Hilfswerk für verarmte Bauern

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Aus der Geschichte der Raiffeisen-Vereine in Siebenbürgen

Ausgabe Nr. 2882

Straßenfront der Firma W. Krafft mit Verlag und Buchhandlung in Hermannstadt, Reispergasse 10. Ansichtskarte um 1910, Sammlung Ioan Dejugan.

Der Sprachwissenschaftler Fritz Keintzel-Schön dürfte kaum bekannt sein. Er wurde am 31. August 1904 in Klausenburg geboren, wo er auch aufwuchs und danach sein Hochschulstudium aufnahm. Er studierte ferner auch in Wien, Marburg, Königsberg und Dijon. Heimgekehrt war er zunächst Lehrer in Klausenburg, dann in Straßburg am Mieresch sowie danach Pfarrer in der etwa 14 Kilometer nördlich von Fogarasch gelegenen Gemeinde Felmern. Nach seiner Rückkehr von der Zwangsarbeit in der Sowjetunion ließ er sich bis zu seinem Lebensende in der etwa sechs Kilometer östlich von Felmern gelegenen Gemeinde Deutsch-Tekes nieder, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1964 wieder als Lehrer wirkend. Allerdings im Alter von 66 Jahren, am 4.Juli 1970, wurde er auf Grund einer Dissertation über die siebenbürgisch-sächsischen Familiennamen – an der er jahrzehntelang gearbeitet hatte – von der Universität in Bukarest zum Dr. phil. promoviert. Zu einer Veröffentlichung dieser Doktorarbeit kam es zunächst nicht, da Fritz Keintzel-Schön am 9. Juli 1971 starb.

In seiner damaligen Eigenschaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Linguistik der Rumänischen Akademie hat Heinrich Mantsch im Herbst des Jahres 1975 die Dissertation von Keintzel-Schön für den Druck vorbereitet. Sie erschien im darauffolgenden Jahr im Verlag der Akademie der Sozialistischen Republik Rumänien, der sich die Verkaufsrechte in den sozialistischen Ländern sicherte. Ein entsprechender Teil der Auflage wurde allerdings dem Böhlau Verlag in Köln und Wien für den Vertrieb in den Ländern des Westens zur Verfügung gestellt. Danach begann die Entstehung siebenbürgisch-sächsischen Familiennamen recht langsam ab 1373, entwickelte sich vorwiegend im 15. Jahrhundert, wonach dieser Vorgang bis zum Jahre 1536 wesentlich abnahm.

Wir wenden uns dem hier recht seltenen Familiennamen germanischer Herkunft „Krafft“ zu. Er erschien bei uns in 20 Ortschaften, in Hermannstadt allerdings nur kometenhaft im Jahre 1494, als in einer Steuerrechnung ein Jorg (umgangssprachlich für Georg) Krafft genannt wird. Gut lässt sich ab 1694 die Familie Krafft in Schäßburg verfolgen, die Tschismenmacher, Seifensieder, Kupferschmied oder Buchbinder waren. Ebenda wurde am 5. August 1833 Wilhelm Johann Krafft geboren. Im Juli 1848 kam er in Kronstadt beim Buchdrucker Johann Gött in die Lehre, wonach er sich über Hermannstadt, nach Temeswar, dann Pforzheim, Münster, Schwerin und Berlin auf Wanderschaft begab. Er kehrte im September 1858 heim und heiratete am 21. Februar 1860 in Hermannstadt Caroline Elisabeth Filtsch, die Tochter von Samuel Filtsch, der am Kleinen Ring Nr. 25 eine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung hatte. Zunächst war ihm die Leitung der Filtschischen Buchhandlung angetragen, doch sollte er sich bald selbstständig machen. So kaufte er im Jahre 1868 das ebenerdige Haus an der Reispergasse Nr. 10, stockte es auf und richtete hier neben einer Buchhandlung eine eigene Buchdruckerei, eine Linieranstalt und eine Papiertütenfabrik ein. Dabei widmete er sich vorerst der Veröffentlichung von deutschen Schulbüchern.

