Die „Sündenböcke“ ausfindig gemacht

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4. Urzellauf in Großschenk nach der Wiederaufnahme des Brauches

Ausgabe Nr. 2660

Zwei Männer mit der ,,Eier“-Lade voran bewegte sich der Zug der Urzeln durch die Gemeinde Richtung Rathaus. Eine Urzel trug die Fahne Siebenbürgens und die andere die Fahne des neu gegründeten Kulturvereins ,,Scaunul Cincului“ (Großschenker Stuhl). Foto: Werner FINK

„Dä nea schun vuir longer Zet, mät oallen ausgewemdert set. Doch vuir det  Urzelnleofen nin ech un, set ihr extra än de Hoimet kun“, sagte Narrenrichter Helmuth Zink in der Ansprache.  Ja so war es am vergangenen Samstag in Großschenk. Einige der ausgewanderten Sachsen waren wieder extra aus Deutschland in die Heimat gekommen, um als Urzeln gemeinsam mit weiteren Teilnehmern hier den Winter aus der Gemeinde zu vertreiben.  Insgesamt gab es dieses Mal 65 Urzeln denen sowie allen anderen Beteiligten dieser besondere Tag eine Riesenfreude zu bereiten schien.

 

Wie jedes Jahr versammelten sich die Urzeln am Samstagmorgen in einem der Höfe und dann ging es in Richtung Rathaus, wo der Bürgermeister Sorin Aurel Suciu die Urzeln erwartete. Der Zug bestand aus einer Vorhut von Urzeln die mit ihren Peitschen knallten, dann folgten die zwei Männer, die eine Lade trugen, in der die geschenkten Eier Platz fanden.  Dahinter schritten dieses Mal zwei Urzeln, die je eine Fahne trugen, wobei die eine der Fahnen den neu gegründeten Kulturverein „Scaunul Cincului“ (Großschenker Stuhl) repräsentierte. Es folgte der Traktor mit dem Anhänger mit den drei Narrenrichtern und zugleich Hauptveranstaltern,  Helmuth Zink, Martin Mertensacker und Mihai Gottschling. Ebenfalls auf dem Anhänger stehend sorgte Sorin Țerbea am Akkordeon für Stimmung und die zwei als Damen verkleideten Burschen buken eifrig und reichten ab und zu „Kletitten“ (Pfannkuchen)  herunter.  Hinter dem Anhänger  folgte die Urzelschar.

„Nach altem Brauch wie jedes Jahr wollen wir euch sagen, ganz klar, was sich ereignet hat im Ort, bleibt hier und laufet ja nicht fort“, hieß es in der Ansprache der Narrenrichter vor dem Rathaus. Die Narrenrichter hatten die „Sündenböcke“ auch dieses Jahr ausfindig gemacht und deren „Fehltritte“ wurden nun in spaßhaften  Versformen,  wahrscheinlich etwas übertrieben, in die Welt ausposaunt.  Da erfuhren die Anwesenden  von den „Auto-Lachpiloten“, die einen Wagen zu reparieren versuchten, dieser aber ins Rollen kam, wobei der eine Beteiligte die Bremse durchs Fenster nicht  mehr rechtzeitig drücken konnte  und schließlich samt Auto im Graben landete oder von der Saufparty wo ein Bursche auf dem Klo einschlief und vieles mehr. In einer der versförmigen Geschichten ging es um den  Journalisten Cristian Tabără, der als Gast beim Urzelnlauf dabei war und ihm auch die Zeichnung zur Story als Erinnerung übergeben wurde. Anschließend ging es durch die Gassen wobei die Ortsansässigen  die Urzeln und die Gäste mit Krapfen und Getränken erwarteten.

Gruppenbild mit Urzeln und Narrenrichtern vor der Großschenker Kirchenburg.                 Foto: Werner FINK

„Mein Großvater und seine Schwester haben das  früher alles geschrieben“, erinnerte sich Mundartdichter Helmuth Zink, der die deutsche Fassung der Verse verfasst hatte. “ Ich habe mit ihm immer in Versen korrespondiret solange er gelebt hat und das habe ich dann von ihm übernommen“. Zink möchte, dass die Tradition so weitergeführt wird, „wie es früher war“. Bei den Siebenbürger Sachsen habe es die Gemeinschaft gegeben. Man müsse die Leute dazu bringen gemeinsam zu arbeiten, nicht allein.

