe, dass ich ihre Reaktionen beobachte, nicht nur auf einem Bildschirm. Sie passen gar nicht alle auf einen Bildschirm. Es ist schwieriger, mit ihnen zusammen zu arbeiten, wenn die direkte Interaktion fehlt. Mir fehlt die Wärme aus meiner Klasse, auf dem Bildschirm ist alles viel kälter. Ich würde nicht beim Online-Unterricht bleiben. Das muss jetzt so gehen, aber für die kleinen Klassen ist der Unterricht unentbehrlich. In der Hochschule sind die Beziehungen vielleicht anders, aber die kleinen Kinder brauchen eine andere Unterstützung, wir sind ja die zweite Mutter für sie.

N.M.: Am meisten fehlt mir die Sozialisierung, es ist was Anderes, wenn man sich mit den Schülern und mit den Kollegen trifft. Man  kann sich natürlich auch online treffen, auf dem kleinen Bildschirm fehlt mir die Gesamtübersicht der Klasse. Mir fehlen die Witze und die ironischen Sticheleien in den Klassen.  Wenn ich jetzt zurück in die Klasse gehen würde und es in meiner Kraft läge,  würde ich – auch wenn es jetzt nichts mit der Pandemie zu tun hat – vieles Unwichtige aus dem Lehrplan streichen.

M.S.: Ich vermisse auf jeden Fall die Studierenden, die direkte Kommunikation. Die Studierenden sind fleißig und machen mit, sind aber nicht so kommunikativ wie sonst. Sie trauen sich auch nicht immer zu sprechen, sie können auch nicht immer dabei sein oder sind nicht immer alleine zu Hause und manchmal ist es laut… Ich vermisse auch die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen, denn viele gute  Ideen entstehen bei diesen direkten Treffen. Ich sehe das jetzt inzwischen mit ganz anderen Augen. Was ich nicht vermissen werde, das sind dann die vielen Stunden vor dem Computer. Wir sind auch bisher viel davor gesessen, da man alles ja vorbereiten muss, aber jetzt kommen auch die Unterrichtsstunden dazu. Was ich auf jeden Fall mitnehme, sind die vielen Ideen, wie man Medien im Unterricht einsetzen kann. Wir Lehrer mussten sehr kreativ sein und diese Kreativität finde ich sehr gut.

Vielen Dank.

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.