,,Immer vom Objekt ausgegangen”

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Rumänische Fassung des Bandes ,,…skoro damoi!“ im Spiegelsaal vorgestellt

Ausgabe Nr. 2783

Buchvorstellung im Spiegelsaal des Forums (v. l. n. r.): Benjamin Jozsa, Irmgard Sedler,  Alexandru Constantin Chituță und Ruxandra Stănescu.                                                     Foto: Werner SEDLER

 

Zu klein war der Spiegelsaal am vergangenen Mittwochnachmittag bei der Vorstellung des Buches „Skoro damoi! Speranță și disperare. Deportarea sașilor din Transilvania în lagărele sovietice de muncă, 1945-1949”, das dieses Jahr im Honterus-Verlag erschienen ist. Das Buch wurde aus dem Deutschen übersetzt und im Beisein der Autorin, Dr. Irmgard Sedler vorgestellt.

Seitens des Deutschen Forums und auch des Honterus-Verlags begrüßte Geschäftsführer Benjamin Józsa die Gäste und sprach über die Bedeutung der Tatsache, dass dieses Buch auch in die rumänischer Sprache übersetzt wurde. Am Ende erklärten auch viele Besucher ihr Interesse an einer Neuauflage der deutschen Originalfassung.

Alexandru Constantin Chituță ergriff danach das Wort als derjenige, der die Idee hatte, „Skoro damoi” ins Rumänische zu übersetzen. Dabei erklärte er, dass der Band nicht einfach ein klassischer Ausstellungskatalog ist, sondern eine Sammlung von Material, die sich über vier Jahrzehnte erstreckt hat. Dabei erinnerte er sich, dass die Autorin, Dr. Irmgard Sedler, damals als Mitarbeiterin des Brukenthalmuseums bereits in den 1980-er Jahren Informationen zur Deportation der Siebenbürger Sachsen gesammelt hat, um dann, viele Jahre später, eine besondere Ausstellung in Gundelsheim ins Leben zu rufen.

Im Anschluss sprach Dr. Irmgard Sedler über ihr Werk: „Der wesentliche Punkt ist, dass die in diesem Buch festgehaltenen Informationen über dieses sehr komplexe Phänomen – die Deportation von Volksdeutschen in die Sowjetunion in den Jahren 1945 bis 1949 – immer vom Objekt ausgehen. Der Band enthält Archivrecherchen, Interviews, Briefe aus den Lagern, Fotos, die den Lageralltag, den Hunger, den Mangel an Kleidung, die Arbeit in den Minen, den Tod, aber auch den Kontakt mit der russischen Zivilbevölkerung, den Zwangstransport der Kranken in die sowjetische Zone in Deutschland und von dort den oft illegalen Grenzübertritt derjenigen, die nach Hause zurückkehren wollten, illustrieren. Ich habe die Fotografie als Vermittler zwischen der Realität vor Ort und dem Bewusstsein desjenigen, der bleibt, eingesetzt.” Dabei sprach die Autorin auch besonders die Fotos der Deportierten an, die oft lächelnde Menschen zeigen – die Begründungen dafür sind auch im Buch ausgeführt.

Danach las Dr. Irmgard Sedler ein paar Abschnitte aus dem Buch vor, um  einige ihrer Aussagen anschaulich darzustellen.

Irmgard Sedler: ..skoro damoi! Speranță și disperare. Deportarea sașilor din Transilvania în lagărele sovietice de muncă, 1945-1949”, Honterus-Verlag Hermannstadt 2022, 312 Seiten, 978-606-008-115-9.

Wie wichtig es sei, dass diese Erinnerungen auch dem rumänischen Publikum zugänglich gemacht worden sind, erläuterte auch die Übersetzerin Ruxandra Stănescu, die sich bei Irmgard Sedler und Benjamin Józsa für diese Zusammenarbeit bedankte. Dabei plauderte sie aus dem Nähkästchen und erzählte, dass die Autorin jedes einzelne Exponat und dessen Geschichte im Gedächtnis hat – wobei von Hunderten von Objekten und Geschichten die Rede ist.

