Erinnerung an Joseph Schmidt in der Rumänischen Botschaft in Wien
Ausgabe Nr. 2915

Joseph Schmidt (1904-1942).
Foto: josephschmidt-archiv.ch
Es war ein stiller Abend, ein ehrfürchtiger. Und doch voller Klang, Farbe und bewegender Worte. Am 2. Juni 2025 lud die Botschaft von Rumänien in der Republik Österreich gemeinsam mit dem Rumänischen Kulturinstitut Wien zu einer Gedenkveranstaltung für den jüdisch-österreichisch-rumänischen Tenor Joseph Schmidt (1904–1942) ein – eine Einladung, die nicht nur einen Künstler ehrte, sondern auch das Menschsein selbst.
In den Räumlichkeiten der Rumänischen Botschaft, einem würdevollen Ort voller Geschichte, versammelten sich Musikliebhaber, Historiker, Diplomaten und Kulturinteressierte. Sie alle kamen, um dem Mann zu gedenken, dessen Stimme einst die Welt verzauberte – und dessen Schicksal tief erschüttert.
Andrea Amza-Andras, Geschäftsträgerin a. i. der Botschaft, eröffnete den Abend mit bewegenden Worten. Ihre Rede war nicht nur Gruß, sondern ein Appell an das kollektive Gedächtnis Europas – an die Verantwortung, das kulturelle Erbe zu bewahren und das Leid der Vergangenheit nicht zu vergessen.
Durch den Abend führte Dr. Michael Macek, der mit großer Sensibilität und umfassender Kenntnis die Lebensgeschichte Joseph Schmidts präsentierte. Er zeichnete ein Bild des jungen Mannes aus der Bukowina, der in Czernowitz zwischen Kulturen und Sprachen aufwuchs, als „singender Joschi“ bekannt war, und dessen Stimme später Millionen begeisterte. Doch auch der Bruch in dieser Biografie, das Abdriften vom Ruhm in die Flucht, ins Vergessen und letztlich in den frühen Tod in einem Schweizer Flüchtlingslager, wurde eindrucksvoll erzählt – ohne Pathos, aber mit einer leisen Dringlichkeit.

Dr. Michael Macek (stehend) führte durch den dem Gedenken an den Tenor Joseph Schmidt gewidmeten Abend. Foto: Heinz WEISS
Parallel dazu war ein wesentlicher Teil des Abends der Musik gewidmet – und damit der Essenz von Joseph Schmidts Lebenswerk. Der junge rumänische Tenor Valentin Trandafir trug maßgeblich zur Atmosphäre des Abends bei: Mit einer Auswahl vertrauter Melodien, die einst durch Schmidts Stimme berühmt wurden, verlieh er dem Gedenken emotionale Tiefe. Immer wieder, zwischen den erzählenden Abschnitten, setzte er musikalische Glanzpunkte – mal zart und innig, mal leidenschaftlich und leuchtend –, die die Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart schlugen. Begleitet wurde er dabei von Jean Beers am Klavier, deren sensibles Spiel den Gesang fein und einfühlsam umrahmte.
Die Musik – so wurde an diesem Abend spürbar – ist das, was bleibt. Und in ihr lebt Joseph Schmidt weiter: als unsichtbare Kraft, als Erinnerung, als Warnung. Seine Stimme, einst aus den Radios Europas nicht wegzudenken, klingt weiter in Herzen und Köpfen – als Stimme des Überlebenswillens, des künstlerischen Ausdrucks und der Würde in unmenschlicher Zeit.
Trotz seines überragenden Talents blieben Schmidt bedeutende Rollen auf den Opernbühnen wegen seiner geringen Körpergröße – er war nur 1,54 m groß – bis zum Ende seiner Karriere meistens verwehrt. Dass er durch den aufkommenden Nationalsozialismus aus Deutschland und später aus fast ganz Europa verdrängt wurde, dass ihm am Ende sogar in der neutralen Schweiz Mitgefühl und medizinische Hilfe verwehrt blieben – all das schmerzt heute noch. Sein früher Tod mit nur 38 Jahren ist eine bleibende Anklage gegen Ignoranz und Bürokratie, gegen Gleichgültigkeit im Angesicht menschlicher Not.
Die Veranstaltung war mehr als ein Konzert oder Vortrag – sie war ein stilles Denkmal. Ein kollektives Innehalten. Sie ließ uns hören, erinnern, empfinden. Der Abend ließ keinen Zweifel: Kunst braucht Freiheit – und Schutz. Joseph Schmidt verlor beides. Sein Tod in der Internierung war kein „Unfall“ der Geschichte, sondern das Ende eines künstlerischen Lebens, das man nicht hören wollte, weil es jüdisch war.
Joseph Schmidts Grab auf dem Jüdischen Friedhof in Zürich trägt die Inschrift: „Ein Stern fällt…“ Doch an diesem Abend in Wien leuchtete dieser Stern wieder auf – nicht nur über der Bühne, sondern in jedem aufmerksamen Blick, in jedem Moment des stillen Zuhörens.
„Flieht auch die Zeit, das Lied bleibt in Ewigkeit.“ – Joseph Schmidt. Und, sein Lied geht weiter um die Welt!
Ingrid WEISS