Aus dem imaginären Bildersaal

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Ausgabe Nr. 2800

Hans Fronius: Stundturm in Schässburg, 1970, Kreidezeichnung. Kunstdruckkarte des „Siebenbürgischen Künstlerarchivs“, Gundelsheim/Neckar.

Im imaginären Bildersaal des europäischen Südostens sehen wir uns nach Illustrationen für unseren winterlichen Rundbrief um und wählen, ohne viel zu zögern, Graphiken von Hans Fronius (1903-1988) aus. Der Zeichner und Maler Hans Fronius war, durch Herkunft und Lebensgang, ein Vertreter alten (kaiserlich-königlichen) und neueren Österreichertums. Sein Vater, Dr. Fritz Fronius, in Schässburg geboren, war Arzt, die Mutter entstammte einer Wiener Familie italienischen Ursprungs (Passini).

Geboren wurde der spätere Bildende Künstler in Sarajewo, wo sein Vater als Sanitätsrat und Stadtphysikus amtierte. Als elfjähriger Junge war Hans Fronius Augenzeuge des Attentats auf Kronprinz Franz Ferdinand von Habsburg und auf dessen Gattin Sophie – er sah, wie sein Vater den schwer Verletzten zu Hilfe eilte, ihnen aber kaum mehr beistehen konnte, da die Schüsse des Attentäters allzu bald den Tod der beiden Opfer verursacht hatten.

Jahre hindurch versah Hans Fronius seine Weihnachts- und Neujahrsgrüße mit Porträts bzw. Aussprüchen von Persönlichkeiten wie Johannes Kepler, Andreas Gryphius, Franz Grillparzer. – Von Adalbert Stifter zitierte er 1968 eine bezeichnende Textpartie: „Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird.“ Aus dem „Siebenbürgisch-sächsischen Künstlerarchiv“, Hermannstadt, betreut von Manfred Wittstock.

Hans Fronius erlebte als Lernender sowie als aktiver Mitgestalter die guten Zeiten der Buchillustration (dieser Kunstzweig war nicht, wie heute, vor allem auf Kinder- und Jugendliteratur beschränkt). Noch bevor Franz Kafka posthum berühmt wurde, war Fronius bemüht, das Eigentümliche seiner Prosa graphisch zu erfassen. Hauptwerke der Weltliteratur wurden ihm zur Bebilderung anvertraut – nicht zur vordergründigen Illustration, sondern zur künstlerischen Ergänzung. Er widmete sich dabei „ausnahmslos Texten, die doppelbödig angelegt“ sind, bekannt „für ihre Rätselhaftigkeit“, schrieb Hans Bergel (Hans Bergel: Hans Fronius. Wie sich Literaturtexte in Bilder verwandeln. In: Wegkreuzungen. Dreizehn Lebensbilder. Bamberg: Johannis Reeg Verlag 2009, S. 34.).

Auch war er als Graphiker für Wiener Bühnen oder sonstige Einrichtungen tätig. Er schuf Ansichten von europäischen Siedlungen und Landschaften und war um die bildhafte Vergegenwärtigung entscheidender historischer Ereignisse bemüht (der Fall von Konstantinopel, das Attentat in Sarajewo u. a.).

Hans Fronius: Ausblick aus dem Atelier, 1971, Öl auf Leinwand. Kunstdruckkarte der Galerie Welz in Salzburg.

Wegen der Herkunft seines Vaters war man hierzulande versucht, in Hans Fronius auch einen Siebenbürger zu sehen. Ein reichliches Dokumentationsmaterial über ihn und seine Arbeiten, zum Teil von ihm selbst zur Verfügung gestellt, birgt das „Siebenbürgisch-sächsische Künstlerarchiv“ (Begründet von Otto Czekelius, weitergeführt von Rolf Schuller, aufbewahrt von Manfred Wittstock in Hermannstadt).  Rotraut Sutter nahm Fronius in das von ihr betreute Lexikon „Siebenbürger Sachsen in Österreichs Vergangenheit und Gegenwart“   (Innsbruck: Universitätsverlag Wagner 1976, S. 56-58) auf.

Auch mir (Joachim W.) erschien es richtig, ihn in einem Aufsatz mit siebenbürgischer Thematik zu berücksichtigen (J. W.: Siebenbürgische Dichtung und Bildende Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Transsylvanica 2. Studien zur deutschen Literatur aus Siebenbürgen. Hrsg. von Michael Markel. Cluj-Napoca: Dacia Verlag 1982, S. 144 und Abb. 19-20).  Ich stützte mich dabei auf Bestände des Hermannstädter „Künstlerarchivs“.

Die Veröffentlichung schickte ich Hans Fronius zu, der damals in Perchtoldsdorf bei Wien wohnte. Er bestätigte den Empfang der Sendung am 24. Januar 1984 auf einer Karte, die eine eigene Malerei zeigte („Ausblick aus dem Atelier“, in diesem Rundbrief Abb. 3).  Auch fügte er folgende Auskünfte hinzu: „Mit Siebenbürgen fühle ich mich zutiefst verbunden (der Stammbaum reicht über Matthias /Gemeint ist wohl König Matthias Corvinus, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts regierte/  weit hinaus bis 1388!)“, und: „Ich habe auch einen Rumänen illustriert: Panait Istrati“.

Die Abbildungen dieses Rundbriefs reproduzieren wir mit herzlichem Dank an die Betreuer und Rechtsinhaber.

Inge und Joachim WITTSTOCK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst.