Ein guter Überblick

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Sehr empfehlenswert: Der Reiseführer ,,Moldova“ / Von Ljuba GÜNTHER

Ausgabe Nr. 2889

Frieder Monzer/Timo Ulrichs: Moldova. Mit Chișinău, ganz Bessarabien und Transdnestrien, Trescher Verlag, 3., aktualisierte Auflage 2020, 336 Seiten, ISBN 978-3-89794-455-8. 18,95 Euro.

Die Republik Moldova war lange Zeit ein wenig beachtetes Land in Europa. Doch der Krieg in der Ukraine hat das Land ins Rampenlicht gerückt. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wächst in Moldau die Sorge, dass das Land das nächste Ziel Russlands sein könnte. Die Nähe zu den Konflikten und die historische Präsenz russischer Truppen in der abtrünnigen Region Transdnestrien verstärken diese Befürchtungen. Trotz dieser Herausforderungen hat Moldau bemerkenswerte Fortschritte gemacht: Im Juni 2022 wurde das Land offiziell als EU-Beitrittskandidat anerkannt. Laut einem Bericht der Deutschen Welle vom Juli 2023 kamen 2022 mehr als 600.000 ukrainische Flüchtlinge nach Moldau. Die Inflation sei auf über 30 Prozent gestiegen – große Herausforderungen für das ärmste Land Europas mit nur 2,6 Millionen Einwohnern. Dennoch bleibt die Hoffnung auf eine stärkere Integration in die europäische Gemeinschaft. Publikationen über Moldau sind rar. Der Reiseführer „Moldova“ bietet einen guten Überblick über die Geschichte, Geographie, Kultur, Wirtschaft und Politik des Landes. Ljuba Günther gibt im Folgenden die wichtigsten Punkte des Buches aus ihrer Sicht wieder.

Im Mittelpunkt steht die Umweltsituation des Landes. Einst war fast die gesamte Moldau von Laubwäldern bedeckt. Im Norden und in der Mitte gibt es heute noch lichte Eichen-, Buchen- und Hainbuchenwälder, die codrii genannt werden, was einfach „Wälder“ bedeutet. Nadelbäume sind selten. Wiesen und Feldränder verwandeln sich im Frühjahr in bunte Blumenteppiche, besonders auf den kalkhaltigen Böden. Überall wachsen Heilkräuter wie Odermennig, Schafgarbe, Steinklee, Wegwarte und Wermut, auch Lavendel wird angebaut. Das warme und trockene Klima im Süden ist ideal für den Wein- und Obstanbau. Eine Besonderheit der Kulturlandschaft sind die Walnussalleen, die sich über das gesamte Gebiet erstrecken (S. 23).

Walnussalleen sind typisch für die Republik Moldova, die Walnussbäume stehen sowohl an schmalen Dorfstraßen als auch an vierspurigen Schnellstraßen. In einigen Geodatenprojekten sind die Walnussalleen bereits sichtbar. Besonders markante Einzelbäume sind jedoch weniger zu sehen. So kommt es kaum vor, dass sich die Baumkronen berühren und grüne Tunnel bilden. Die Walnussbäume prägen das Straßenbild (S. 27).

Die Bäume entlang der Hauptstraßen haben ein relativ einheitliches Alter. Von 1968 bis 1979 wurde eine Pflanzaktion von oberster Stelle organisiert. Als Initiator gilt Ivan Bodjul (1917-2013), damals Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Moldauischen Sowjetrepublik (MolSSR) und damit mächtigster Mann der Sowjetrepublik. Bodjul, der oft als Günstling Leonid Breschnews und unbelehrbarer Ideologe bezeichnet wird, widmete als gelernter Agrartechniker der Landwirtschaft besondere Aufmerksamkeit (S. 27). Zwei Millionen Walnussbäume wurden gepflanzt, neben dem Schutz vor Wind und Schneeverwehungen wurde in offiziellen Begründungen auch die Verschönerung der Heimat angeführt. Unter Bodjuls Einfluss entstanden in Moldau die größten Obstplantagen Europas, die größten Konservenfabriken Europas, große Viehzuchtbetriebe und große Tabakplantagen. Mit den identitätsstiftenden Alleen aber hat er sich ein Denkmal gesetzt, das in alle Landesteile ausstrahlt und die Lebensqualität für viele Generationen erhöht (S. 27).

Viele landwirtschaftliche Erzeugnisse in Moldau entsprechen biologischer Qualität, ohne offiziell als Bio-Produkte zertifiziert zu sein. Die Erzeuger agieren häufig nicht aus ökologischer Überzeugung, sondern schlichtweg, weil ihnen das Geld für chemische Mittel fehlt. Folgerichtig verfügen sie auch nicht über die Mittel, um Bio-Zertifizierungen durchführen zu lassen (S. 28).

