50 Lieder für 50 Jahre / Von Hans KLEIN

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024

Ausgabe Nr. 2874

Das Lied 303 in unserm Gesangbuch: „Ist Gott für mich so trete, gleich alles wider mich…“ wurde als Hauptlied für das Reformationsfest vorgeschlagen. Es ist ein Bekenntnislied, das auf der Aussage im Römerbrief: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ (Röm 8,31) gründet und anschließend die Aussagen aus Röm 8,31-39 meditiert. Es ist verfasst vom größten evangelischen Liederdichter, Paul Gerhardt, im Jahr 1653, also fünf Jahre nach der Beendigung des 30-jährigen Krieges. Es hatte 15 Strophen. In unser Gesangbuch sind sieben aufgenommen worden. Dadurch, dass es aus dem biblischen „Wir-Stil“ in den Ich-Stil umgesetzt wird, wird der Bekenntnischarakter stärker hervorgehoben. Dieses Lied begleitet mich seit meiner frühen Jugend.

Ich hatte ein kleines Heftchen in die Hand bekommen, in dem ausgesagt wurde: „Einer mit Gott ist immer in der Mehrheit.“ Das hat wahrscheinlich meine Eigenständigkeit im Glauben und nicht nur im Glauben, sondern auch im Selbstbewusstsein bewirkt. Ich konnte danach zu dem stehen, was ich getan oder nicht getan hatte. So wirkungsvoll dieses Lied für mich war, wollte es wahrscheinlich gar nicht sein. In ihm spricht sich der Dichter selber Mut zu. Er sagt sich, wo der Grund seines Glaubens liegt, in Gott dem Freund und Vater, der seinen Sohn Jesus Christus für uns hat sterben lassen. Er spricht die Gewissheit aus, dass dieser Christus in ihm ist und sein Geist in seinem Herzen wohnt und ihn in allen Anfechtungen tröstet, wie der Dichter von Martin Luther gelernt hat. Daran schließt er den Wunsch an, dass ihn weder Leiden noch Gefahren, weder verlockende, noch bedrückende Macht, aus Gottes Hand reißen sollen. Und endlich spricht er den Jubel darüber aus, dass ihn Christus wie eine helle Sonne anlacht und ihn der Seligkeit im Himmel näher bringt. Die Melodie, die für dieses Lied gewählt wurde, war ursprünglich jene, die das Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ bestimmt. Später wurde ihm eine Melodie zuerkannt, die in Augsburg 1609 eingeführt wurde. Beide Melodien sind nicht in Dur gehalten, die aus Augsburg in C-Moll. So dynamisch also der Text des Liedes auch sein mag, es ist geprägt von Leiderfahrungen, die überwunden wurden, aber als überwundene doch noch mitschwingen. Wer sich von der Melodie und dem Inhalt des Liedes mitnehmen lässt, weiß um innere Anfechtungen, und kann umso fröhlicher das Lied mitsingen.

Hans KLEIN

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.