Eigentlich keine Zeit für Schlechtleistung

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Streiflichter vom ersten DWS-Mitgliedertreffen in diesem Jahr

Ausgabe Nr. 2900

Beim Rundtischgespräch (v. l. n. r.): Mathias Wichtler, Jens Schlösser und Cristian Pîrvu.                                                                             Fotos: der Verfasser

Das erste Mitgliedertreffen des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) in diesem Jahr war sehr gut besucht. Los ging es mit einer Diskussionsrunde zur Frage wie der Einkauf bei einem Konzern funtioniert. Besprochen wurde u. a. in welchen Bereichen mit Lieferanten vor Ort zusammengearbeitet werden kann, wobei man vor allem in nicht-produktionsgebundenen Bereichen Möglichkeiten sieht. Weiterhin stellte Torsten Martini, ein gebürtiger Heltauer und Rückkehrer die Firma Schultz Elektrotechnik SRL im Beisein von Werksleiterin Dana Albu vor. Zum Schluss stellten Cristina Costea und Ana Popa vom Verein Diakoniewerk International, der den Sitz im selben Hof in der Fleischergasse/Mitropoliei in Hermannstadt hat, wie auch der DWS, ihre Arbeit und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit vor.

DWS-Geschäftsführer Wolfgang Köber begrüßte Werner Braun, den Vorsitzenden des Deutschen Wirtschaftsclubs in Kronstadt und Geschäftsführer von Caditec Automation, der als Gast dabei war. Man habe vor, das Thema duale Ausbildung wieder vorwärts zu bringen. Wichtig sei, das Thema gemeinsam anzugehen. Zwei Themen, die sich Wolfgang Köber als Hauptziele „auf die Fahne geschrieben“ hatte, waren die Umspannstation im Industriegebiet West, die inzwischen im Bau ist, und das Problem des Transports von Mitarbeitern aus der Region nach Hermannstadt, wo man nach Lösungen suche.

Weiter ging es mit dem Rundtischgespräch, an dem Mathias Wichtler von Continental, Jens Schlösser von StarTransmission und StarAssembly, Cristian Pîrvu von Kromberg & Schubert, Marius Mitea von Marquardt und Bernhard Gehlert von Bosch teilnahmen. Was den Einkauf anbelangt, teile man laut Wichtler diesen in der Firma in drei Bereiche ein: Rohmaterial, Nicht-Produktionsmaterial und Maschinenbau. Was Rohmaterial betrifft, sei es schwierig, lokale Lieferanten miteinzubeziehen, weil man nur mit globalen Dienstleistern zusammenarbeite. Offen dagegen sei man, wenn es um Nicht-Produktionsmaterialien geht. Also wenn es um Bleistifte geht, um Tische, die Kantine, den Reparaturdienst am Gebäude, die Klimatechnik, also um viele Themen, da sind die Anforderungen ganz andere, meinte Wichtler im Hinblick auf den nicht-produktionsbezogenen Bereich. Was den Maschinenbau angeht, habe man Kontakte geknüpft, man tue sich allerdings schwer, vor allem, wo es bestimmte Anforderungen gebe. Maschinenbau ist ein Thema, das uns sehr interessiert”, meinte Wichtler. Also wenn wir Lieferanten finden würden, die im Bereich Maschinenbau lokal arbeiten könnten, dann wären wir sofort interessiert”. Die bisherigen Erfahrungen seien aber nicht vielversprechend gewesen.


Cristina Costea, Geschäftsführerin des Vereins Diakoniewerk International (links stehend) und Ana Maria Popa, Leiterin der Werkstatt des Vereins (rechts stehend).

Von der produktbezogenen und nichtproduktbezogener Beschaffung sprach auch Jens Schlösser. Im nicht-produktiven Bereich hat unsere Firmengruppe eine rumänische Lieferantenquote von über 50 Prozent und unser Einkaufsvolumen ist ein dreistelliger Millionenbetrag, das heißt jährlich weit über 100 Millionen Euro”. Es gehe insgesamt um über 600 Lieferanten und davon gebe es dementsprechend über 300 rumänische Lieferanten im nicht produktiven Bereich. Im produktiven Bereich verfüge man über 182 vorwiegend europäische Lieferanten, von denen drei rumänische seien. Der Prozess von der Entwicklung dauere von zwei bis zu vier Jahren und werde in der Regel bereits über die Entwicklung geregelt. Im Automotive hat man in der Regel keine Zeit für Schlechtleistung, Lieferantenschlechtleistung, meinte Schlösser im Hinblick auf den produktionsbezogenen Bereich. Falls es zu Produktionsstillständen kommt und die Produktionsverschiebungen bis an die Automobilmontagewerke weitergegeben werden, könnte es zu Millionenschaden kommen.

Man müsse sich aber richtig einschätzen von der Größe her. Wenn man ein Unternehmen mit bis zu 10 oder 50 Beschäftigten hat, dann ist man wahrscheinlich nicht der richtige Partner, um direkter Lieferant für die großen Konzerne zu werden”, bemerkte Schlösser. Was unterschätzt werde, seien aber die Sublieferanten. Beispielsweise gebe es bei Bauprojekten die Möglichkeit, dass kleinere Lieferanten dann mit größeren Lieferanten zusammenarbeiten.

Ich kann nicht davon berichten, dass das lokale Sourcing in Rumänien schlecht läuft”, schlussfolgerte Schlösser im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen. Man habe eine höhere lokale Lieferantenquote als in Polen.

Ich bin ja Lieferant und ich weiß, eines der Hauptthemen ist die Nichterfüllung der Qualität”, meinte Braun. Die Niederlassung von Continental in Temeswar habe ein ganzes Jahr rumänische Lieferanten gesperrt, weil die Qualität nicht in Ordnung gewesen sei. Teilweise sollen sich Lieferanten überschätzen. Weiterhin müsse man einen bestimmten Zeitrahmen einhalten. Und dann gehe es um bedeutende Summen, was nicht jeder Lieferant tragen könne. Weiterhin helfe den rumänischen Lieferanten auch das Bankensystem nicht, vor allem im Hinblick auf die Bankenbürgschaft. Ein anderes großes Problem in Rumänien sei, dass es noch immer keine Produkthaftpflichtversicherung gebe.

Marius Mitea konnte von guten Erfahrungen mit lokalen Lieferanten erzählen wie z. B. mit Flaro. „Also die rumänischen Lieferanten können es machen, nur leider sind sie aktuell nicht qualifiziert, um solche Projekte zu übernehmen”, meinte Mitea. Viele lokale oder rumänische Lieferanten könnten sich diese Investition nicht leisten oder wollen das Risiko nicht eingehen. Das Return of Investment in der Automobilindustrie käme nur nach drei bis fünf Jahren. Wir bei Marquardt sind bereit, mit solchen Lieferanten eine Zusammenarbeit zu starten und zu versuchen, etwas Lokales zu entwickeln. Nur leider sind nur wenige auf dem Markt, die sich das wünschen und das wollen.” Wichtig sei, dass lokale Firmen erst klein anfangen und erst später große Aufträge übernehmen.

Was das Material betrifft, das direkt in die Produkte eingehe, bemerke man im Automotivebereich momentan eine Konsolidierung. Ja, das bedeutet auch Konsolidierung bei den Suppliern”, meinte Bernhard Gehlert. Die kleineren werden eher den Nachteil haben und die größeren, die müssen schauen, dass sie auch mit dem rückläufigen Volumen trotzdem zurechtkommen.” Es gebe aber auch Unterschiede zwischen Stadt und Land. In Blaj/Blasendorf, haben wir einen Mangel an Services, das heißt, wir machen viele Sachen im Haus, die wir auch gerne fremd vergeben würden”, sagte Gehlert. Es ginge vor allem um Leistungen von Handwerkbetrieben, Elektrikern, an denen es zumindest derzeit im ländlichen Raum fehle. Auch an Logistikdienstleistern fehle es, die interne Logistikangelegenheiten wie Lagerverwaltung übernehmen würden. Das haben wir mehrmals getestet im Markt”, sagte Gehlert. Keine Chance”. Was Dienstleistungen betrifft, gebe es es immer Möglichkeiten, wobei auch die Eintrittsbarrieren gering seien.

