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Rückblick auf die France-Roumanie-Saison in Frankreich
Das Karrussel der Saison France-Roumanie in Frankreich drehte sich bis zum 14. April weiter. Gerade wurde noch eine kleine „Konfrontation” der Bilder von Ciprian Mureșan und Șerban Savu eingeweiht, die ja schon einen Dialog ihrer Werke zu Anfang der Saison hatten, diesmal im Atelier von Brâncuși. Man sieht da auch Fotos einer Installation von Mureșan 2012 im Museum von Klausenburg, wo er bei einigen Skulpturen, u. a. einer von Brâncuși, „die Perspektive verändert” hatte. Wieder sind die Bilder von Mureșan reichlich gefüllt und verinnerlicht, während Savus Bilder das Leben draußen zeigen. Ihre Präsenz im Atelier Brâncuși ist vielleicht ein Hinweis über Rumäniens Präsenz in der französischen Kultur damals und heute.
In Issy bei Paris werden im April drei Gestalten, deren Namen früher in aller Munde waren, mit Vorträgen und Diskussionen geehrt, Mircea Eliade, Emil Cioran und Eugène Ionesco. Letzterer ist mit seinem absurden Theater noch immer auf der Bühne. Cioran , Essayist und Philosoph mit einer manchmal nihilistischen Note war zur Zeit des Kommunismus verfemt, Mircea Eliade, Philosoph und Religionshistoriker, hatte an der Universität Chicago einen eigenen Lehrstuhl.
Ansonsten stand in den vergangenen Wochen vor allem die Literatur im Mittelpunkt. Der Salon Livre Paris, ein Fixpunkt im französischen Kulturkalender, wo auf dem rumänischen Stand vor allem französische Übersetzungen von rumänischen Autoren zu finden sind. Außer über sie sprach man über ein Buch über André Cadere, wie er mit seinem Stab nach Paris gekommen war, und über den Roman der französischen Schriftstellerin Sophie Brocas, die in „Der Kuss” einige Episoden aus dem Leben von Brâncuși wieder aufleben lässt. Es geht um eine von Brâncuși geschaffene Statue, die heute auf dem Friedhof Montparnasse wegen eines Erbstreits mit einer Plane verdeckt ist.
Rumänische Literatur an zahlreichen Orten gab es, sogar ein Abend über Herta Müller, die nunmehr in einigen Übersetzungen vertreten, aber trotz ihres Nobelpreises in Frankreich wenig bekannt ist. Weil sie nicht da war, konnte man nur über die Schwierigkeiten der Autoren reflektieren, die in drei Kulturen, drei Sprachen (schwäbisch, deutsch, rumänisch) zuhause sind. Das Problem der doppelten Kultur fand man oft. Marina Anca, die mit 14 nach Frankreich kam, „man ist Pariserin in Bukarest und Rumänin in Paris”, kann das verkraften. Aber vielen Exilrumänen fehlt es an Orten des Austauschs und Rundfunksendungen, um sich mehr zuhause zu fühlen, wie die Italiener und Spanier das haben, wie eine rumänisch-französische Soziopsychologin einmal ausführte.
Und auch Isidore Isou (1925-2007) mit Hunderten von Schriften, Publikationen, Büchern, ist als einer der Begründer des Lettrismus der Literatur zuzurechnen, obwohl er ein Allroundkünstler war. Einer der letzten Avantgardisten, unterstützt und geschätzt u. a. von Jean Cocteau. Eine der faszinierendsten und an Überraschungen reichsten Persönlichkeiten dieser Saison. Eine Ausstellung im Centre Pompidou zeigt das ungeheure Ausmaß seiner Arbeitswut und seiner Ausdauer. Unaufhörlich persönliche Notizen zu allen Fragen des Lebens und Visionär: Schon 1950 sieht er die späteren Revolten der Jugend von 1968 voraus.
Der Lettrismus beschäftigt ihn gleich kurz nach seiner Ankunft in Paris 1945 aus Enttäuschung an der surrealistischen Poesie. Zuerst nur Silben ohne Sinn, die nur vom Ton her poetisch sind. Danach entstehen teils naive Bilder und Fotos, die mit undeutbaren Symbolen, Ideogrammen, Pictogrammen übersäht sind. Aus einer ursprünglichen Mischung von Texten und Symbolen werden Tafeln mit hyroglyphenartigen Texten, die man dann nur noch als Bilder empfinden kann (Hypergraphie) und die ab 1963 neben Hans Hartung, Georges Mathieu und Soulages in den selben Galerien ausgestellt werden.
Daneben schrieb er aus alimentären Gründen sein Leben lang Krimis und Trivialromane (ohne Scheu unter eigenem Namen), abwechselnd mit Anspruchsvollerem, z. B den an Kafka erinnernden „Erbe des Schlosses” und als er einen französischen Pass hatte, bewarb er sich sogar 1993 um einen Parlamentssitz in Frankreich. Die Ausstellung begleiten zahlreiche Vorträge in der kommenden Zeit, wie z. B. einer über seine Haltung zum Theater, dessen Dekomposition er forderte, wie übrigens für fast alles.
Neben vielen anderen Veranstaltungen in ganz Frankreich, interessant die Ausstellung „Carpathia Sylvae“, wo es darum geht, die alten noch bestehenden Wälder zu schützen, wie in den Karpaten, aber auch ihre Schönheit zu sehen.
Ein anderes wichtiges Ereignis war die eben zuende gegangene Retrospektive des Neuen Rumänischen Films in der Cinémathèque Française, wo einige wichtige Namen dieses neuen Kinos versammelt waren, das seit 2005 auf internationalen Festivals von sich reden macht. Von Cristian Puiu („Moartea Domnului Lăzărescu“) über Corneliu Porumboiu, Cristian Mungiu bis zu Radu Muntean, mit einem oft kompromisslosen Bild der rumänischen Realität. Wie Produzentin Ada Solomon es ausdrückte, die die Laufbahn von Cristian Nemeș und Cătălin Peter Netzer geebnet und alle Filme von Radu Jude („Cea mai fericită fată din lume”) produziert hat, haben die Filme nur eine begrenzte Kinolebensdauer und Retrospektiven bieten die Möglichkeit der Rückkehr zu den Quellen.
Am 18. April wurde die Saison in Rumänien eröffnet. Der Abschluß ist für den 14. Juli, den französischen Nationalfeiertag geplant.
Claus REHNIG