Klaus Hübner hält Laudatio auf Iris Wolffs Lebenswerk
Ausgabe Nr. 2731
Mit „Dermaleinst, anderswo und überhaupt“ erschien heuer der letzte Band der Tetralogie von „Kein Twitter, kein Facebook. Von Büchern, Menschen und Bildern“ von Klaus Hübner. Am Donnerstag, den 1. Juli, stellte der Literaturkritiker und Autor Texte aus seinem Werk im Rahmen einer Online-Lesung vor, die von Christina Meinusch, M. A., der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, in Kooperation mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München (IKGS)durchgeführt worden ist.
Thematisierten die ersten drei Bände noch vorwiegend deutschsprachige Literatur aus dem mitteleuropäischen Raum, unternimmt der letzte Band einen Exkurs vom Sudetenland über die Karpaten bis nach Taiwan. Unterwegs macht Hübner auch in Siebenbürgen halt und ehrt die gebürtige Hermannstädterin Iris Wolff mit einer Laudatio auf ihr literarisches Schaffen.
„,Kein Twitter, kein Facebook. Von Büchern, Menschen und Bildern‘ in vier Bänden ist einerseits natürlich eine Art Bilanz meiner Arbeit der letzten 20 Jahre“, eröffnete Klaus Hübner seine Online-Lesung. „Andererseits habe ich mich auch bewusst für das Medium Buch entschieden.“ Es sei ein Faktum, dass heutzutage weitaus weniger Bücher und vor allem weniger literarische Texte gelesen würden. „Das verheißungsvoll und schön klingende Wort ,Sprachkunstwerk‘ hört sich heute sehr gestrig an. Wer ist schon neugierig auf Sprachkunstwerke? Und um die Schraube weiter zu drehen: Wer liest heute überhaupt noch Bücher über Bücher?“ zitierte der Literaturkritiker aus dem Vorwort seiner vierteiligen Reihe.
Die Tetralogie versucht, dem vermeintlichen Sterben des gedruckten Wortes sowie dem nachlassenden Interesse an Sprachkunstwerken zu trotzen. In der umfangreichen Sammlung von Interviews mit Literaten, literarischen Essays, Künstlerporträts, Glossen und Rezensionen nimmt Hübner seine Leserschaft mit auf einen Exkurs durch die literarische Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Im vierten und letzten Band, „Dermaleinst, anderswo und überhaupt“, reist er weiter: durchs Sudetenland, über die Karpaten, entlang der Donau, und mitunter auch bis ans andere Ende der Welt nach Taiwan.
Während der Online-Lesung standen zwar Hübners Texte mit Bezug zu Böhmen, Mähren und Schlesien im Fokus, jedoch ließ er sich einen Abstecher nach Siebenbürgen nicht nehmen. „Was auf jeden Fall sein muss“, so Hübner, „ist, auf eine Autorin hinzuweisen, die heute vielleicht eine der besten deutschen Autorinnen ist: Iris Wolff.“
Iris Wolff wurde 1977 in Hermannstadt geboren und verbrachte ihre Kindheit in Siebenbürgen und im Banat. 1985 wanderte sie gemeinsam mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Nach ihrem Studium der deutschen Sprache und Literatur, Theologie sowie Grafik und Malerei an der Phillips-Universität Marburg arbeitete sie für das Deutsche Literaturarchiv Marbach. 2012 erschien ihr Debüt-Roman „Halber Stein“ im Otto Müller Verlag.
In seiner Laudatio auf Wolffs Lebenswerk lobt Hübner die gebürtige Hermannstädterin für ihren „auf scheinbare Kleinigkeiten und merkwürdige Zwischenzustände gerichteten poetischen Blick, und dessen kongeniale Umsetzung in Sprachmelodie und Satzrhythmen.“ Passagen wie „Heimat ist vielleicht dazu da, verlassen zu werden. Heimat ist vielleicht nicht Ziel des Bleibens, sondern Ziel des Gehens.“ zeigen Hübner zufolge, dass es sich hierbei nicht um eine literarische Stimme aus dem Rumänien des 20. Jahrhunderts handle. Ein solches Verständnis von Heimat werde man bei Hans Bergel, Herta Müller oder Joachim Wittstock nicht finden; es sei vielmehr „eine neue Stimme, eine Stimme des 21. Jahrhunderts.“
Vor allem der Klang dieser Stimme ist ein besonderer: „Was die Faszination von „Halber Stein“ ausmacht und sich in den folgenden Romanen noch verdichtet, noch präziser und noch filigraner wird, das ist, wie ich es nennen möchte, der Wolff-Sound, ein in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur einzigartiger, unverwechselbarer Klang.“
Tobias LEISER