Emil Bruckner zum 120. Geburtstag
Ausgabe Nr. 2916
Zum 120. Geburtstag des am 23. Juni 1905 in Bistritz geborenen und am 30. September 1983 in Hermannstadt verstorbenen Dichter Emil Bruckner können Sie im Folgenden lesen, was der Schriftsteller und Stolzenburger Pfarrer Walther Gottfried Seidner (1938-2018) in der Nr. 916 vom 5. Juli 1985 der damals Die Woche getitelten HZ geschrieben hat. Der Titel des Beitrags weist wohl auch darauf hin, dass Emil Bruckner 1972 den Wanderklub „Freunde der Berge” (Amicii munților) gegründet hat:
Emil Bruckner hat seinen achtzigsten Geburtstag (23. Juni) oft erwähnt; so als läge er weit zurück – in seiner Kindheit. er wusste, welche von seinen Freunden und Gegnern zu ihm kommen und welche ihm bloß schreiben würden. Und er hatte die Antworten schon bereit. Doch dann kam jener siebenbürgische Herbst des Jahres 1983 und holte ihn wie ein „blauer Abend” aus der „Landschaft der Herzen” ab. Ihn, den Sommerlichen, den Unsteten, den Wanderer schlechthin, der die Poesie begangen haben wollte wie einen Bergpfad.
An seinem achtzigsten Geburtstag nehmen wir das Erbe für ihn selbst. Es will gehoben werden wie eine versunkene Glocke.
Dabei haben wir uns, solang‘ er unter uns weilte, oft aufgehalten über dem vielen Begonnenen, dem Unerreichten. Erst jetzt merken wir, wie er aus der Spannung zwischen den beiden jene Kleinode an Spruchdichtungen geschaffen hat – Gefühlspyramiden, wie er sie nannte, durch die er der einheimischen Dichtung einen eigenen, unverwechselbaren Farbklang zugetragen hat.
Frühreif – und nie ganz ausgereift – fing er als Klaus Wegmann in der Zeitschrift „Der Weg” an, die der kaum Zwanzigjährige herausgab, sich und die Welt im Wort ernst zu nehmen. „Das Wort ist das Ungeheuer/das meine Hölle heizt”, sollte er später sagen. Aus dem ungleichen Kampf mit dem Wort sei er oft lendenlahm hervorgegangen. Er selbst war eine „lodernde Stimme”, ein Weckruf zur Pflicht. Er sagte einmal: „Wer d a s Wort zu sagen vermag, verändert die Welt.”

Emil Bruckner: Zahl oder Wappen. Gedichte 1925-1971, Kriterion Verlag, Bukarest 1972, 54 Seiten.
Als dem Vierundzwanzigjährigen der Vater starb, der Leitstern seines Lebens, der Freund schlechthin, wie er sagte, wurde in ihm so etwas wie der Wille zum Vater geweckt. Er wurde zum Vater von Veranstaltungen, Begegnungen, Einrichtungen, der Vater von jungen Dichtern und Bergsteigern. Es war nicht leicht, seinen Rat gelten zu lassen. Die Heftigkeiten, mit denen er seine Haltung und mit ihr seine hauchzarte Seele verteidigte, konnten aufs erste ätzen. Doch waren sie weiter nichts als Ausrufezeichen des Gemüts. Und auf lange Sicht hatte er immer recht behalten. Er hat es fertiggebracht, keine Feinde zu haben. Er hatte bloß Gegner. Und auch diese wusste er zu versöhnen durch sein Lachen, durch das er, frei von Gift und Überheblichkeit, wieder in das Kind von einst rückverwandelt wurde.
Es gilt nun, seinen „Markierungen” zu folgen, oder besser, seine Kostbarkeiten zu heben. In den Sprachversen sah er die kleineren Kinder, die er umso lieber hatte. Markierungen sollen ja auch keine Monumente sein. An ihnen wird vorbeigegangen – auf die Herberge zu. Denn: „Was wir nicht leben, können wir nicht deuten.” Leben heißt: Wandern, Wege suchen. Und der Dichter ist ein Wegmann.
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1972 ist Emil Bruckners erster und letzter Gedichtband unter dem Titel „Zahl oder Wappen” erschienen. Darin befinden sich auch folgende drei Texte:
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Was könnt ich
anders bleiben,
als ich bin:
Umbraust
vom Lärm,
aufatmend
in der Stille?
Begegnung
such ich trotzdem
mit geweiteter Pupille.
(1969)
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Einmalige Gelegenheiten
zu einem guten Wort;
der Nächste nimmt sie fort
und drängt
mit andern Dingen.
Die Amsel kann es mir
nicht wiederbringen
noch deuten.
(1971)
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Heimgekommen
zu mir selber,
endet das Suchen
in den Heimlichkeiten
des Fremden.
(1970)