Fünf ukrainische Frauen berichten über ihre Zeit im Elimheim in Michelsberg
Ausgabe Nr. 2800

Diese aussagekräftigen Bilder hat Mariia Horbenko im Rahmen eines Workshops gemalt.
Einige der ukrainischen Frauen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten und seit Beginn des Krieges im Elimheim, einem Gästehaus der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, ein zweites Zuhause gefunden haben, verfassten zum Jahreswechsel ein Dankeschön, einen kleinen Rückblick auf ihr Hiersein, das sie der Hermannstädter Zeitung zur Veröffentlichung zur Verfügung stellten.
Siebenbürgen – davon hatten wir schon mal gehört, wussten, dass es in Rumänien liegt. Es war uns bekannt, dass Graf Vlad Tepeș (genannt Dracula) hier gelebt haben soll. Doch niemals haben wir gedacht, dass wir eines Tages, dann noch unter solchen Umständen als Flüchtlinge, uns hier wiederfinden würden und die Geschichte dieses Landes und seiner Menschen kennenlernen würden.
Wir dachten, dass die Situation sich schnell bessern würde. Jeden Monat wurde es schlimmer – die Elektrizität, die Heizung sind lahmgelegt. Dronen fliegen über das Land, Raketen zerstören Häuser, Schulen, Geschäfte, Krankenhäuser – die Infrastruktur ist zerstört. Während die Sirenen heulen, hört alles auf zu funktionieren – Busse, U-Bahn fährt nicht, Menschen suchen Zuflucht in Bunkern, Kinder schreien.
Wir wollen Frieden, um in unser Land, in unsere Häuser zurückkehren zu können. Wir wünschen uns, dass unser Land ganz und frei bleibt, nicht aufgeteilt wird unter anderen Ländern, unabhängig soll es ein Land sein, in dem Wohlstand herrscht.
WIR sind Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Ukraine: aus Kiew, Dnjepr, Odessa, Sum, Lugansk, Nikolaev, Chernihiv und Kherson. Mit dem Beginn des Krieges in unserer Heimat sind wir nach Rumänien gekommen – alle zu verschiedenen Zeiten im Lauf des vergangenen Jahres 2022. Was uns jedoch außer der äußeren Lage verbunden hat, war die Tatsache, dass wir im Ort Michelsberg an einem großartigen Plätzchen namens Elimheim gelandet sind und hier zu einer Gemeinschaft zusammengefunden haben. Von den Mitarbeitern dieses kirchlichen Hauses sind wir herzlich aufgenommen worden und mit viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit behandelt worden. Herzliche Beziehungen sind entstanden, leckeres Essen (manches sehr neu für uns) wurde täglich gekocht und serviert, Kleidung für alle Jahreszeiten wurde uns gespendet aus verschiedenen Quellen, selber durften wir uns welche kaufen aus Spenden. Alles war uns zur richtigen Zeit gegeben! Ein besonderer Dank gilt hier der Geschäftsführung und Leitung der Kirche für die finanzielle Unterstützung beim Kauf von warmer Winterkleidung.
Wir alle kamen mit unseren Sorgen, Ängsten, Fragen und Problemen in dieses Haus. Was wir hier fanden und erfuhren, war Hilfe in vielen Alltagssorgen, Verständnis, Trost, offene Ohren und Herzen für uns, Ermutigung und Zuversicht in diesen schweren Zeiten. Eine kompetente psychologische Betreuung seitens des Diakoniewerkes durch die Ukrainerin Alyona Pirozhkova, interessante und lustige Aktivitäten, neben Musiktherapie führte die Violonistin Irina Dancu mit uns durch, eine Hausärztin kümmert sich um uns, wenn wir gesundheitliche Probleme haben, seitens des Diakoniewerkes wurde uns durch eine Praktikantin mit mehrfachen Übersetzungen geholfen und viel mehr lässt sich hier aufzählen.