Heute befindet sich in dem Erdgeschoss des Hauses Reispergasse/Avram Iancu 10 die Ilie Micu-Volkskunstschule.
Foto: Beatrice UNGAR

Deren Herstellung erwies sich als eine besondere Leistung. Sie musste nämlich in sehr kurzer Zeit erfolgen, da das ungarische Unterrichtsministerium die Benutzung ausländischer Schulbücher – die bis dahin aus Deutschland kamen – verboten hatte. Dadurch wurde er Mitglied des evangelischen Presbyteriums, da damals die Kirche das Schulwesen verwaltete.

In seinem Gartenhäuschen traf sich im Sommer des 1885 ein Freundeskreis. Ebenfalls aus Schäßburg stammend, berichtete der vielseitig begabte Jurist Dr. Carl Wolff – er war nach verschiedenen ehrenvollen Stellungen im Ausland nun Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse geworden – über das Hilfswerk für verarmte Bauern des Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888). Im Rheinland geboren, auf Umwegen nacheinander in kleinen Dörfern Bürgermeister geworden, regte er die Gründung von Genossenschaften an, in welchen wohlhabendere Bauern notleidenden Bauern ehrenamtlich materiell helfen sollten. Welch Erfolg diese Initiative hatte, erlebte Raiffeisen kaum. Oft kränklich, zudem durch ein Augenleiden erblindet, war er gestorben.

Nun regte Carl Wolff an, in Siebenbürgen – innerhalb des Nachbarschaftswesens der Dorfgemeinschaften – habe etwas Ähnliches zu geschehen, und zwar durch billige Vorschüsse der Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse. Doch traute er sich wegen der Schwerfälligkeit unserer Bauern nicht dazu. Die Freunde hatten für dieses Zögern Verständnis. Nur Wilhelm Johann Krafft meinte, man habe zumindest einen Versuch zur Gründung der neuartigen Vereine zu machen. So wurde ein Fragebogen ausgearbeitet und in umliegende Dörfer verschickt, um die tatsächliche Lage der Dorfbewohner zu erfahren.

Da nicht alle Antwortschreiben ablehnend waren, machte sich Carl Wolff auf den Weg und besuchte mehrere Gemeinden. So entstanden noch im Herbst des gleichen Jahres erste Spar- und Vorschußvereine in Großscheuern, Frauendorf und Arbegen. Danach ging Wilhelm Johann Krafft seiner Wege. Im Jahre 1890 hatte er die Verlagsrechte von den Erben der einstigen Druckerei des Johann Georg Samuel von Closius erworben.

Sitzungszimmer des Direktionsrates der Sparkassa.     Foto: Gustav THEIS

Doch schon im Jahre 1892 wurde er wieder gefordert. Da sich das Raiffeisen-Vereinswesen rasch entfaltete, hatte Carl Wolff die Idee, zu seiner Information und Förderung einen „Anwaltsrat“ zu gründen. Die Leitung dieses neuen Gremiums wurde eben Wilhelm Johann Krafft übertragen, während als Mitglieder Viktor Rideli, Pfarrer in Arbegen, Johann Schmidt, Prediger in Hammersdorf, Michael Ambrosi, Grundbesitzer in Großprobstdorf, Heinrich Brandsch, Pfarrer in Bekokten, Gustav Friedrich Kinn, Pfarrer in Deutsch-Zepling, und Adolf Müller, Rektor in Kleinscheuern, ernannt wurden.

Andererseits, als 1899 der gebürtige Mediascher Carl Gräser in Wien starb, wo er einen Verlag für siebenbürgische Bücher hatte, die er durch ein Leipziger Vertriebsnetz im deutschen Sprachraum bekannt machte, gelang es Johann Wilhelm Krafft, zusammen mit seinem Sohn, die Bestände des siebenbürgischen Schrifttums in Wien zu übernehmen und nach Hermannstadt zu bringen, sowie dazu auch alle verfügbaren Verlagsrechte zu erwerben. Im Sommer 1903, als er 70 Jahre alt geworden war, übergab er die Firmenleitung seinem Sohn, Carl Wilhelm Krafft, und widmete sich fortan – bis zu seinem am 10. Dezember 1908 erfolgten Tod – vorwiegend öffentlichen Aufgaben.

