Oberst Peter Grundhoff beim DWS-Mitgliedertreffen
Ausgabe Nr. 2826
Zum Mitgliedertreffen des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) am 12. Juli war Peter Grundhoff, Oberst im Generalstabsdienst der Bundeswehr in Hermannstadt, eingeladen. Oberst Grundhoff stellte die NATO-Kommandozentrale in Hermannstadt (Headquarters Multinational Corps South-East) vor, die sich gegenwärtig im Aufbau befindet. ,,Wir wünschen Ihnen möglichst viel Theorie und wenig Praxis”, lauteten die abschließenden Worte vom DWS-Vorsitzenden Wolfgang Köber nach dem Gastvortrag. Anschließend erinnerte er daran, dass am Samstag, dem 9. September, im Innenhof des Teutsch-Hauses 25 Jahre seit der Gründung des DWS gefeiert wird.
Seit dem 3. Oktober des vergangenen Jahres führt Peter Grundhoff seinen Dienst für die Bundeswehr in Hermannstadt durch, integriert in einem internationalen Stab, der hier im Aufbau befindlich ist.
Grundhoff ist seit 37 Jahren Soldat. Eingetreten in die Bundeswehr ist er 1986. Zwar studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Bundeswehruniversität in München, er muss allerdings im Rahmen seiner Tätigkeit nicht wirtschaftliches Handeln an den Tag legen. Zwischen 2000 und 2002 absolvierte er an der Führungsakademie der Bundeswehr die nationale Generalstabsausbildung. ,,Dort hat man mich mit einem sehr breiten Blickwinkel ausgestattet, das heißt aber auch, dass ich so ziemlich alles kann, aber alles nur ein bisschen”, erzählte er von seiner Erfahrung. Im Rahmen von NATO-Verwendungen diente er in Deutschland, in den USA, in Großbritannien und nun in Rumänien. ,,Ich habe durchaus in NATO-Verwendungen eben das sehr häufig mitnehmen können, was meinen täglichen Job hier ausmacht: arbeiten in einem multinationalen Verbund”. Seit dem 3. Oktober 2022 ist er nun Assistant Chief of Staff G3 und Dienstältester Deutscher Offizier des Multinational Corps South-East (MNC SE).
Ein Korps ist ein Großverband, der aus mehreren Divisionen beziehungsweise Brigaden und zusätzlichen Korpstruppen besteht. Ein Korps besteht dabei aus mehreren Waffengattungen.
In seiner Vorstellung ging Grundhoff u. a. auf die Bedeutung des Wappens ein. Zu sehen ist oben die Abkürzung MNC-SE und darunter drei Sterne, die Hierarchieebene des Hauptquartiers, darunter die NATO-Windrose, die auf ein Hauptquartier unter dem operativen Kommando des SACEUR hinweise und im Hintergrund gekreuzt eine Hellebarde und ein Schwert, als Symbole der Souveränität der Staaten und der Kampfkraft des Korps. Laut der Internetseite der Zentrale symbolisiert erstere die Waffe von Mihai Viteazul, die andere diejenige von Alexandru Ioan Cuza. Die grüne Farbe betone den landorientierten Charakter, blau sei die NATO-Farbe. Die rumänische Flagge deutet auf die Rahmennation, die dieses Hauptquartier bereitstellt: Rumänien. Darunter der lateinische Leitspruch ,,Fortis in unum”, also ,,gemeinsam stark”.
Die Ursprünge des NATO-Kommandos gehen noch auf den NATO-Gipfel von 2018 in Brüssel zurück, als Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis kundgab, dass Rumänien bereit sei, Gastgeberland zu sein. Danach folgten die nächsten Meilensteine. In Europa kristallisieren sich nun einzelne Regionen heraus, in denen einzelne Korps die Verantwortung tragen müssen.
Gegenwärtig befindet sich die Kommandozentrale in der Junger-Wald-Straße/Calea Dumbrăvii in Hermannstadt noch im Aufbau. Für das Gastgeberland sei es natürlich eine Herausforderung. Dienstposten müssen besetzt werden, gegenwärtig würden die Gebäude bereitgestellt. Schließlich belaufen sich Investitionen bezüglich der Gebäude auf 151 Millionen Euro, Kommunikations- und Informationssysteme auf 98 Millionen Euro und Einrichtungen das Unterstützungsregiment betreffend auf 36 Millionen Euro.
