Ausgabe Nr. 2785
Carmen E. Puchianu präsentierte ihre neueste Premiere in Reschitza

Carmen E. Puchianu im ,,Kampf“ mit den Dingen. Fotos: DFDBB
,,Absurdes Theater ist nicht mein Ding“, antwortete eine Premierenbesucherin auf die Frage, wie ihr das neueste Ein-Personen-Stück der Kronstädter Autorin Carmen Elisabeth Puchianu gefallen hat, das diese unter dem Titel ,,Entsorgt. Theater des Ichs“ am Samstag, den 20. August d. J., im Rahmen der 32. Auflage der Deutschen Literaturtage in Reschitza im ,,West“-Theater aufgeführt hat. Das Absurde gehört allerdings schon seit geraumer Zeit zum Alltag und so ist auch diese neueste Produktion Puchianus sprachlich und gestisch-mimisch exzentrisch und zwischen Täuschung und Selbsttäuschung angesiedelt.
Ein visuelles Wiedererkennungserlebnis für alle, die schon wenigstens einmal eine Inszenierung – oder sollte man besser Performance sagen – von und mit Carmen E. Puchianu besucht haben, boten die Theaterrequisiten, die immer auf der Bühne stehen, egal, wo gespielt wird: eine Leiter, ein Leinensack, ein roter Strick, eine schwarze Plastikfolie… Auch bei dieser Premiere kamen sie alle nach und nach zum Einsatz.
Mehrsprachig sprachgewaltig und zuweilen schockierend offenherzig und ernüchternd zieht die Protagonistin – jeweils ihr Alter-Ego ansprechend – Bilanz und versucht dabei, Ordnung in ihre Sachen zu bringen. Ein Dossier will sie anlegen, mit allem, was ihr Dasein betrifft. Für die Nachwelt, aber vor allem – so jedenfalls scheint es auf den ersten Blick – für sich selbst und für ihr Alter-Ego. Ein vordergründig lobenswertes Unterfangen droht immer mehr aus dem Ruder zu geraten, es erweist sich als schier unumsetzbar, da sich die Protagonistin mit jedem neuen ,,Papier“ oder ,,Erinnerungsstück“ mehr und mehr verstrickt – der rote Strick dient ihr anschaulich dazu – und sich vor ihr gar ein seelischer Abgrund auftut, den sie mit Gedichten, Texten oder Videofilmen und Musik zu überbrücken versucht. Gleich zu Beginn ertönt vom Band ein Gedicht der Autorin mit dem vielsagenden Titel ,,Staubfänger Tod“: ,,Er hockt auf dem hintersten Regal,/wirft seinen Schleier/über die Dinge,/würzt sie mit Staub,/macht sie haltbar,/dass sie ausharren /und/überdauern.“
Und so beginnt der Monolog: ,,…diese ganzen Dinge, die einen umgeben, die um einen ausharren, die man am liebsten überallhin mitnehmen würde, die werde ich wegräumen müssen und den Weg frei machen …mich frei machen… wohin mit ihnen? Die Welt müsste ein größeres Behältnis sein für die vielen ausgeräumten Dinge, die einem so wichtig erscheinen, dass man sie sogar andern Leuten aufhalst…testamentarisch…ganz legal, alles geregelt und geordnet, lass andere sich mit dem Krempel herumschlagen und zusehen, wo alles hinkommt…aber bitte nicht auf den Müll! Das nennt man dann Pietät, selige Erinnerung, ewiges Gedächtnis…Dir ist jeder Dreck heilig…wichtig, hängst an jedem Fetzen Papier, den du mal beschrieben oder nur bekritzelt hast, kannst nichts wegwerfen, was? Jetzt ist der Moment! Hörst du, gute Frau, jetzt ist der Moment…der Moment zum Aufräumen, zum Durchstarten, ja, du hast richtig gehört, Durchstarten, in unserm Alter macht das Leben einen Luftsprung nach dem andern und stürzt sich ohne Rücksicht ins Volle… also ran an die Bouletten, ran an das Dossier, schauen wir, was da alles gebraucht wird an Papieren, Unterlagen, Nachweisen und Punkten… alles akribisch festgehalten… Wahrheitsgetreu und Punkte… Punkte wofür? Für arrogante Selbstgefälligkeit vielleicht oder manipulative Aussagen? Für verpatzte Gefälligkeiten oder versäumte Nettigkeiten? und für alle erdenklichen Versäumnisse…je mehr man nichts getan hat, umso mehr Punkte… Keine Ahnung, was in diesem Fall mehr zählt, was dă bine la dosar… das Getane oder das Versäumte…“.
Verstrickt im wahrsten Sinne des Wortes entsorgt sich die Protagonistin schließlich selbst, indem sie sich mit jener schwarzen Folie zudeckt, in der sie am Anfang mit Doppelmaske im Stil des Kabuki-Theaters auf die Bühne getreten war. Das Musikerduo Elena und Paul Cristian – dieses Mal hatten die Violonistin und der Pianist die musikalische Begleitung auf Band gespielt – blickt von einer letzten Videoeinspielung auf die Bühne, voyeuristisch amüsiert. Das Publikum zollt zaghaft Beifall, unsicher, ob das nun das Ende ist. Der Beifall wird lauter und begeisterter und schließlich gibt es Stehapplaus. Allerdings bleibt das Ende offen: Der Epilog, der eigentlich im Falle von literarischen Werken ein ,,erläuterndes Nachwort“ darstellt, überlässt dem Publikum die Aufgabe, sich auch nach dem Verlassen des Theaters mit dem Stück auseinanderzusetzen.
Die Videofilme, die Puchianu selbst nach eigener Aussage ,,auf Spazierwegen und ums Haus herum gemacht“ hat und ihre eigenen auf Band gesprochenen Gedichte hat ihr Kollege Robert Gabriel Elekes zu einer Collage zusammengestellt.
Das neue Werk Marke Puchianu überzeugt und ist hoffentlich bald auch auf anderen Bühnen zu sehen und zu hören.
Beatrice UNGAR