Über ihre Erfahrungen zum Thema sprachen auch Prof. Dr. Zeno-Karl Pinter, Dr. Răzvan Pop, Dr. Alexiu Tatu, Dr. Vasile Ciobanu und Onuc Nemeș Vintilă.

Organisiert wurde die Buchpräsentation vom Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen, dem Brukenthalmuseum, dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim und dem Kulturverein „Octavian Smigelschi”.

Mit einer Autogrammstunde und einem Glas Wein wurde die Runde beendet. Der Band soll des Weiteren auch in Bistritz vorgestellt werden.

Die Verlegerin Renate Brandes, berichtete bereits in der Hermannstädter Zeitung über die deutsche Fassung, die übrigens beim Verlag nicht mehr zu kaufen ist (und deren Kauf bei Gelegenheit nicht verpasst werden sollte): „Im Januar 2021 ist der Ausstellungskatalog ,Skoro damoi!‘ erschienen, ein gewichtiges Werk, das mehr ist als ein Ausstellungskatalog. Auf 312 Seiten thematisiert die Publikation das Deportationsgeschehen siebenbürgisch-sächsischer Männer und Frauen in die Arbeitslager der Sowjetunion im Zusammenhang mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Neben knapp 200 Materialzeugnissen, die an Einzelschicksale der Deportierten gebunden sind, belegen Zeitdokumente, Tagebücher und Briefe die historischen Ereignisse in ihrem chronologischen Ablauf vom Beginn der Deportation über das Lagerleben im Zeichen von Hunger, Tod und Hoffnung bis hin zur Odyssee der Rückkehr und der Integration der Überlebenden in die kommunistische Gesellschaft Rumäniens nach 1949.

,Skoro damoi‘, die stetig wiederkehrende Aussage von der baldigen Heimkehr der aus Siebenbürgen in die russischen Arbeitslager Verschleppten, verdichtete sich in den Lagergemeinschaften im Donbass, im Ural und in Sibirien anfangs zur Chiffre von kräftemobilisierender und lebenstragender Hoffnung, um später, als propagandistisches Heimkehrgerücht entlarvt, zum Ausdruck von Enttäuschung, Resignation, gar Verzweiflung zu gerinnen. Mit diesem Titel aus der Sphäre des Emotionalen verweist die Ausstellung nur auf einen Hauptaspekt im Kontext der drei wichtigen Präsentationsebenen – das subjektiv erlebte Deportationsgeschehen.

Den Leitfaden stellen hierbei auf einer zweiten Präsentationsebene die historischen Fakten. Das sind die Ereignisse in ihrem chronologischen Ablauf rund um die Verschleppung siebenbürgisch-sächsischer Männer und Frauen in die Arbeitslager der Sowjetunion im Zusammenhang mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Aufgrund des Beschlusses des Staatskomitees für Verteidigung der UdSSR vom 15. Dezember 1944 und des Geheimbefehls 7161 wurde ,die Mobilisierung und Internierung aller arbeitsfähigen Deutschen – Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen von 18 bis 30 Jahren –, die sich auf den von der Roten Armee befreiten Territorien Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der Tschechoslowakei befinden, sowie deren Verbringung zur Arbeit in die UdSSR‘ angeordnet und vollzogen. Ca. 70.000 rumänische Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit wurden ab dem 13. Januar 1945 in die Arbeitslager der Bergwerkregionen im Donezbecken, des Ural und Westsibiriens verschleppt, darunter knapp 30.000 Sachsen, wovon etwa 12 % dem Hunger- und Erschöpfungstod zum Opfer fielen.

Eine dritte Ebene gewährt dem Besucher anhand ca. 100 geschichte(n)-beladenen Objekten und Fotografien den materialkulturellen Zugang zum damaligen Geschehen. Schließlich dokumentieren sie die Heimkehr nach Siebenbürgen und die „Verstreuung der Heimkehrer in Deutschland, Österreich, Kanada…“ (Mathilde Sch., Haschagen) sowie die Integration der Rückkehrer in die kommunistische Gesellschaft Rumäniens nach 1949.“

R. S.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher, Geschichte.