Ein Wort zu Pfingsten / Von Renate KLEIN
Ausgabe Nr. 2531
„Sagt, wer kann den Wind sehn?/Niemand kann ihn sehn, /aber wenn wir lauschen, hören wir sein Wehn.“ Das ist die erste Strophe eines schwedischen Pfingstliedes für Kinder (deutscher Text: Hilde Möller; in: Unser Kinderliederbuch, 1990). Hier wird das Paradoxe des Pfingstfestes in wenigen einfachen Worten sehr schön eingefangen.
Der Wind – unsichtbar, ist aber hör- und spürbar.
Der Geist, dessen Ausgießung wir zu Pfingsten feiern, wie ist der? Sehen wir ihn? Hören wir ihn? Spüren wir ihn? Können wir ihm eine Konkretion verleihen, ihn be-greif-bar machen? Oder ist Pfingsten für uns nur ein verlängertes (in diesem Jahr durch den Kindertag im Vorfeld und den Brückentag stark verlängertes) Wochenende?
Die Bibel beginnt mit den Worten: „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Und die Erde war tohu-wa-bohu, und Finsternis lag auf der Urflut; und ruach Gottes flatterte über den Wassermassen“ (1. Mose 1,1-2). Am Anfang also waren ungeordnete Materie (tohu-wa-bohu), Finsternis und ruach Gottes. Ruach bezeichnet im Hebräischen, der Sprache des ersten Teils der Bibel, den Wind, den Atemhauch und auch den (heiligen) Geist. Die Schöpfung beginnt mit der Bewegung, die der Atemhauch Gottes, flatternd über dem Wasser, auslöst. Und was ist was ist durch diesen ersten Atemhauch Gottes aus der ungeordneten Materie nicht alles geworden! Tag und Nacht, Himmel, Erde und Meer, Pflanzen und Tiere, und natürlich auch der Mensch.
Atemhauch – Wind – Bewegung – Geist. Was davon ist Pfingsten?
Pfingsten ist der frische Wind, die Inspiration, Dinge zu wagen, von denen man sonst allenfalls träumt. Als die Jünger zum Pfingstfest in Jerusalem versammelt waren, und plötzlich ein Wind das Haus erfüllte, und Zungen „zerteilt, wie von Feuer“ sich auf sie setzten (Apostelgeschichte 2,2-3), hätten sie auch nicht gedacht, dass sie in ihnen unbekannten Fremdsprachen von den großen Taten Gottes reden würden.
Pfingsten ist der Mut, auf andere zuzugehen, sich zu vernetzen, zueinander zu stehen, eine Gemeinschaft zu bilden. Es sind – so möchte man hoffen – nicht nur die freien Tage oder das meist schöne Wetter Gründe für die Gemeindefeste und Treffen aller Art, die um den Pfingsttermin herum veranstaltet werden. Überall dort, wo etwas zum Wohl der Gemeinschaft angestoßen wird und in Bewegung gerät, so dass andere und wieder andere mitgerissen und motiviert werden, da ist der Atemhauch Gottes als treibende Kraft am Werk.
Pfingsten ist das Fest der Begeisterung, der Freude über die kleinen Schritte, die einen (Aus)Weg erkennen lassen. Und es ist das Fest der Ideen für die nächsten Schritte, die wir gemeinsam mit vielen anderen auf diesem Weg gehen wollen.
Pfingsten ist das Fest, das uns auffordert, mit allen Sinnen den Geist, den Atemhauch Gottes als Lebensatem und treibende Kraft wahrzunehmen.
Renate KLEIN