Erinnerungen an den jüngst verstorbenen Universalkünstler Arik Brauer
Ausgabe Nr. 2707
An seinem Haus in Israel ging ich all die Jahre vorbei und klopfte nie an. Auf der Wiese davor stehen die alten knorrigen Olivenbäume, die Blumen blühen im Frühjahr prächtig. Das Dorf ist Ein Hod, das Künstlerdorf, unweit von Haifa. Marcel Iancu, der Dada-Künstler aus Bukarest und Paris, der sich bereits 1941 nach Palästina rettete, gründete 1953 das Künstlerdorf. Ach, ich begann mit dem Haus, an das ich nie geklopft habe. Es ist das Haus des Wiener Künstlers Arik Brauer. Sie alle kennen Arik Brauer, den Künstler vieler Genres aus Wien. Eine große Ausstellung, war 2019 zu seinem 90. Geburtstag, im Jüdischen Museum in Wien zu sehen. Ein künstlerisches Lebensbild erster Klasse wurde großartig kuratiert von Danielle Spera und Daniela Pscheiden.
Ein Gassenbub war er nicht, doch er, der Ottakringer Bub mit jüdischen Wurzeln, spielte mit anderen auf der Gasse und begann beizeiten zu malen, wenn er beim Vater in der Schuhmacherwerkstatt seine Zeit verbrachte. Simche Mosche und Hermine Brauer waren die Eltern und versorgten ihre Kinder gut, wie er später sagt. Von einer wunderbar-fantastischen Kindheit in Ottakring schwärmt der inzwischen neunzigjährige Künstler. Später beim Religionsunterricht kam er in eine andere Welt, hat sein Inneres aber nicht umgekrempelt und die Buben, die mit ihm Fußball gespielt und sich in Banden zusammengerottet hatten, ließen ihn plötzlich links liegen. Im Turnertempel sang er mit seiner schönen Stimme. Der Vater kam aus Vilnius nach Wien und gründete eine Familie. Er wollte vor den Nazis sein Leben retten und floh 1939 nach Riga. Ihn, den Vater, sah Erich 1939 zum letzten Mal. Im KZ Kaiserwald in Riga wurde er umgebracht. Ein berührendes Bild des Vaters malte Arik 1983/84 und schrieb dazu: „Als die Herrschaft der Nationalsozialisten zu Ende war, suchten wir unseren Vater. Wir fanden einen Überlebenden, der uns folgendes sagte: Im Winter 1944 sah ich Simon Brauer in einem Todeslager. Er stand im Schnee, hatte eine Decke umgehängt und erwartete gefasst sein nahes Ende.“ Als „Geltungsjude“ überlebt Erich Brauer in Wien. Religiös wurde er, doch nicht gläubig. Als die Synagogen brannten und die Geschäfte in Wien geplündert wurden, rettete ihn eine alte Antisemitin.
Beim Malen blieb es nicht, das Tanzen in Wien und Paris kam hinzu, die Bühnenbilder und Kostüme für die Theater- und Opernbühnen in Wien und Paris kamen hinzu, die Bildhauerei und das „Häuslbauen“, die Möbel entwarf er gleich dazu und vieles mehr. Zum Wiener Weltstar avancierte er. Das Alte Testament, die biblischen Geschichten, die Erzählungen von Karl May und anderen sind Grundlagen und Inspiration seiner „surrealistischen Kunst“, seines „Phantastischen Realismus“, doch ohne eigene Ideen und Phantasien ist diese Vielfalt an Geschaffenem nicht denkbar. Nicht jeder wird Arik Brauers Kunst verstehen, aber man kann sie verstehen lernen. Auch Vater des Austropop wird er genannt. Die weltberühmte „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“, wurde in den 1950er Jahren in Wien von anerkannten Künstlern gegründet. Zu den Hauptvertretern der Vereinigung zählen u.a. Arik Brauer und Ernst Fuchs, mit dem er bis zu dessen Lebensende befreundet war.
Nach Israel zog es den jungen Erich, wo er Naomi Dahabani, der jemenitischen Jüdin begegnete, 1957 verschickten sie ihre Einladungen zur Hochzeit. Der Name Arik wurde mit der Heirat geboren. „Ich kenne niemanden außer Naomi und mir, die 62 Jahre krisenfrei und glücklich verheiratet sind“ (A. B.).
Auf Pariser und Wiener Bühnen tanzten beide in jungen Jahren. Die vielen Dokumente zeigen es, auch Interviews und kleine Filme sind in so manchen Ecken der Ausstellungsräume zu sehen. Zeit sollte man haben, Zeit sollte man sich nehmen, um die opulente Ausstellung mit den vielen Texten des langen Künstlerlebens von Arik Brauer zu verstehen.
Naomi, die drei Töchter und die Enkelkinder zieren den Sabbattisch in Wien in der hochherrschaftlichen Villa oder im selbstentworfenen und künstlerisch gestalteten Haus in Ein Hod im Carmelgebirge. Künstlerisch zelebriert wird der Sabbat von Arik Brauer, stilistisch von seiner Frau Naomi.
Beim Besuch der großen Ausstellung 2019 im Jüdischen Museum in Wien staunte ich über die Vielfalt des genialen Wiener Künstlers Arik Brauer. Wenn Sie Haifa in Israel besuchen, werden Sie begeistert sein vom „Kastra“ dem Kultur- und Einkaufszentrum mit den von ihm geschaffenen reichhaltigen Motiven. Arik Brauer sagt dazu: „Der Gebäudekomplex wurde von mir gemeinsam mit einem Architekturbüro entworfen. Die auf Überglasur gemalten und gebrannten Wandbilder stellen Motive aus dem Alten Testament dar in einer Gesamtfläche von 507 qm. Die Figuren und Kuppeln sind aus Beton gegossen und mit Keramikmosaik überzogen. Die kleineren Details der Figuren sind modelliert, gebrannt und glasiert“.
Arik Brauer ist am 24. Januar 2021 im Alter von 92 Jahren verstorben.
Christel WOLLMANN-FIEDLER