Introspektiv und philosophisch

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Ausgabe Nr. 2913

Japanischer ,,Iona“ feierte Premiere in Hermannstadt

Der japanische Schauspieler Kuranosuke Sasaki.
Foto: Alexandru CONDURACHE

 

Der berühmte rumänische Regisseur Silviu Purcărete ist für seine opulenten Inszenierungen bekannt. Die Üppigkeit, der Reichtum an Eindrücken sind in seinen Theaterstücken geradezu betäubend. Bei der neuesten Premiere am „Radu Stanca“-Nationaltheater Hermannstadt erwarteten die meisten Zuschauer laute Explosionen wie in „Faust“, provokante Kostüme wie in „Lulu“ oder mindestens einen seichten Pool wie in den „Metamorphosen“. Für die One-Man-Show „Iona“ von Marin Sorescu richtete sich aber alle Konzentration auf den japanischen Schauspieler auf der Bühne: Kuranosuke Sasaki.

Die lang erwartete Vorpremiere des Vierakters fand am Mittwoch, dem 21. Mai, auf der Bühne im „Radu Stanca“-Nationaltheater in japanischer Sprache statt. „Iona“ ist die vierte Zusammenarbeit mit dem Tokyo Metropolitan Theatre, und zum ersten Mal wurde ein rumänischer Text, der in Japan unbekannt ist, auf japanisch gespielt. „Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, was dieser Text für das japanische Publikum bedeutet. Es ist ein Enigma“, sagte Silviu Purcarete bei der Pressekonferenz, die der Premiere voranging.

Das erste Bild, das die Zuschauer von „Iona“ zu sehen bekamen, war jenes des japanischen Hauptdarstellers, der im Schneidersitz vor einer weißen Papierleinwand saß und mit leerem Blick in die Ferne starrte. Dann sprach Jona von seinem Traum, den großen Fisch zu fangen. Die anfängliche Darstellung dieser Figur ist die eines glücklosen Fischers, denn es gelingt ihm nicht, den großen Fisch zu fangen, aber er gibt sich einer Täuschung hin, indem er nach bereits gefangenen Fischen in einem Aquarium fischt, das er immer bei sich trägt. Dann bemerkt Jona, dass er sich im Bauch eines Fisches befindet und durchtrennt die weiße Papierwand – symbolisch für den Fischbauch – mit einem Messer.

Nun befindet er sich in einem anderen Fischbauch, wo er zwei Fischer (seine Zwillinge) trifft, die ihn total ignorieren. Die Passivität dieser beiden Fischer symbolisiert die Resignation des Menschen angesichts eines trostlosen Schicksals, und die Unfähigkeit, einen Brief an seine Mutter zu schreiben, sowie die an sie gerichtete Bitte, die im Stück lautet: „Bring mich wieder zur Welt“, verstärken die Einsamkeit Jonas.

Im letzten Akt ist Jona ein alter Mann in einer traditionell rumänischen Stube, der aufgibt weiter zu kämpfen, sich aus anderen Fischbäuchen zu befreien. Anders als in Sorescus Stück begeht der japanische Jona keinen Selbstmord, sondern kleidet sich elegant wie für ein Fest. Seine letzten Worte sind ganz im Kontrast zum dramatischen Stück, das nichts als Einsamkeit und Traurigkeit projiziert, unglaublich optimistisch.: „Wir werden es schon irgendwie schaffen!“

Das Stück ist eine dramatische philosophische Meditation über den Mensch und sein Leben. Das Thema des Stücks ist die Einsamkeit des Seins, die Suche nach Freiheit und die Suche nach einer verlorenen Identität. Introspektiv und philosophisch und durch die phantastische Schauspielkunst von Kuranosuke Sasaki ein empfehlenswertes Stück.

„Es handelt sich um einen Text, in dem das Hauptthema die Erfahrung des Menschen in der Finsternis ist. Was kann der Mensch von der Finsternis lernen, was ist die philosophische Beziehung des Menschen zur Finsternis. Es gibt eine bestimmte Sprachmusik, eine bestimmte Energie, die ein japanischer Schauspieler ausstrahlt, die wir überhaupt nicht gewohnt sind. Auf der anderen Seite werden wir sehen, was in Japan mit einem Stück passiert, das mit einem sehr oltenischen Flair geschrieben wurde. Es war von Anfang an eine Herausforderung und wir werden sehen, was passiert.“, sagte Silviu Purcărete über sein neuestes Stück, das als nächstes auf eine Mini-Tournee durch Rumänien gehen wird (am 27. Mai in Klausenburg, am 30. Und 31. Mai in Bukarest) und dann in Chișinău (Moldau), Sofia (Bulgarien) und Budapest (Ungarn) und schließlich beim Hermannstädter Internationalen Theaterfestival (am 26. Juni) gezeigt wird, um dann später im Jahr die Premiere in Tokio zu feiern.

Die Originalmusik der Vorstellung stammt von Vasile Șirli, der verriet, dass die Idee im Dezember letzten Jahres entstand. Das Bühnenbild und die Kostüme wurden von dem Bühnen- und Kostümbildner Dragoș Buhagiar entworfen, der immer wieder mit großen rumänischen Regisseuren zusammenarbeitet und in Hermannstadt wohnhaft ist.

Cynthia PINTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.