,,Ich bin einer von gestern“

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Balthasar Waitz erzählt Geschichten aus dem Banater Bergland

Ausgabe Nr. 2834

Balthasar Waitz: Wolfsberg. Geschichten aus dem Banater Bergland. Kultur- und Erwachsenenbildungsverein ,,Deutsche Vortragsreihe Reschitza“, Verlag ,,Banatul Montan“ Reschitza 2019, 102 Seiten, ISBN 978-973-1929-97-2.

,,Ich erzähle von Orten, die so, wie sie einst waren, nicht mehr existieren. Und ich erzähle von Menschen, die nicht mehr da sind. Normale tote Leute. Nichts Besonderes, sagen die Alten. Wir kennen das auch. Ach, der ist doch von gestern, sagen die Leute auch. Es ist wahr. Ich bin einer von gestern.“ So lautet das Motto des Buches ,,Wolfsberg. Geschichten aus dem Banater Bergland“ von Balthasar Waitz.

In dem knapp hundert Seiten umfassenden Buch führt Waitz die Leser in seine Banater Heimat und erzählt von Ortschaften, die auch heute existieren, aber in einem anders pulsierenden Leben und mit anderen Bewohnern: Orte wie Wolfsberg, Moritzfeld, Birda, Gataja, Bokschan, Nitzkydorf oder Reschitza. In alle ehemaligen fast nur von Deutschen bewohnten Dörfer kamen Kolonisten, viele aus dem Altreich oder Motzen aus dem Westgebirge. Diese versuchten, sich in die jeweilige Dorfgemeinschaft einzugliedern. Das ging nur sehr zäh, denn jeder lebte eben in seiner eigenen Welt. Die meisten ehemaligen deutschen Bewohner haben ihre Banater Heimat verlassen und sind nach Deutschland ausgesiedelt.

So liegt auf dem Tisch einer Familie in München eine vergilbte Ansichtskarte, auf der man aber noch recht gut lesen kann: ,,File Griese aus Wolfsberg”. Wer diese Ansichtskarte auch geschrieben hat, muss oft am Schulhaus vorbeigegangen sein, ohne es zu betreten. Der Mann des Hauses kann sich an die gelebte Zeit in Wolfsberg noch recht gut erinnern, seine Gattin dagegen nicht mehr. Sie lebt bereits in ihrer eigenen Welt. In Wolfsberg konnte man schon immer viele Beeren pflücken und Kuhmilch trinken, denn beides gab es reichlich.

Auch in anderen Banater Ortschaften herrschten Anfang der fünfziger Jahre schwierige Lebensbedingungen. Die Lebensmittel waren knapp, oft gab es kein Brot im Haus. Die Winter waren rau und schneereich, es schien als ob laut Erzähler ,,der Schnee die Sonne gefressen habe” und nicht umgekehrt. Viele Dorfbewohner verdienen ihr Brot nun in der Stadt. Mit dem Pendlerzug ,,Marinică” genannt, fahren sie täglich zur Arbeit. Immer mehr Dorffamilien sind in die Stadt gezogen und nicht vom Heimatort verabschiedet. Ganze Dörfer sind fast leer, nur der Nachtwächter verrichtet auch weiter seinen Dienst. Doch geht es auch umgekehrt, ein junger Lehrer, eben ein Stadtmensch, wird nun die verbliebenen Dorfkinder unterrichten.

Balthasar Waitz ist es gelungen, mit seinen Kurzgeschichten die Leser in eine vergangene Zeit zu führen, die es nie wieder geben wird. Ob ihm sein Vorhaben tatsächlich gelungen ist, muss jeder Leser für sich entscheiden.

Balthasar Waitz wurde am 18. August 1950 in Nitzkydorf geboren. Nach dem Studium der Germanistik in Temeswar war er einige Jahre Lehrer in Reschitza. Anschließend war er Redakteur der Neuen Banater Zeitung in Temeswar für die Beilage ,,Reschitzaer Nachrichten“ und nach der Wende der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, verantwortlich für die Banater Zeitung. Er ist Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes.

Helmut LEONBACHER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.