Zum elften Mal nach 1990 sorgten die Urzeln in Agnetheln für Aufsehen
Ausgabe Nr. 2564
Wenn auf den Straßen des Harbachstädtschens Agnetheln ohrenbetäubendes Peitschengeknall und Kuhglockengebimmel ertönt, von überall der Duft frisch gebackener leckerer Krapfen einem in die Nase steigt – und die Außentemperaturen gehörig unter null Grad sinken – sind die Urzeln wieder unterwegs. So war es auch am vergangenen Sonntag.
Für Gäste, die sich aus Hermannstadt per Pkw aufgemacht hatten, war die Ankunft in Agnetheln an diesem Sonntag ein echter Lichtblick. Dort nämlich erwartete sie nach einer Fahrt durch dichten Nebel die Sonne. Allerdings eine Sonne mit Zähnen, denn es wurden minus zehn Grad unter Null gemessen.
Für die mit zotteligen Anzügen und mit von Fell umrandeten Masken ausgestatteten Urzeln kein Problem. Sie hatten ja schon mindestens eine Woche davor geübt und waren richtig gut eingestellt auf die Parade, die pünktlich um 10 Uhr vor der Imix-Fabrik in der Hauptstraße ihren Lauf nahm. Nicht bevor die rund 250 Urzeln (Kinder, Frauen und Männer) und die Traditionsfiguren sich zu einem Gruppenbild aufgestellt hatten.
Wer beim Fotografieren oder Filmen der Peitschen schwingenden und knallenden Ordnungsgruppe der Urzeln zu nahe kam, dem pfiff es richtig um die Ohren. „Selber schuld“, schien ein Urzel durch die undurchdringliche Maske zu meinen und ließ unaufhörlich seine Peitsche knallen. Allerdings bot jede Urzel den Zaungästen gerne Krapfen aus den Quetschen an, die aus den zwei Wägelchen nachgefüllt wurden, die den Zug eröffneten.
Auf dem Platz vor dem Hotel blieb der Zug stehen und die Traditionsfiguren boten eine Generalprobe für den großen Auftritt vor dem Rathaus.
Wer schon ein gewiefter Beobachter der Urzelszene ist, konnte erkennen, dass der von zwei Engelchen begleitete Paradehauptmann dabei das Sagen hatte. Hob er seinen Stab, durften die Urzeln lärmen, senkte er ihn, mussten sie in die Hocke gehen und Ruhe bewahren, damit die Traditionsfiguren auch mal zum Zuge kommen konnten.
Vor dem Rathaus ging dann richtig die Post ab, toll organisiert war alles, auch sangen alle kräftig beim „Siebenbürgenlied“ mit, in deutscher Sprache. Als jemand fragte, warum sie das Lied nicht rumänisch singen, sagte eine zottelige Gestalt: „Weil das Tradition ist.“
Aus Deutschland dabei waren auch einige als Urzeln verkleidete Teilnehmer, darunter von der HOG Agnetheln der stellvertretende Vorsitzende Horst Graef. Da fällt mir etwas ein: Im nächsten Jahr sind es 330 Jahre seit der „Mummenschanz der Zünfte“ erstmals urkundlich erwähnt wurde (das war im Jahr 1689), der als Vorgänger des Urzellaufs gilt. Das wäre ein guter Anlass für die seit 1965 in der Urzelnzunft Sachsenheim diesen Brauch pflegenden Siebenbürger Sachsen aus Agnetheln und ihre früheren rumänischen Nachbarn, die 2007 den Verein „Breasla Lolelor“ (Urzelnzunft) Agnetheln gegründet haben und diesen Brauch vor Ort bewahren, wieder einmal gemeinsame Sache zu machen. 2008 hat es ja schon einmal geklappt. Warum nicht auch 2019?
Beatrice UNGAR