Vierte Auflage des „Jungen Festivals von Hermannstadt“ noch bis Sonntag
Ausgabe Nr. 2601
„Es ist der Wolf! Nicht öffnen!“ So aufmerksam und fasziniert vom Geschehen auf der Bühne, sieht man Kinder nur selten. Beim klassischen „Capra cu trei iezi“ von Ion Creangă, das von der Theatergruppe aus Karlsburg/Alba Iulia im Gong-Theater für Kinder und Jugendliche aufgeführt wurde, war genau das der Fall. Die Kinder erschraken vor dem bösen Wolf, lachten über die Henne, die kein Ei legen konnte und waren traurig, als der Wolf die Geißlein auffraß.
Die Aufführung fand im Rahmen des „Jungen Festivals von Hermannstadt“ (Festivalul Tânăr de la Sibiu) statt, das am Freitag, begonnen hat und bis Sonntag dauert. Täglich werden Theaterstücke, Konzerte und Workshops für Kinder und Jugendliche organisiert, viele davon mit freiem Eintritt.
Begonnen hatte das „Junge Festival“, das zum vierten Mal am Hermannstädter Gong-Theater für Kinder und Jugendliche, unter der Leitung von Theaterdirektor Adrian Tibu, organisiert wird, am 2. November mit sechs Veranstaltungen. Eines der Events zog besondere Aufmerksamkeit auf sich. Unter dem Titel „Ein Sommernachtstraum“ führten Schauspieler des Flute Theatre(Großbritannien) ein Stück nach William Shakespeare für Kinder aus dem Autismus-Spektrum auf. Alle Schauspieler setzten sich zusammen mit den Kindern in einen Kreis und führten zusammen mit ihnen verschiedene Bewegungen durch, und wiederholten immer wieder Gesten, Laute und Sätze, die die Kinder nachahmten. Besonders beeindruckt waren die Eltern und Großeltern der Kinder, die im Publikum saßen und sich über die rege Interaktion zwischen Kindern und Schauspieler freuten. Zum Schluss hatten die Kinder so viel Vertrauen, dass sie mit geschlossenen Augen dem Laut eines Glöckchens, das ein Schauspieler führte, folgten. Es war eine sehr gelungene und mitreißende Veranstaltung und die Kinder waren sichtlich glücklich.
Glücklich waren auch viele junge und junggebliebene Zuschauer, die beim Konzert der aus Deutsch land angereisten Band „Geraldino und die Plomster“, dabei waren. Unter dem Titel „Party in der Kuckucksuhr“ ging es bunt zu, auf der Bühne, wie im Zuschauersaal. Die fünf sehr bunt gekleideten Musiker wussten, wie sie unter den Kindern im Publikum gute Laune verbreiten können. Mit Kinderliedern wie „Der Bumm Bumm Bär“, „Der Kakadu“ oder „Der Dackel meiner Oma“ brachten sie die Kinder zum Lachen und sogar zum Mitsingen und Tanzen, denn alle hatten Ohrwurm-Garantie.
Beim Klassiker „Capra cu trei iezi“ (Die Geiß mit den drei Geißlein) von Ion Creangă, das am Montagmittag aufgeführt wurde, hat man zwar nicht gesungen, aber dafür waren die Kinder mit Herz und Seele mittendrin im Geschehen dabei und freuten sich, als die Geißlein munter und lebendig aus dem Bauch des bösen Wolfes befreit wurden. Die Puppen und Masken, die die Schauspielerinnen und Schauspieler aus Karlsburg führten, waren lustig und kindgerecht gestaltet, z. B. mit großen Glubschaugen und Nasen.
Der Wolf war auch das Thema einer Bastelwerkstatt für Kinder, die das Kinderbuch „Lupul jucător de Poker“ („Der Poker spielende Wolf“) von Irina Dobrescu vorstellen sollte. Die Schüler einer ersten Klasse aus Hermannstadt nahmen am Montag daran teil und durften unter Anleitung von Vlad Pojoga Spielkarten basteln und zum Schluss auch damit spielen.
„Blackout“ der „ABC – Allegra Brigata Cinematica“ aus Italien war Jugendlichen gewidmet und behandelte das Thema der Teenagerliebe im Zeitalter der Selfies, Chats und Live-Videos. Er heißt Pixel und spricht kein Wort, drückt sich durch Selfie aus. Sie heißt Sonar und ist das Mädchen mit tausend Profilfotos, die ihr auf dem Tablet erscheinen, das sie auf dem Kopf trägt. Die beiden verständigen sich durch Emoticons, durch die sie ihre Stimmungs- und Gefühlszustände ausdrücken. Alles geht gut bis ein Stromausfall sie aus ihrer digitalen Welt schleudert. Erst jetzt lernen sich die beiden richtig kennen. Die Vorstellung, die am Montagabend stattfand, war eine Kombination aus Tanz, Videoprojektion und Theater und bot eine andere Perspektive über die Welt der Chats und Messenger.
In „Schlafen Fische?“ (Peștii dorm?) von Jens Raschke und in der Regie von Sânziana Stoican steht ein Mädchen auf der Bühne, das vom Tod ihres kleinen Bruders erzählt. Jette, gespielt von Florentina Năstase, ist zornig und empört und angeekelt. Warum Menschen sterben müssen, hatte sie ihren Vater gefragt. Und: Was passiert nach dem Tod mit dem Körper? Dass unsere sterblichen Überreste in der Erde verbuddelt, und von Würmern gefressen werden, findet die Tochter gruselig. Und als der Vater ihr erklärt, man müsse nun mal Platz machen für neue Menschen, poltert die Tochter: „Die neuen Menschen können mich mal.“ Jette ist gerade zehn Jahre alt geworden, oder zweistellig, wie ihr Papa sagt. Aber statt der kindertypischen Freude über den eigenen Ehrentag sinniert das nun zweistellige Kind über das Alter und erinnert sich an seinen kleinen Bruder. Emil wäre auch so gern irgendwann zweistellig geworden, doch er hat es nicht mal bis zur Sieben geschafft. Emil starb mit sechs Jahren an Krebs. Jette erzählt von ihrem Alltag, der gar nicht mehr so alltäglich ist in klaren und einfachen Wörtern und Sätzen. Und durch diese kindlich naiven Schilderungen erklärt das Stück etwas Entscheidendes: Der Tod gehört zum Leben dazu.
Bis Sonntag stehen noch viele spannende Theaterstücke auf dem Programm des Festivals, das auf www.festivalultanar.ro zu finden ist. Kinder und Jugendliche werden aufgefordert, zahlreich daran teilzunehmen, an dem einzigen Festival, das ihnen gewidmet ist: Das Junge Festival von Hermannstadt.
Cynthia PINTER