Ein innovatives Kunstprojekt im ICR Wien
Ausgabe Nr. 2875
In einer Welt voller Herausforderungen gibt es Projekte, die Hoffnung machen. Heute möchte ich ein faszinierendes Kunstprojekt vorstellen, das sich drängendsten Themen unserer Zeit auf einzigartige Weise nähert. Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen Raum, in dem Filme, Fotografien, Zeichnungen, Gemälde, Collagen, Texte, Audio- und Videoinstallationen miteinander in Dialog treten und gleichzeitig fühlt sich der Besucher aufgefordert, „Mitreisender auf Zeit“ zu sein.
„Art.Walk.Impression.“ ist eines der fünf Gewinnerprojekte, das u.a. vom Österreichischen Kulturforum Bukarest organisiert wurde und nun bis 11. August im Rumänischen Kulturinstitut Wien zu sehen ist. Es wurde von den Künstlerinnen Teresa Leonhard und Katharina Kraus entwickelt und basiert auf einer Wanderung mit künstlerischen Interventionen am Weg durch Dörfer im Banat und Siebenbürgen, realisiert zwischen dem 27. August und dem 7. September 2023. Gemeinsam mit einer Gruppe von vier jungen Kulturschaffenden aus Rumänien und zwei Gastkünstlern machten sich Leonhard und Kraus auf eine Reise durch Siebenbürgen und das Banat, um unterwegs Kunstwerke zu schaffen. Das Projekt verbindet zwei Regionen (Banat und Siebenbürgen), die eine multikulturelle Tradition besitzen. Es behandelt ferner einige der relevantesten zeitgenössischen Themen – Migration, Nachhaltigkeit, Frauenrechte – durch partizipative künstlerische Interventionen in Dörfern.
Nach einigen Tagen einer „Artist Residency“ in Hermannstadt machten sich die Projektteilnehmer auf den Weg – zu Fuß und mit der Bahn – und ließen sich von den Begegnungen und Erlebnissen unterwegs zu kreativen Aktionen mit unterschiedlichen Medien inspirieren. Begegnungen mit Menschen unterwegs – in den Dörfern, im Zug, am Bahnsteig, am Weg – waren neben den inneren Eindrücken der Teilnehmenden wesentliche Bestandteile des künstlerischen Prozesses. Es wurden viele „Zufallsgespräche“ geführt und spontane kreative, spielerische Aktionen – auch mit den anwesenden Menschen – umgesetzt. Es entstanden künstlerische Arbeiten wie z. B. Filme und Fotos, Zeichnungen und Malerei, Klangimprovisationen, Bewegung und Tanz, Texte, Clownerie und spontane szenische Arbeiten. Inspiriert von der Künstlerin Gertrud Bodenburger, die im 18. Jahrhundert mit ihrer Wandertheatergruppe von Wien nach Siebenbürgen gereist ist und das Hermannstädter Kulturleben mitgestaltet hat, basiert das Kunstprojekt auf der Idee der künstlerischen Wanderschaft auf Zeit. „Unterwegs sein, durchreisen und ankommen – das alles ist Teil der Menschheitsgeschichte. Kreative Menschen haben immer ihre Spuren hinterlassen. Wir sind an der Frage, wie man mittels der Kunst nachhaltige Auswirkungen erzielt und wie man Spuren hinterlässt und die Entwicklung innerhalb einer Gesellschaft unterstützt, zutiefst interessiert“, so erklären Katharina Kraus und Teresa Leonhard die Basis ihres künstlerischen Forschungsprojekts. Die beiden Künstlerinnen ergründen somit nicht nur das Hinterlassen von Spuren, sondern implementieren die Chance die Entwicklung innerhalb einer Gesellschaft unterstützen zu können. Das eröffnet auch Fragen zu Geschichte und Gegenwart, zu Rumäniens und Europas kultureller Diversität und auch zu Herausforderungen des Einzelnen oder einer Gemeinschaft. Dieses Kunstprojekt ist mehr als eine Ausstellung, es ist eine Aufforderung zum Handeln. Teresa Leonhard und Katharina Kraus – beide Künstlerinnen lehren u. a. auch an der Hermannstädter „Lucian Blaga“ Universität – machen deutlich, dass Vielfalt unsere größte Stärke ist und, dass Kunst Brücken baut: Kunst spricht eine universelle Sprache und verbindet Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. Ja, und sie hinterlässt Spuren – unsere Spuren.
Ingrid WEISS