Es hieß einmal Alburnus Maior

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Ausgabe Nr. 2734

Ein Besuch im neuen UNESCO-Weltkulturerbe Roșia Montană/Goldbach

Beim Besuch in den ehemaligen Stollen des Goldbergwerks.
Fotos: die Verfasserin

Bei einem Spaziergang durch Roșia Montană (deutsch: Goldbach, ungarisch: Verespatak, lateinisch: Alburnus Maior) erinnert kaum noch etwas an den früheren Reichtum der Ortschaft und an die Suche nach Gold. Verfallene Häuser, Plattenbauten aus der Zeit des Kommunismus und ein kleiner Einkaufsladen im Zentrum prägen das Bild des am Fuße des Westgebirges in Rumänien auf 850 m. ü. M. liegenden Vorortes der gleichnamigen Gemeinde. Es scheint, als wäre die Zeit vor 30 Jahren stehen geblieben.

 

Doch Goldbachs Geschichte reicht bis zu 2000 Jahre zurück. Bereits die Daker begannen mit dem Bau erster Minen und stießen dort auf wertvolle Bodenschätze. Mit der Eroberung der Gebiete durch die Römer begann schließlich der systematische Goldabbau in der Provinz Dacia. 131 n. Chr. wurde die Ortschaft unter dem Namen Alburnus Maior erstmals urkundlich erwähnt. In Rumäniens Enzyklopädischem Lexikon (Enciclopedia României) ist zu lesen, dass in der Blütezeit des Goldabbaus in der Antike 20.000 Arbeiter in den Minen beschäftigt gewesen seien, die pro Jahr 4.000 kg Gold nach Rom schickten. Bis heute konnte man 7 km der 140 km langen Galleriesysteme als römisch zuordnen. So zeichnete sich eine der bedeutendsten und ältesten Goldlagerstätten Europas auch als finanzielle Stütze Österreich-Ungarns sowie des späteren unabhängigen Rumäniens aus. Arbeiter aus Deutschland, Österreich und Ungarn strömten in die Region, die auch heute noch durch ihre Plurikulturalität geprägt ist. Im Kommunismus kam es schließlich zur Verstaatlichung der Minenbetriebe, dem traditionellen Goldabbau wurde somit ein Ende beschert. Im Jahre 2006 wurde der Betrieb in den Minen eingestellt.

Besuchern dieser Stätte werden heutzutage Führungen eines Minengeländes angeboten, bei denen man in die 7 Grad Celsius kalten Galleriesysteme herabsteigen und sich auf die Spuren der Vergangenheit begeben kann. Außerdem erhält man die Gelegenheit, sich weitere Ausstellungsstücke anzuschauen. Dennoch gibt es noch viel Potential, den Besuch der Bergbaustätte für Touristen in Zukunft attraktiver zu gestalten. Ein Gang durch die Stadt lässt heruntergekommene Häuser aus der Zeit des Goldrauschs erkennen. Genauso wie in den amerikanischen Goldgräberstädten entstand auch in Goldbach ein Casino, das die jungen Leute mit „Gold am Schuh” besuchten, behauptet der Guide auf dem Minengelände. Aber nicht nur aufgrund des historischen Wertes lohnt sich ein Besuch in Goldbach, sondern auch aufgrund der landschaftlichen Vielfalt und Biodiversität der Region, die Wander- und Naturfreunden viel zu bieten hat. Jedoch plant die Roșia Montană Gold Corporation in der Region den Tagebau zu fördern, wodurch die größtenteils naturbelassene Landschaft zu verschwinden droht. Laut einer Anwohnerin solle beispielsweise der markante Felsen – Piatra Corbului(Rabenstein) – in naher Zukunft Opfer dieser Bestrebungen werden. Sie ist eine der wenigen Einheimischen in dem zu Goldbach gehörenden Dorf Corna, welche ihren Hof noch nicht an die RMGC verkauft hat und dort eine Pension (Cabana Piatra Corbului) eingerichtet hat. Sowohl die antiken Minen als auch alten Häuser der Stadt stehen dem Projekt der RMGC im Wege, weshalb es Pläne zur teilweisen Zerstörung dieses Erbes gibt. Bereits 2013 begannen landesweite Proteste gegen das Vorhaben und das aggressive Vorgehen der RMGC.

Der ,,Piatra Corbului“ genannte Kalksteinfelsen ist ein Überbleibsel aus der Kreidezeit.

Aufgrund der komplexen und einzigartigen Einblicke in die Entwicklung des Bergbaus aus römischer bis kommunistischer Ära erklärte die UN-Kulturorganisation UNESCO Goldbach im Juli 2021 zum Weltkulturerbe – als Schlusspunkt eines jahrelangen Prozesses, der bereits 2002 begann. Gleichzeitig setzte man die Bergbaulandschaft auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes der Menschheit. Laut Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Entwicklung in der Region. Alle an den Protesten Beteiligten hoffen nun, dass dieser Beschluss der UNESCO einen Schlussstrich unter das kontroverse Vorgehen der RMGC setzen dürfte.

Christina HÜBERS

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein, Gesellschaft.