Wir geben 100.000 Leuchtstunden Garantie”, sagte Torsten Martin, der die Firma Schultz Elektrotechnik SRL vorstellte, eine neue DWS-Mitgliedsfirma. Es ging um Strahler, die so stark leuchten, dass man nachts im Umkreis von bis zu 15.000 Quadratmetern die Zeitung lesen kann. Die Firma mit Sitz in Talmesch wurde 2006 gegründet. Über viele Jahre war der Schwerpunkt die Montage von Baugruppen und Produkten für das Mutterunternehmen SETOLITE Lichttechnik GmbH in Deutschland. Später kamen Kabelkonfektion, Schaltschrank- und Verteilerbau sowie zuletzt die komplette Produktion von Stativsystemen hinzu. Die SETOLITE ist ein Hersteller von hochwertigen Beleuchtungslösungen und seit 2019 Lieferant von LED-Scheinwerfern für Turmdrehkräne. Seit mehr als 20 Jahren stattet sie Streitkräfte mit Beleuchtungslösungen für optimale Leistung im Feldeinsatz aus. Zu den Kunden gehören übrigens auch die Bundeswehr und die NATO. Um den Vertrieb der Produkte in Osteuropa kümmere sich nun die Firma Schultz Elektrotechnik. Die Zielgruppen der Produkte sind in allen Bereichen zu finden, außer dem häuslichen Verwendungsbereich: Militär, Gleisbau und Logistik, Handwerk und Baugewerbe, Industrie, Geschäfts- und Bürobeleuchtung, öffentliche Versorger und Kommunen, ATEX-zertifizierte sichere Beleuchtung.

Warum Martini vor 10 Jahren nach Siebenbürgen zurückgekehrt ist? Ich bin sehr gebunden an das Land. Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen”, meinte Martini. Es war eigentlich innere Bindung”. Seine Geschwister sind zwar alle in Deutschland geblieben, seine Eltern allerdings sind einige der wenigen Siebenbürger Sachsen, die da geblieben sind. Seine Frau, eine Deutsche, hat sich hier gut eingelebt und sogar die rumänische Sprache erlernt. Wir fühlen uns sehr wohl hier”, sagte Martini. Es ist meine Heimat.”

Zum Schluß stellten Ana Maria Popa und Cristina Costea den Verein Diakoniewerk International vor, der im selben Hof wie der DWS in der Fleischergasse in Hermannstadt seinen Sitz hat, und hier eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen betreibt. Im Anschluss gab es die Möglichkeit, die Räumlichkeiten zu besichtigen. Das Diakoniewerk International ist in Rumänien seit über 18 Jahren tätig, auch in Mühlbach, wo es ebenfalls eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen betreibt. Betrieben wird eine Kindertagesstätte für Kinder, die aus weniger guten finanziellen Verhältnissen stammen, meistens Roma-Kinder. Geleistet werden auch mobile Dienste, wobei Menschen mit Beeinträchtigungen und Senioren betreut werden. In Elisabethstadt wird ebenfalls eine Kindertagesstätte betrieben. Insgesamt werden über 100 Personen von 30 Angestellten betreut. Seit zwei Jahren gibt es auch betreutes Wohnen. Was in den Werkstätten hier gemacht wird? Kerzen, Märzchen und verschiedene andere Dinge. Die gestalteten Produkte werden auf Oster- und Weihnachtsmärkten und in der Werkstatt direkt verkauft. In Hermannstadt inzwischen auch im Erasmus-Büchercafé.

Weiterhin werden auch Teile hier sortiert für eine Firma. Seit 2019 hat man einen festen Auftrag. Organisiert werden für die Betreuten Feste wie Fasching, eingeführt wurden sie auch in die Fotografie, wobei man verschiedene Ausstellungen hatte, u. a. im Bürgermeisteramt, dann wurde auch mit Ton gearbeitet, Sport getrieben, Theater gespielt und mit Kunsttanz vertraut gemacht. Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit gibt es durch das Anbieten von inklusiven Arbeitsplätzen, die Vergabe von Aufträgen für einfache Montagearbeiten, den Kauf von handgefertigten Produkten oder Sponsoring. Als ein positives Beispiel wurde ein befreundeter Verein in Großwardein genannt, von dessen Betreuten über 150 Personen angestellt seien.

Werner FINK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Wirtschaft.