50 Lieder für 50 Jahre

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024

Ausgabe Nr. 2883

Johann Ludwig Konrad Allendorf konnte um 1736 offenbar einfach nicht aufhören, zu dichten: Mehr als 20 Strophen sind von ihm überliefert, die unter dem uns bekannten Titel „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“ versammelt sind. In unserem Gesangbuch sind unter der Nummer 43 „nur“ 7 Strophen abgedruckt.

Was Allendorf in der Langfassung auf dem breiten Klangteppich ausbreitet, scheint alle Lebenstiefen und Sehnsuchtshorizonte ausloten und damit die Ewigkeit mit dem Hier und Jetzt des endlichen Menschen vereinen zu wollen. Es ist Jesus, der diesen überwältigenden Zustand hervorruft, da er den inneren und äußeren Widrigkeiten des Menschen und zuletzt auch der Endgültigkeit des Todes etwas entgegensetzen kann: Freude, Kraft, Fürsorge, Trost – und vor allem Liebe.

In Vorbereitung auf einen baldigen Gottesdienst war ich im Gesangbuch (wieder) auf dieses oft gesungene Lied gestoßen. Eine Ikone aus dem Hinterglasikonenmuseum in Sibiel stellte sich unmittelbar und hartnäckig vor meinem inneren Auge ein. Im Frühjahr letzten Jahres hatte Roger Pârvu sie uns Studierenden von der Aktion Forum Young Theology. Perspectives for a future Protestantism ausführlich vorgestellt, als Darstellung christlich-orthodoxer Theologie zum Kirchenverständnis. Wir hatten uns in den Tagen davor u. a. mit der Relevanz evangelischer Theologie für Europa auseinandergesetzt. Nun wollten wir den konkreten ökumenischen Kontext erleben und nicht nur gedanklich durchdringen. Wir fuhren zum Museum der Glasikonen.

Die Ikone: Jesus abgebildet, wie ihm der Weinstock linkerhand aus dem Herzen/ Rippenbogen über den Kopf wächst und sich um das Kreuz rankt. Der Weinstock neigt sich unter der schweren Last der reifen roten Beeren mit goldenem Rand nach unten. Rechterhand hält Jesus eine der Reben über den Kelch. Aus seiner Hand tropft aus den Trauben der Wein in den Abendmahlskelch. In zeitlicher und räumlicher Simultaneität und Totalität habe ich das Christentum selten so überwältigend erlebt. Es geht um Jesus und sein Liebeswirken, das Gemeinschaft stiftet. Das ist es, was sich auch in Allendorfs Lied mitteilt: Jesus ist kommen, ein Weg süßer Weide./Wahrheit, du labst mit wahrhaftigem Gut./Weisheit, wie wunderbar führst du zur Freude!/Weinstock, dein Traubenblut stärkt uns den Mut./Dir anzuhangen in Freude und Leide,/Jesus ist kommen, ein Weg süßer Weide. (22)

Daniela BOLTRES

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.