,,Die Predigt muss mich irgendwie auch überraschen“

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Dies Academicus zu ,,Rede von Gott heute. Predigt in einer säkularen Welt“

Ausgabe Nr. 2823

EKD-Ratsvorsitzende zu Gast: Am vergangenen Wochenende fand schon zum dritten Mal der vom Zentrum für Evangelische Theologie Ost (ZETO) veranstaltete Dies Academicus statt. In diesem Jahr lautete das Thema ,,Reden von Gott heute – Predigt in einer säkularen Welt“. Unser Bild: Zum Abschluss der Veranstaltungen des Dies Academicus lud Bischof Reinhart Guib (2. v. r.) zu einem Empfang im Innenhof des Teutsch-Hauses ein zu Ehren der Delegation der Evangelischen Kirche von Westfalen, die Annette Kurschus (1. v. l.), Vorsitzende des Rates der EKD und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, auf dem Besuch bei der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien begleitete. 
Foto: Beatrice UNGAR

Am Freitag, den 30. Juni und am Samstag, den 1. Juli 2023 fand im Theologischen Institut in Hermannstadt zum Abschluss des Studienjahres ein Dies Academicus, ein wissenschaftlicher Tag, statt. Die Vorträge, Andachten und Diskussionen beschäftigten sich mit der Predigt und waren somit auch für Pfarrerinnen und Pfarrer eine gute Gelegenheit, ihre je eigene Predigtpraxis zu reflektieren. Zu Beginn sprach Dr. Ulrich A. Wien (Landau) über die reformatorische Predigt und bezog Beispiele aus den aus dem 16. Jahrhundert erhaltenen Predigten des Kleinpolder Pfarrers Damasus Dürr (ca.1535–1585) mit ein, die demnächst veröffentlicht werden sollen. 

Der Samstag war der Gegenwart gewidmet und mich als Pfarrerin lockte vor allem das Podium zu der Frage „Wie gelingt es der heutigen Predigt, die Herzen anzusprechen?“, um von Malmkrog nach Hermannstadt zu fahren und zu hören, was eine Journalistin, eine Linguistin und eine Philosophin zum Predigen sagen werden.

Der Tag begann mit einer Andacht von Dr. Thomas Pitters (Gallneukirchen, Österreich), die darauf hinwies, die Skeptiker unter den Hörenden einer Predigt wahrzunehmen und erinnerte daran, nicht über, sondern aus Gottes Wort, aus Jesus Christus zu predigen, damit es seine Kraft entfalten kann.

Der Andacht, die vom Leiter des ZETO (Zentrum Evangelische Theologie Ost), Pfarrer Gerhard Servatius-Depner aufs Schönste musikalisch umrahmt wurde, folgte ein homiletischer Vortrag von Dr. Lubomir Batka (Wien) zum Thema „Die Kraft (aus) der Predigt“, in dem er betonte, wie wichtig der Glaube der Predigenden selbst ist und plädierte für Fortbildungen und weitere Professionalisierungen im Finden von Worten und Bildern für die Verkündigung in einer postsäkularen Welt. Denn die Predigt ist immer auch öffentliche Rede und somit ist ihr eine gesellschaftliche und politische Verantwortung inne. „Ohne Glaube gibt es keine Verkündigung“ und „Was ist Trinität pro me?“ gab Batka uns mit, denn „bei allem, was wir tun, die Kraft der Predigt kommt aus der göttlichen Wirkmächtigkeit des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes“. Und eine gute Unterscheidung markierte Batka, ähnlich wie bei Pitters: „Die Predigt ist wie eine Sprache, die Theologie ist die Grammatik. Die Predigt ist aber kein Vortrag über Grammatik, sondern enthält diese Grammatik.“

Beim Abschlussgottesdienst in der Johanniskirche gratulierten dem Absolventen Mihai Udrea, Dr. Stefan Tobler und die Studierenden Roger Pârvu, Daniela Boltres und Robert Stoia.                           Foto: Beatrice UNGAR

Landeskirchenkuratorin Dr. Carmen Schuster sprach im Anschluss sehr ansprechend, motivierend und nachdenklich machend über „Reden von Gott heute – Predigt in einer säkularen Welt. Gedanken aus der Kleinschenker Provinz.“ Aus diesem, wie Schuster es nannte, „globalen Dorf“ Kleinschenk und den Erfahrungen sowie Begegnungen dort mit Menschen aus aller Welt und Themen aus aller Welt, regte sie eine „Reflexion des Fundaments“ an in einem kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld, das sich in den letzten Jahren beträchtlich geändert hat, aber auch unwahrscheinlich viele und gute Chancen bietet. Von einem Relevanzverlust war nichts zu spüren. Das wurde auch in ihrer Ergänzung des Titels deutlich: „Handeln mit Gott heute“. Sie sprach zum einen aus der Perspektive der Landeskirchenkuratorin, der weltlichen Vertreterin in der Kirchenleitung und zum anderen aus der Perspektive der Gottesdienstbesucherin und somit als Kommunikationsteilnehmerin im gottesdienstlichen Geschehen. Denn auch die Predigt ist nicht Monolog, sondern im besten Falle Dialog und entsteht beim Hören – für die Hörenden – und auch während des Sprechens, wenn die Predigenden je nach Situation und Atmosphäre im Raum etwas aus ihrer Vorbereitung ausführlicher oder prägnanter betonen, indem sie die momentane Gefühlslage der Gemeinde aufnehmen und sich in einen Dialog nicht nur mit dem Text, sondern auch mit den Hörenden und mit den eigenen Glaubenserfahrungen begeben. Oder wie Schuster es formulierte: „Wir sind privilegiert, weil wir uns in einem Rahmen befinden, in dem uns Gott trägt.“ Konkret sprach Schuster über das, was die Hörenden einer Predigt und die Gesellschaft allgemein prägt: Eine hohe Mobilität und damit verbunden die Frage, wie Menschen gestärkt werden können, die zeitweilig nach Westeuropa zum Arbeiten gehen und wie jene gestärkt werden können, die aus Westeuropa hierher zum Arbeiten und Leben kommen. Nah an den Menschen zu sein kann auch über digitalem Weg geschehen und der Zugang zu Kirchen, Gottesdiensten, Veranstaltungen erleichtert werden. Und auch die gesellschaftliche Relevanz sehen sowie ausfüllen mit Themen wie Migration, Forstwirtschaft, Korruption, Bildung, nachhaltigem Wirtschaften, gesellschaftlichen Ausgrenzungen usw.: „Trauen wir uns zu, Orientierung zu geben?“ fragte sie.

Nach den Vorträgen von Batka und Schuster folgte die Podiumsdiskussion mit der Journalistin Beatrice Ungar, der Linguistin Dr. Gerhild Rudolf sowie der Philosophin Dr. Eveline Cioflec. Erwartet wird von einer Predigt, dass sie sprachlich und rhetorisch gut ist, dass sie ermutigt, dass sie überrascht, dass sie eine Antwort evoziert – und wenn das einfach nur stille werden ist. Noch viel wäre zu sagen und zu schreiben, dafür reicht hier der Platz nicht, soll dafür aber eine Einladung sein, weiter im Gespräch über das „Reden von Gott heute“ zu bleiben.

Der Dies Academicus endete mit dem feierlichen Abschlussgottesdienst des Studiengangs Protestantische Theologie in der Johanniskirche und einem Empfang des Bischofs der EKR im Hof des Teutsch-Hauses.

Angelika BEER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.