Flora und Fauna sind in Moldau nicht besonders zahlreich und vielfältig. Zu den optisch auffälligsten Vögeln gehören verschiedene Adlerarten, Schmutzgeier und Steppenweihen. Auch Weißstörche und Rebhühner sind häufig anzutreffen. An der südlichen Landesgrenze haben einige wenige Exemplare der Großtrappe und der Zwergtrappe überlebt. In den Mündungsgebieten von Pruth/Prut und Dnister/Nistru kommen Braun-, Löffel- und Silberreiher vor (S. 25).

Im Jahr 2013 wurde ohne große Öffentlichkeitsarbeit der erste Nationalpark des Landes nach IUCN-Klassifizierung (International Union for Conservation of Nature) gegründet, der sich von den Mäandern des Flusses Răut bis zum Wald von Țigănești erstreckt. Einen hohen Wert für die biologische Vielfalt und die Erholung haben einige Parks des ehemaligen Landadels, die trotz der Enteignungen in der Sowjetzeit oft ohne größere Eingriffe in die Vegetation überlebt haben.

Obwohl die Gewässer eine wichtige Rolle für die Artenvielfalt spielen, ist die Wasserqualität nicht zufriedenstellend. Die meisten Einheimischen stört das wenig, sie baden trotzdem in Pruth und Dnister. Dabei hat der Pruth die bessere Qualität, eignet sich aber als EU-Außengrenze nicht für größere Badeparadiese.

Moldau ist wahrlich kein Badeparadies, viele Seen, die zu Beginn der Sowjetzeit zu Erholungszwecken angelegt wurden, bleiben sich selbst überlassen. Das Umweltministerium kümmert sich mehr um Hochwasserschutz und Bewässerung als um Natur und Sauberkeit. Auf ehemaligen sowjetischen Industrie- und Militär-
standorten sind die Böden oft verseucht, Chemikalien aller Art ließ man achtlos versickern (S. 26).

Jedoch entstehen auch positive Projekte, wie zum Beispiel das Ökoprojekt oder Ökodorf Rîșcova. Die junge Moldauerin Valeria Svart-Gröger hat als Naturwissenschaftlerin die Idee eines „Moldotopia“ entwickelt. So entsteht in Rîșcova   –   40 km von Chişinău entfernt, rechts der Straße nach Orhei – ein Ökodorf als Demonstrationsobjekt (S. 159). Es begann mit einigen Familien, die in ökologisch gebauten Häusern einen einfachen Lebensstil pflegten. Der nächste Schritt war die Gründung eines Öko-Clubs in der örtlichen Schule, Jugendliche engagierten sich für eine tiefere Verbindung mit der Natur und der Gesellschaft. Sie pflanzen Bäume, säubern Wälder, legen Parks an. Schritt für Schritt entsteht ein Umweltbildungszentrum mit großer Ausstrahlung. Ziel ist es, allen Interessierten einen Ort des praktischen Lernens und des Austausches zum Thema Umweltschutz zu bieten. Das Projekt wirkt sich durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten auf die Dorfgemeinschaft aus. Das Umweltbildungszentrum soll sich nach und nach selbst tragen und die Gründung neuer Unternehmen anregen. Für die Zukunft sind zum Beispiel eine Dorfbäckerei, eine gemeinschaftliche Saftpresse und mehrere Obsttrockner geplant. Valeria Svart-Gröger wünscht sich, dass Moldau, obwohl es als armes Land gilt, das nachhaltigste Land Europas genannt wird, wenn ihre Enkel so alt sind, wie sie heute ist (S. 160).

Insgesamt ist das Buch ein sehr gutes Werk, um sich über die Republik Moldau, den Nachbarn der von Krieg erschütterten Ukraine, zu informieren.

Ein Nachtrag: Kürzlich wurde der proeuropäische Kurs der Republik Moldova bestätigt: Laut einer Meldung der Deutschen Welle hat die amtierende Staatspräsidentin Maia Sandu die Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau klar gewonnen, mit rund 55 Prozent der Stimmen. Ihr Herausforderer Alexandr Stoianoglo, ein ehemaliger Generalstaatsanwalt, der wegen Korruptionsvorwürfen abgesetzt wurde und von prorussischen Parteien unterstützt wird, erhielt nur rund 45 Prozent. Ihre Wahl ist ein starkes Signal für die EU-Orientierung des Landes, wobei der Wahlkampf von hybriden Bedrohungen geprägt war. In einer emotionalen Rede dankte sie insbesondere der Diaspora, die mit Rekordbeteiligung abgestimmt hatte, und betonte die Notwendigkeit schneller rechtsstaatlicher Reformen zur Stärkung der Demokratie.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.