Erwähnen möchten wir hier besonders die Frauen aus dem Elimheim, allen voran Marianne Banciu, die zusammen mit Sigrid, Ioana und Ileana köstliches landestypisches Essen immer frisch zubereitet haben. In sehr guter Erinnerung werden uns die Kuchen und Torten zu den Feiertagen und zu unseren Geburtstagen bleiben!
Kürzlich haben wir zusammen Weihnachten gefeiert mit allen Mitarbeitern des Hauses. Mit Christbäumen, Girlanden und lustigen Geschenken. Eröffnet wurde die Weihnachtsfeier mit einer Predigt unserer angesehenen Pfarrerin Bettina Kenst. Zusammen haben wir über die Geburt von Jesus Christus gesprochen und was sich damit in unserer Welt und in unserem Leben verändert hat, wir haben ukrainische Schedrivka gesungen und die Kinder rezitierten Gedichte. Der Abend war ausgezeichnet.
Zwischen Weihnachten und Neujahr hatten wir Gelegenheit zurückzublicken auf unsere Zeit, die wir hier verbracht haben. Vieles haben wir sehen und erleben können. Die Leitung des Hauses führte uns immer wieder in interessante Gegenden um auch die unterschiedlichen Umgebungen und Ethnien des Landes kennenzulernen – so waren wir in Hunedoara, in Schäßburg, Mediasch, in Sinaia und auf der Törzburg bei Kronstadt, in Hermannstadt sowieso, da es nahe liegt. Immer waren sowohl die Kinder in Freizeitparks, als auch die Erwachsenen in Museen, Türmen usw. bestens beschäftigt. Außer den Ausflügen und den Wanderungen rund um Michelsberg und Hermannstadt hat sie immer versucht unsere Freizeit zu organisieren. Wir haben mitgemacht bei der Filzwerkstatt und anderen Aktivitäten im Haus, wir haben selber Kreativwerkstätten eingerichtet, wo wir Gläser für Ostern dekoriert haben mit verschiedenen Techniken oder Bilder gemalt haben, sowohl thematisch für uns wichtig als auch eine willkommene Beschäftigung.
Das Elimheim liegt in einer malerischen Umgebung in der Nähe der Berge. Wir betrachten jeden Tag wunderschöne Sonnenauf- und -untergänge. Rundum befinden sich Obstbäume mit Birnen, Pflaumen, Äpfeln und Weichseln – die wir im Sommer und Herbst geerntet haben und zusammen mit den Mitarbeitern daraus leckere Marmeladen für den Winter zubereiteten. In den Bergen, rund um das Dorf, gibt es viele Pilze, die wir gerne gepflückt haben auf unseren Spaziergängen, danach gebraten und gute Speisen genossen haben.
Ein besonderer Dank geht an Bettina Kenst für ihre mit uns verbrachte Zeit, ihre interessant gestalteten Unterrichtsstunden in rumänischer und englischer Sprache. Wir besuchten Konzerte mit Orgelmusik und Gesang in verschiedenen evangelischen Kirchen in der Umgebung oder waren dabei, wenn sie Gottesdienst hielt. Dank ihrer Initiative haben unsere Kinder im Sommer, an diversen Freizeiten teilnehmen wollen und können. So waren sie in Hermannstadt bei den Kinderbibeltagen und in Bekokten und Seligstadt in der Kinderspielstadt.
Auch schaffte sie es, uns zu motivieren, unsere Gesundheit zu pflegen, und begleitete uns zu Fachärzten, wie Zahnarzt, Augenarzt und des öfteren in die Notaufnahme.
Wir wollen mit diesen Zeilen ein großes Dankeschön aussprechen allen, die uns in dieser hier verbrachten Zeit, bald ein Jahr für einige unter uns, begleitet und geholfen haben auf unterschiedlichste Art und Weise! Wir alle werden die wärmsten Erinnerungen an das Land haben, das uns Schutz bot, an diejenigen, die sich um uns gekümmert haben.
Danke für alles, was uns das Elimheim bedeutet – eine Oase in unserer Wüstenzeit!
Tatyana Ivleva
Tatyana Shapovalova
Oksana Stadnychenko
Nataliia Ukraintseva
Liubov Zhuzhhina