„In Deutschland sind mittlerweile sehr viele junge Leute bei vielen Veranstaltungen der Siebenbürger Sachsen dabei, was ich sehr schätze“, unterstrich Zink. „Damit so viele junge Leute und Kinder dazu kommen, muss man sowas pflegen, und weiterführen. Man muss sehen, dass die Jugend, die Kinder, gefördert werden.“

Eine Neuigkeit besteht darin, dass vor kurzem  der Kulturverein „Scaunul Cincului“ gegründet wurde. „Wir haben einen offiziellen Verein gemacht, damit wir noch Spenden sammeln können für Projekte die wir dieses Jahr noch vorhaben“, verriet Martin Mertensacker. Für den neu gegründeten Verein wurde auch ein Haus von einem Gemeinderatsmitglied zur Verfügung gestellt. Das Ziel ist, verschiedene siebenbürgisch-sächsische aber auch andere Traditionen  neu zu beleben. Weiterhin ist geplant, auch einige Räume in der ehemaligen deutschen Schule einzurichten. Durch die Initiative Martin Mertensackers, der seit etwa 1992 in Großschenk lebt und hier noch den letzten Urzellauf miterleben durfte, sowie  Mihai Gottschlings Hilfe wurde übrigens der Brauch 2017 hier wieder aufgenommen.

„Ich bin super froh, dass wir jetzt schon im vierten Jahr sind“, freute sich Marlene Stanciu über die gelungene Weiterführung des Brauches. Stanciu unterstützt den Brauch über ihren Verein „Soxen“ und im „Urzelkomitee“ ist sie für PR zuständig. Zum einen sei es schön, dass es den neuen Verein „Scaunul Cincului“ gibt, der die Gemeinde weiterhin unterstützen soll, zum anderen sei es gelungen, den Großschenker Urzellauf in ein „Ruritage Brand“-Projekt einzubinden. „Wir haben an der Ausschreibung teilgenommen und wurden von 100 Projekten aus Rumänien zusammen mit einem anderen Porjekt ausgewählt“, erzählte Stanciu. Bis 2021 müsse man nun die Strategie fertig kriegen.

Ein Ziel von „Ruritage“ (Rural regeneration through systemic heritage- led- strategies) ist eine Denkweise aufzustellen, über die  Natur- und Kulturerbe in  ländlichen Regionen zum Motor der nachhaltigen Entwicklung werden.

Auf ihrem Lauf durch die Gemeinde hielten die Urzeln immer wieder vor bestimmten Häusern, wo sie von den Bewohnern (hier Vasilica Bertuș) mit leckeren selbstgebackenen Krapfen empfangen wurden.Foto: Werner FINK

Die aus Baaßen stammende Christel Hermann machte nun zum zweiten Mal beim Urzellauf in Großschenk mit und scheinbar machte es ihr Spaß, wieder dabei zu sein, vor allem da sie den Brauch vorher nicht kannte. „Ich finde es schön den Brauch mit den anderen zu teilen, die hier aus dem Ort kommen“, sagte Hermann. Hingegen kennt Dietmar Fröhlich den Brauch bereits „seit der Kindheit“ und freute sich, seit der Wiederaufnahme in Großschenk nun auch zum zweiten Mal dabei sein zu können.

Einer der Ladenträger war Uwe Constantin Boghian, der einen großen Teil der Masken und auch andere Sachen für den Urzellauf selber gefertigt hatte. Speziell für dieses Jahr bereitete er sich u. a. mit Miniaturmasken und -wappen vor.

Abgeschlossen wurde der Tag am Abend mit dem Ball, wo  bis zum Morgengrauen gefeirt und die das  Tanzbein geschwungen wurde. Für Musik und Stimmung  sorgte die  Band Hermannstadt 07.

Werner FINK

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tradition.