Ausstellung des Fotografen Jörg Müller im Auswärtigen Amt in Berlin
Ausgabe Nr. 2635
In Kooperation mit dem Auswärtigen Amt fand am 19. Juli in Berlin die Eröffnung der Goethe-Ausstellung „5x Deutschland in aller Welt” statt. Der Hamburger Fotograf Jörg Müller porträtierte für diese Ausstellung Orte, in denen die Nachfahren von Auswanderer leben die Deutschland in den vergangenen Jahrhunderten verlassen haben. Bereits seit dem Mittelalter warben z. B. slawische Herrscher gezielt deutsche Siedler an, um dünn besiedelte Regionen im Osten zu erschließen und Fachkräfte zu gewinnen. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August zu besichtigen im Auswärtigen Amt, Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 7-19 Uhr. Einlass gegen Vorlage des Personalausweises, es sollte eine Wartezeit für die Sicherheitsschleuse mit einkalkuliert werden.
Die Ausstellung zeigt, wie die Nachfahren heute noch deutsche Kultur leben, indem sie deutsche Feste feiern, deutsche Gottesdienste besuchen und in der Schule die Sprache ihrer Vorfahren lernen. Gleichzeitig erfährt man, wie die deutschen Auswanderer sich integrierten und trotz schwieriger Umstände für sich und ihre Umgebung einen wirtschaftlichen Auf- schwung erreicht haben. Es wird das Leben in Litkowka/Russland, Oberwischau/Rumänien, Pomerode/Brasilien, Kolonie Manitoba/Mexiko, und die Region um Wartburg/Südafrika gezeigt.
Dr. Christoph Veldhues, Leiter der Abteilung Sprache im Goethe-Institut München, unterstrich in seiner Begrüßung, dass die Fotoausstellung ein Plädoyer für ein internationales Zusammenleben darstelle und zudem verdeutliche, dass Migration, sprachliche und kulturelle Pluralität kein neues Phänomen ist.
Der stellvertretende Abteilungsleiter für ‚Kultur und Kommunikation’ des Auswärtigen Amtes, Michael Nowak sagte u.a., dass nach den Befreiungskämpfen der südamerikanischen Länder zwischen 1820-1825, die Konsolidierung der nun unabhängigen Staaten durch Urbarmachung des Brachlandes folgte, was man mit europäischen Einwanderern erreichte. Infolge der wirtschaftlichen Rezession nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine zunehmende Auswanderung nach Lateinamerika ein. Später kamen religiöse und politische Gründe hinzu.
Beim Rundgang durch die Ausstellung erläuterte der Fotograf Jörg Müller die Entstehung der Kleinstadt Pomerode, die 1861 von Siedlern aus Pommern gegründet wurde. Die Siedler gründeten während der Aufbaujahre Schützen- und Sportvereine. Auch entstanden Theater- und Volkstanzgruppen. Mitten in Brasilien, 1.000 Km südlich von Rio de Janeiro gelegen, ist die heute knapp 30.000 Einwohner zählende Stadt Sitz von Brauereien, Textilfabriken, Spielzeugherstellern sowie deutschen Firmenvertretungen. Es herrscht Vollbeschäftigung und der Stadthaushalt kennt seit vielen Jahren nur Überschüsse. 92% der Einwohner sind Nachfahren deutscher Auswanderer, die noch heute sowohl deutsch mit hinterpommerschen Akzent als auch Plattdeutsch sprechen!
Von großem Interesse auch sein Hinweis, dass heute mehr als 80.000 Mennoniten in der mexikanischen Halbwüste des Bundesstaates Chihuahua, nördlich der Stadt Cauthémoc leben. Ihr Weg dahin war eine Jahrhunderte lange Wanderung, die um 1525 in Zürich im Umfeld der Schweizer Reformation begann. Mit der Unterdrückung, Verfolgung und Ausweisung begann auch die Geschichte der mexikanischen Mennoniten: In den 1530 Jahren zogen viele Mennoniten in das Gebiet rund um Danzig, wo sie erfolgreich Landwirtschaft betrieben. Nach der ersten Teilung Polens 1772, kamen sie unter preußische Herrschaft, was die weitere Ausbreitung in der Region verhinderte. Also wanderten viele von ihnen Ende des 18. Jahrhunderts in die Ukraine und nach Russland aus. 1874, nach Einführung der russischen Wehrpflicht, zogen zahlreiche Russlandmennoniten weiter in die USA und nach Kanada, wo neue Gemeinden entstanden. Das ,,Einsprachengesetz“ in Kanada, erlassen während des Ersten Weltkrieges und die Einschränkungen im Rahmen des Privatschulwesens, waren dann die Auslöser für den Aufbruch nach Südamerika. Nach der Zustimmung der mexikanischen Regierung, von der die Mennoniten zu sehr günstigen Konditionen große Ländereien erwarben, kamen sie 1922 per Zug aus Kanada nach San Antonio de los Areales, einer staubigen Wüstenstation. Dieser Wüstenort entwickelte sich zu der prosperierenden, 100.000 Einwohner zählenden Stadt Cauthémoc. Durch ihren Zusammenhalt und ihren Arbeitseifer schufen die Mennoniten dort die größten Apfelplantagen Mexikos!
In Europa begab sich der Fotograf Jörg Müller auf die Spuren deutscher Nachfahren in die Weiten Sibiriens, zu der abgeschiedenen russlanddeutschen Ortschaft Litkowka, und in Rumänien in den Kreis Maramureș in die Ortschaft Vișeu de Sus/Oberwischau, die erst 1956 zur Stadt ernannt wurde. Die erste Erwähnung Oberwischaus erfolgte 1362. Jedoch erst zwischen 1796 und 1798 erfolgte die erste große Ansiedlung deutscher Familien aus der Zips, der heutigen Slowakei. Die meisten von ihnen arbeiteten als Holzfäller im nahe gelegenen Wassertal. Bis 1932 wurde das Holz mit Flößen ins Tal transportiert, später mit einer dampfbetriebenen Schmalspurbahn. Die Ansiedlung der Zipser, ebenso wie die der Juden, ist für Oberwischau einmal prägend gewesen.
Wie mag es beispielsweise früher im Wassertal gewesen sein, als noch König Ferdinand zur Jagd erschien? Oder wie der sagenumwobene Soldatenfriedhof oben bei Mierasch ausgesehen haben mag, bevor er ein Opfer der Fluten wurde!
Bei der Registrierung im Mai 1990 des DFD-Oberwischau, zählte das Forum noch 500 Mitglieder, was sich jedoch im Laufe der 90er Jahre sehr stark reduzierte.Warum der Fotograf die Stadt Vișeu de Sus in der Maramuresch aussuchte, und nicht beispielsweise eine andere Ortschaft im Banat und/oder Siebenbürgen portraitierte, wird sein Geheimnis bleiben.
Elke SABIEL
Ehrenvorsitzende,
Verein der ehemaligen Russland-Deportierten