Ausgabe Nr. 2828
Das Jahrhundert, über das heute zu berichten ist, wurde von den Zeitgenossen und den Historikern als wenig erbaulich beschrieben. Georg Daniel Teutsch hat als Zeit des „Schreckens ohne Ende“ bezeichnet. Siebenbürgen war ein Spielball machtpolitischer Auseinandersetzungen zwischen Doppeladler und Halbmond – und alle Seiten übertrafen einander in Zerstörungen, Brandschatzungen, Plünderungen und Morden. Einfälle der Osmanen und der Krimtataren der Goldenen Horde stürzten das Land in Elend und Chaos. Die ins Land herbeieilenden habsburgischen Kräfte, unterbezahlte Söldnertruppen des Generals Giorgio Basta und des walachischen Woiwoden Michael, genannt der Tapfere verwüsteten ihrerseits ganze Gebiete.
In derartigen Zeiten spreizt sich die Feder, schriftliche Überlieferungen sind selten, sie fehlen für Michelsberg bis auf ganz wenige Aufzeichnungen, deren erhalten gebliebene und veröffentlichte Reste in die folgende allgemeine Darstellung eingeflochten werden.
Zur Kirchengeschichte finden wir zwei Notizen, die ein Licht auf die nicht unerhebliche Rolle der Michelsberger Pfarrer in dieser Zeit werfen. In den 2019 von Ulrich Wien und Martin Armgart herausgegebenen „Synodalverhandlungen der evangelischen Superintendentur Birthälm“ wird für 1615 verzeichnet, dass Georg Wermer, „pastor Montis Sancti Michaelis in hospitio suo“, also in seinem Gästezimmer, Regelungen bestätigt hat, die Simon Paulinus bezüglich der richtigen Ablegung des Bekenntnisses getroffen hat, um „Irrlehren“ auszumerzen. 1627 aber wurde „Georgius N., pastor Michaelis-montanus“ von der „alma universitas“, der geistlichen Universität der Siebenbürger Sachsen, zur Sächsischen Nationsuniversität nach Hermannstadt entsandt, um mit der politischen Macht wegen des Zehntrechts der sächsischen Pfarrer zu verhandeln. In den „Series Pastorum“ kommt dieser Georgius nicht vor, Pfarrer von Michelsberg war damals Johannes Bausnerus. Allerdings könnte er „nur“ Prediger gewesen sein, zumal sich Michelsberg in dieser Zeit neben dem Pastor auch Prediger „leisten“ konnte, keine Selbstverständlichkeit! Übrigens war der am längsten in Michelsberg wirkende Geistliche Laurentius Weidenfelder. Und drei unter den Michelsberger Pfarrern waren im 17. Jahrhundert gebürtige Heltauer: Thomas Regis, Petrus Schulz und Thomas Groo. Wenn es um gute Seelsorge ging, fragte man nicht nach der Herkunft aus einem Ort, mit dem Michelsberg seit Jahrhunderten wegen Grenzstreitigkeiten verfeindet war.
Doch zurück zur geschichtlichen Entwicklung Siebenbürgens, die auch die Michelsberger zu erleben und zu ertragen hatten: Die Sachsen hatten unter vielem anderem eine zehnmonatige Belagerung von Hermannstadt (1601-1602) in Kauf genommen, um die Habsburger zu unterstützen. Doch die kaiserlichen Söldner unter General Basta erwiesen sich bald als eine zusätzliche Belastung, denn sie gebärdeten sich eigentlich nicht als „defensores [Verteidiger], sondern als devastatores und devoratores [Verwüster und Verzehrer]“ des Landes, wie der damalige Kronstädter Stadtrichter Michael Weiß feststellte. Ähnlich das Fazit im „Album Oltardinum“.
Mit Gabriel Báthory bestieg 1608 den Thron ein ehrgeiziger, als zügellos charakterisierter Jüngling, der das Land an den Rand des Ruins führte. Er wollte von Siebenbürgen aus, unter Einbeziehung Ungarns, Polens und der Rumänischen Fürstentümer, ein eigenes Reich schaffen. Wer aber „Siebenbürgen in seiner Hand haben will, der nehme die Stadtschlüssel von Hermannstadt in seine Tasche“, stellte er bald fest – mit fatalen Folgen nicht nur für die Stadt, sondern auch für die umgebenden Dörfer, unter ihnen Michelsberg. 1610 berief er einen Landtag in den sächsischen Vorort ein, kam in Begleitung von 20.000 Soldaten und wurde vom ängstlichen Magistrat eingelassen. Das bis dahin von keinem Belagerer eingenommene Hermannstadt war nun Báthorys Willkür ausgeliefert. Kronstadts Stadtrichter Michael Weiß stellte damals fest: „Wo keine Scham, kein Rechtsgefühl, keine Ehrfurcht und keine Zucht ist, da kann keine Herrschaft Bestand haben.“ Wie wahr, auch mit Blick auf unsere heutigen Zeiten!