Unter dem Namen Raiffeisens entstanden nicht nur weitere Spar- und Vorschussvereine, sondern auch Winzer- und Kellervereine, die gegen die von der Reblaus zerstörten Rebenhalden durch Neuanbau von Rebstöcken vorgingen, sowie Maschinengenossenschaften. Letztere gründeten nicht nur Dreschmaschinengenossenschaften, sondern erhielten durch günstige Verträge mit dem Hermannstädter Fabrikanten Viktor Heß entsprechende Brückenwaagen, mit dem Fabrikanten Carl Moeß für die günstige Lieferung von Wertheimkassen und Sparbüchsen, mit dem Schildermaler Franz Klein für die Anfertigung von Firmentafeln.

Zudem ging es um entsprechendes Saatgut sowie um die Sicherung des Bodenbesitzes. In diesem Sinne regte Carl Wolff einen Vorgang der Sparkasse an, der damals „Innerkolonisation“ genannt wurde. Von verarmten Bauern wurden beispielsweise bebaute oder unbebaute Hofstellen, unterschiedliche Flächen von Hutweide oder Wald, eine Ziegelei oder Mühlen erworben und diese in den Besitz der Dorfgemeinschaften übergeben.

Dass so eine umfangreiche Entwicklung auch kontrolliert werden muss, ist selbstverständlich. Deshalb organisierte Carl Wolff dafür ein besonderes Revisionsamt, deren Leitung er einem Schäßburger Jugendfreund anvertraute. Es handelt sich um Julius Teutsch, der nach dem Studium der Chemie und Volkswirtschaft in der Weingroßhandlung wirkte, die seine Verwandtschaft betrieb. Seine Anstellung in Hermannstadt erfolgte noch im Jahr 1891, doch erfolgte seine Wirksamkeit erst ab Oktober 1892, als die einzelnen Vereine in Hermannstadt einen „Verband Raiffeisenscher Genossenschaften A. G.“ gründeten.

Julius Teutsch organisierte das Amt so, dass jeder Verein zunächst im Jahr, doch bald sogar zweimal jährlich überprüft werden konnte. An einer akuten Erkrankung, die er sich auf einer Revisionsfahrt geholt hatte, starb Julius Teutsch überraschend am 13. März 1904. An seine Stelle trat seitens der Sparkasse Robert Gutt, der den Revisionsapparat erneuerte und für Vereinskassierer Lehrgänge veranstalte.

Im Jahr 1905 kam es in Etappen zu Gesprächen mit Vertretern des „Siebenbürgischen Landwirtschaftsvereins“. Dabei legten die Einen ihre Aufmerksamkeit mehr auf die soziale Arbeit, während die Anderen sich neben dem Ackerbau mehr mit der Viehzucht, sowie mit der Anlage von Molkereien beschäftigten.

Grundsätzlich kam man zum Ergebnis, dass da, wo in Orten die Mitglieder beider Vereine eben identisch sind, ihre Generalversammlungen in gemeinschaftlichen Tagungen stattfinden sollten.

Der Genossenschaftsverband leistete sich auch eine eigene Publikation. Beginnend mit dem 11. Mai 1910 erschien die kleinformatige Monatsschrift „Siebenbürger Raiffeisenbote“ unter der Schriftleitung von Dr. Georg Adolf Schuller.

Während dem Ersten Weltkrieg, ab 1917, legte Carl Wolff alle Ämter nieder und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er starb in bescheidenen Verhältnissen kurz vor seinem 80. Geburtstag am 3. Oktober 1929.

Einer seiner treusten Freunde – Dr. Georg Adolf Schuller – zog sich nun in seinem Amtsbereich als Betreuer der Handschriftensammlung im Brukenthalmuseum zurück, während die Schriftleitung vom „Siebenbürger Raiffeisenboten“ Karl Markovetz übernahm – eine Persönlichkeit, die wir nicht erfassen konnten.

Da die Raiffeisenbewegung sich in Rumänien auch außerhalb Siebenbürgens entfaltete, änderte er den Titel der Publikation am 12. Dezember 1938 in „Raiffeisenbote“. Ihr letzter Schriftleiter war dann ab 27. März 1940 der Bankrevisor Julius Gutt. Der stellte am 20. Juli 1941 das weitere Erscheinen vom „Raiffeisenboten“ ein, da die Nationalsozialisten um Andreas Schmidt die Raiffeisenbewegung aufgelöst hatten.

Manfred WITTSTOCK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.