Der sitzende Jakobsweg

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Online-Premiere des Deutschen Staatstheaters Temeswar

Ausgabe Nr. 2701

Niko Becker, als Georg Karner, in „Après Ski – Ruhe da oben!“   Foto: Cynthia PINTER

Was würden Sie tun, wenn Sie am Ende eines Skitages in einem Sessellift vergessen werden? Würden Sie springen? Oder doch warten? Georg Karner spricht aus Verzweiflung mit einem Uhu über sein Leben. Die Premiere des One-Man-Theaterstücks „Après Ski – Ruhe da oben!“ von Klaus Eckel wurde am Freitag, dem 27. November, vom Deutschen Staatstheater Temeswar online gesendet. Die Vorstellung nach einem Konzept von Niko Becker, der auch die Hauptrolle in der Komödie übernahm, wird am Samstag, dem 19. Dezember, ab 19.30 Uhr, wiederholt.

 

„Die können mich doch nicht hier hängen lassen!“, ist der erste Gedanke Georgs, der mit seinen neuen „Fun-Curver-Skiern“ seine erste „Sessellift-Depression“ erlebt, als er feststellt, dass die Anlage einfach stehengeblieben ist und er allein, in voller Skimontur, in 23 Metern Höhe über der Skipiste sitzengelassen wurde.

Das Handy fällt vom Sessellift herunter und Georg bleiben nur noch die Selbstgespräche. „Was kann ich da jetzt machen? 14 Stunden, kann ich das aushalten? Kann ich aus der Jacke einen Fallschirm bauen? Überleben werd ich das, oder?“

Mit seinen Gedanken allein gelassen und mit nur einem Uhu als Kompagnon wird sich Georg seines Lebens bewusst: „Weißt du, Uhu, eigentlich gehöre ich gar nicht hierher, eigentlich sollte ich jetzt beim Galaessen der Unipharma sitzen, neben dem Dr. Meissner und einem Haufen betrunkener Ärzte. Nicht zum Spaß, sondern für die Karriere. Weißt du Uhu, ich entwerfe Logos für Abführmittel und Erektionshilfe. Ich peitsche mich tagtäglich bei Unipharma aus, starre den ganzen Tag wie ein Hypnotisierter auf den Bildschirm und fall nach 100.000 Mausklicks erschöpft ins Bett. Und warum? Damit wir endlich das bisschen größere Reihenhaus, mit dem bisschen größeren Garten, in der bisschen besseren Gegend kaufen können.“ Er erinnert sich an seine wahren Wünsche, an seine Träume und merkt, wie sein Leben in einer langweiligen Durchschnittlichkeit vor sich hinplätschert. Doch diese Nacht im Sessellift ist alles andere als durchschnittlich für Georg.

Und wie in jeder Beziehung folgt auch im Sessellift nach Verzweiflung und Depression die Akzeptanz: „Das ist der sitzende Jakobsweg. Andere zahlen Geld dafür.“

Situationskomik, sowie Wortspiele sorgen für viel Witz und machen die One-Man-Show zu einer sehenswerten Komödie. Dazu trägt in erster Linie der junge Schauspieler Niko Becker bei, der mit „Après Ski – Ruhe da oben!“ sein Bühnendebüt als Regisseur feiert.

Nicht zuletzt ist das Theaterstück deshalb empfehlenswert, weil wir uns alle mit Georg identifizieren können, denn wie es im beschreibenden Text des Theaterstücks heißt: „Wir alle sind ein bisschen wie Georg Karner. Sklaven der modernen Zivilisation, mit einer dieser entsprechenden Lebenseinstellung. Aber was sind unsere wahren Wünsche? Und wie sehr haben wir uns von ihnen auseinandergelebt? Machen wir wirklich etwas aus unserem Leben, oder macht das Leben aus uns unglückliche  und materialistische Durchschnittsmenschen? Eine einsame Nacht auf einem Sessellift kann einem wirklich die Augen öffnen.“

Cynthia PINTER

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.