Unter Gabriel Bethlen (1613-1629) kam das Land für eineinhalb Jahrzehnte zur Ruhe. Während des Dreißigjährigen Krieges betrieb er eine eigenständige Politik an der Seite der protestantischen Mächte und es gelang ihm, die Anerkennung des Fürstentums durch die Habsburger durchzusetzen. Als „rechter Pater Patriae“ hinterließ Bethlen das Land „besser erbaut als es funden“ bescheinigte ihm der Chronist Georg Kraus.
Georg I. Rákóczi (1630-1648) setzte diese Außenpolitik fort, die durch die internationale Anerkennung des Fürstentums als Unterzeichner des Westfälischen Friedens gekrönt wurde. Sein ehrgeiziger Sohn und Nachfolger Georg II. (1648-1660) versuchte, diese Position auszubauen und wollte ein „dakisches Königreich“ errichten. Das provozierte die Osmanen, die 1658 eine Strafexpedition gegen Siebenbürgen unternahmen. Auch Michelsberg wurde damals arg in Mitleidenschaft gezogen, wie Johannes Graffius in seiner „Siebenbürgische Ruin“ berichtet: „Zu Michelsberg haben sie das Vieh alles hinweg getrieben, und haben sich die Leute oben auf den Berg kaum mit Leben erretten“ können. Im Winter wurden zudem Soldaten einquartiert, eine weitere Belastung der geplagten Einwohner. Diese Nachricht zeigt auf, welche Bedeutung die Burg für die Verteidigung des Ortes und den Schutz seiner Bewohner hatte. Leider fehlten die finanziellen Mittel für ihre Instandhaltung, die Bergkirche hatte bis 1787 kein Dach, sie war den Witterungen ausgesetzt.
Positiver berichtet Johannes Tröster 1666 in „Das Alt- und Neu-Teutsche Dacia“: „Nicht weit von Heltau lieget Michelsberg auf der linken Hand, eben mit Obstwäldern allenthalben geschmücket, die Kirch stehet auf einem hohen Hügel, oder vielmehr Steinfelsen, da noch eine römische Junonis zu sehen.“ Wie der Michelsberger Ortsmonographie zu entnehmen ist, entrichteten die Ortsbewohner 1675 ihre Steuern in „gebackenen Pelsen“, also Dörrpflaumen. Außerdem standen damals in den „Obstwäldern“ Kirsch-, Apfel-, Birn- und Nussbäume. Das Denkmal für die römische Göttin Juno, das Tröster erwähnt, ist nicht erhalten geblieben und wird auch in keiner Fachpublikation erwähnt. Es handelt sich wohl um eine Erfindung des Chronisten.
1661 setzte Ali Pascha den siebenbürgischen Adligen Michael Apafy zum Fürsten ein. Diesen interessierten eher Kunst und Wissenschaft, auch wurde ihm nachgesagt, er sei dem Wein zugetan. Apafy konnte sich fast dreißig Jahre auf dem Fürstenthron halten, historiographisch wurde seine Regierungszeit als relativ bedeutungslos eingeschätzt. Der Einfluss der Pforte aber war größer denn je. Siebenbürgische Truppen mussten sich an den Feldzügen der Osmanen gegen die Habsburger beteiligen, der Tribut wurde deutlich erhöht.
Nach jahrelangen Vorbereitungen versuchten die Osmanen 1683 den entscheidenden Schlag gegen die Habsburger und belagerten Wien, erlitten jedoch eine vernichtende Niederlage. Die Truppen der „Heiligen Liga“ – Österreich, Polen, Venedig, später auch Russland – gingen zum Gegenangriff über. In relativ kurzer Zeit wurden die Osmanen zurückgedrängt. 1699 mussten sie im Frieden von Karlowitz den Verlust ihrer ungarischen Territorien an Österreich anerkennen. Siebenbürgen wurde damit völkerrechtlich aus dem türkisch-orientalischen Machtbereich entlassen und gehörte nunmehr wieder zu Ostmitteleuropa.
1688 zog General Antonio Caraffa als Kommandierender General von Siebenbürgen in Hermannstadt ein. Mit dem „Leopoldinischen Diplom“ (1691) anerkannten die Habsburger die bisherigen Privilegien der Stände, auch deren Recht auf freie Religionsausübung. Es blieb für eineinhalb Jahrhunderte das Grundgesetz Siebenbürgens.
Die Michelsberger hatten unter diesen Umständen nicht viel zu sagen, sie fügten sich und nutzten die Vorteile, die ein geordnetes Staatswesen zu bieten vermag.
Konrad GÜNDISCH