Was ist der Kernauftrag des MNC SE? ,,Im wesentlichen sind wir Teil der NATO-Streitkräftestruktur und deren wesentlicher Auftrag heute ist Abschreckung”, betonte Grundhoff. ,,Wir befinden uns nicht im Krieg mit irgendjemand, aber wir sind der Überzeugung, dass wir abschrecken müssen, damit wir uns auch in naher Zukunft nicht im Krieg befinden”. Auf Befehl nehme man die Führungsfunktion auf Korpsebene in Krisensituationen oder im Krieg wahr. ,,Das heißt, erst wenn wir aktiviert werden, dann fahren wir irgendwo ins Gelände, bauen unseren Gefechtstand auf oder ziehen mit ihm in irgendeine Tiefgarage”, erläuterte Grundhoff.
Warum bildet man multinationale Korpsstäbe? ,,Es gibt kein einziges rein nationales Korps, außer bei den US-Amerikanern. Wir machen das, weil wir wissen, wenn wir die Multinationalität auf der oberen Führungsebene nicht implementieren, dann funktioniert sie auch nicht auf den Ebenen darunter”, meinte Grundhoff. Weiterhin gebe es keine Nation, die gegenwärtig alle 5 Divisionen stellen könne. ,,Ich selber erinnere, dass ich in den 80er Jahren in ein Heer eingetreten bin, in dem wir 12 Divisionen hatten, 4 Divisionen noch zusätzlich gekadert, also die noch mit Material unterlegt und dann mit Reservisten befüllt werden konnten”, so Grundhoff. ,,Heute hat die Bundeswehr 3 Divisionen. Wir haben in den letzten 20 Jahren, insbesondere in Deutschland die Streitkräfte sehr beflissentlich einer Friedensdividende unterlegt und an die Wand gefahren”. Das könne man sich nicht mehr leisten.
Am 24. März 2022 befand sich die Welt erst einige Tage nach der russischen Aggression in der Ukraine. ,,Auf beiden darauffolgenden kurzgetakteten NATO-Gipfeln hat sich die NATO ein neues strategisches Konzept gegeben. Wir reagieren auf Einen der agiert”, sagte Grundhoff. Die NATO arbeitete an einem neuen Verteidigungsplan für ihre Ostflanke.
,,Was wir in den 80er Jahren schon gemacht haben, praktizieren wir heute auch. Es wird Ausrüstung näher an die NATO-Ostflanke gebracht”, sagte Grundhoff. Größere Formationen werden in Truppenübungsplätze verlegt, in Trainingseinrichtungen, und man behält sie dort, lässt sie dort sechs Monate üben und dann rotieren. Schon allein der Eindruck von übender Truppe bringe einen Gewinn: Abschreckung. ,,Wir zeigen in der NATO, wir sind da und wir können auch das, was wir üben, deshalb wird das auch manchmal leider laut”, erklärte Grundhoff.
Deutschland beabsichtigt sogar, in Litauen eine komplette deutsche Brigade permanent zu stationieren, was für die Bundeswehr ein absolutes Novum sei. Das bedeute, dass nicht nur der Soldat für drei Jahre dort zu Werke gehe, sondern er bringe auch seine Familie mit.
Was ist nun der Hauptauftrag an der Ostflanke? ,,Sichtbare Abschreckung. Es ist keine Aggression, aber Abschreckung”, meinte Grundhoff.
Die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022, hat schon im März 2022 dazu geführt, dass der Plan, die Full Operational Capability aufzubauen von 2 Jahren auf 1 Jahr zusammengepresst wurde. In der Kommandozentrale des Multinational Corps South East sei man nun unterhalb der 50 Prozent was die Besetzung der Dienstposten betrifft, plane aber bis Ende des Jahres 90 Prozent besetzen zu lassen. Seit dem Juni 2021 verfügt man über eine Interim Operational Capability und nach einer Übung im letzten Dezember über eine Interim Full Operational Capability um dann auch die Zuständigkeit für die Truppendienstliche Führung der Natokräfte in Bulgarien und in Rumänien übernehmen zu können. Über eine weitere Übung, dieses Jahr im Oktober wird die Full Operational Capability nachgewiesen und in der Lage sein, bis zu 5 Divisionen auch räumlich bei einem Einsatz, in einer Krise zu führen. Danach könnte das Korps für jedwelche Operation aktiviert werden. Ein Korps mache in der Regel eine Übung pro Jahr. 2024 plane man, drei Übungen gestaffelt hintereinander durchzuführen, und in 2025 sogar vier Übungen. Die sind vom Umfang her natürlich unterschiedlich, der gesamte Korpsstab wird aber eingebunden.
,,Wir wünschen Ihnen möglichst viel Theorie und wenig Praxis, so dass es nicht zum Gefecht kommt, und dass das alles bald irgendwann ein Ende nimmt”, lauteten die abschließenden Worte des DWS-Vorsitzenden Wolfgang Köber.
Werner FINK