Christel Ungar las im Forschungsinstitut in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2820
Das Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Hermannstadt war am Freitag, den 9. Juni, Gastgeber eines Literaturabends mit Christel Ungar, bekannt durch die deutsche Sendung „AKZENTE“ im Rumänischen Fernsehen. Die sehr atmosphärische Bibliothek des Instituts, vor Jahresfrist Gastgeber einer Lesung des Pfarrers und Schriftstellers Eginald Schlattner, war eine gute Wahl, um die vier Gedichtbände der facettenreichen Hermannstädter TV-Moderatorin und Dichterin Christel Ungar vorzustellen.
Der herzlichen Begrüßung der Gäste, unter denen sich auch Bürgermeisterin Astrid Fodor sowie Bischof Reinhart Guib befanden, und der Protagonisten des Abends durch den Institutsleiter Dr. Rudolf Gräf folgte in der vollbesetzten Bibliothek ein eindringlicher Abend in rumänischer und deutscher Sprache. Dr. Rudolf Gräf dankte dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt für die Unterstützung und übergab das Wort mit der Feststellung: „Das Verschwinden einer Gemeinschaft bedeutet nicht das Verschwinden des geistigen Lebens“ an die Literaturkritikerin und Germanistin Dr. Andreea Dumitru-Iacob.
Diese ging nach einer kurzen Begrüßung direkt über zu einer höchst interessanten Besprechung der vier zwischen 2001 und 2020 veröffentlichten Gedichtbände: 2001 „So blau/Atât de albastru“, 2006 ,,Wenn wir jetzt/Dacă acum“, 2016 ,,Rot/Roșu“, 2020 ,,Du bist mein Kreuz/Tu ești crucea mea“ und unterstrich damit auf sympathische und fachkundige Weise die Worte von Dr. Rudolf Gräf.
Nun, Poesie zu besprechen ist wie das „Blasen im Winde“, sie unterscheidet sich durch Rhythmus und oft auch durch die Bildhaftigkeit der benutzten Sprache. Dr. Andreea Dumitru-Iacob versuchte erfolgreich, das „Blasen im Winde“ einzufangen und dem Publikum die poetischen Werke von Christel Ungar als Wahrheit, welche in der Schönheit der Verse ruht, zu präsentieren. „Wo der Augenblick sich unserer Sprache entzieht – dort beginnt die Poesie; Kreativität und Phantasie bestimmen den Rhythmus der Verse“!
Nach der einfühlsamen Einführung übergab die Literaturkritikerin das Wort an die Hauptprotagonistin des Abends, Christel Ungar, die sich herzlich bedankte und dem Publikum ihre Schwester, die Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung, Beatrice Ungar, vorstellte, die als Anstoß gebende Initiatorin der Veröffentlichung der vier Bände gelten kann, so Christel Ungar.
Beatrice Ungar übersetzte die vier Bände ins Rumänische und las jeweils die rumänische Übersetzung der Texte vor.
,,Mein Bukarest“, ein Text mit allen Facetten, der die Sicht von Christel Ungar auf ihr nun schon über 30 Jahre währenden Leben in Bukarest wiedergibt, unterstreicht emphatisch das Umfeld, den Ursprungsort ihrer Texte und kann als Beweis-Erklärung der Sinnhaftigkeit der folgenden Verse dienen. Der Prosatext ist übrigens in dem Buch ,,Unser Weg ins Altreich“ veröffentlicht worden, das unter der Koordination von Prof. Dr. Marianne Koch vom Germanistiklehrstuhl der Fakultät für Fremdsprachen bei der Universität Bukarest und der Vorsitzenden des DFDR-Ortsforums Bukarest, Christiane Cosmatu, 2021 beim Honterus Verlag in Hermannstadt erschienen ist.
Es darf auch nicht unter den Tisch fallen, dass die von Beatrice Ungar vorgetragene rumänische Übersetzung der Verse phonetisch sehr gut war und bei manch empfindsamen Zuhörer eine gewisse Melancholie hervorgerufen hat, eine Überraschung, Poesie eben: „Augenblicke, die uns den Atem rauben“!
Der Poesieabend endete mit Fragen aus dem Publikum, wobei Christel Ungar souverän auf alle Fragen ausgiebig antwortete, immer verbunden mit dem Hinweis, dass ihre Poesie, die aus ihrer Phantasie und aus ihrer Gefühlswelt kommt, nicht immer erklärbar sein muss.
Es war ein Abend, der die Phantasie und Kreativität von Christel Ungar unterstrich und uns als Zuhörer animiert, über das Gehörte nachzudenken, oder wie der bekannte Schriftsteller Joachim Wittstock schrieb: „Womit Christel Ungar rechnen muss, ist das Mitschwingen, das Nachschwingen des Wortes“!
Lothar SCHELENZ