Der Verein Gesellenherberge hat Projekt für benachteiligte Kinder organisiert
Ausgabe Nr. 2690

Fleißig schmiedeten die Jungen aus Thalheim schöne Erinnerungen vor der Gesellenherberge.Foto: Privat
Wenn der Meister keinen Spaß an seinem Handwerk findet, wird auch seinen Lehrlingen das Handwerk nicht richtig am Herzen liegen. Diese Erfahrung haben die Mitarbeiter des Vereins Gesellenherberge (Casa Calfelor) in den letzten Jahren gemacht und beschlossen, diesem ein bisschen entgegen zu wirken. Dementsprechend haben sie das Projekt „Wir unterstützen Identitäten, wir schaffen Gemeinschaften” ins Leben gerufen. Darüber sprach mit Anda Ghazawi, der Programmkoordinatorin des Vereins, die HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u.
Worum ging es in Ihrem Projekt?
Unser Projekt „Wir unterstützen Identitäten, wir schaffen Gemeinschaften” befindet sich auf der Agenda für Gemeinschaft und Jugend des Hermannstädter Bürgermeisteramtes und hat in der Zeitspanne 1.-13. September stattgefunden.
Unser Projekt war ein bisschen anders geplant, wurde im Kontext der Corona-Pandemie umgedacht und wir haben uns auf das Wesentliche konzentriert: Bei Kindern aus sozial schwachen Familien das Interesse für eines der Handwerke zu wecken, indem wir ihnen diese von begeisterten Handwerkern präsentieren lassen. Aus Sicherheitsgründen haben wir auf einen Workshop und ein Konzert mit Roma-Musik verzichtet.
Wer hat das Projekt finanziert?
Hauptsächlich das Hermannstädter Bürgermeisteramt. Natürlich haben wir als Organisatoren auch einen Eigenbeitrag geleistet.
Welche Tätigkeiten waren im Angebot?
Wir haben mit Kindern aus sozial schwachen Familien aus Hermannstadt, Rothberg/Roșia und aus dem Kinderheim in Thalheim/Daia an sechs Tagen Werkstätte organisiert, da wurde fleißig gebacken und geschmiedet. In einer Küche eines Restaurants in Hermannstadt haben die Kinder gelernt, wie man ein Menü aufstellt, dann haben sie gemeinsam die Zutaten eingekauft und daraus Kuchen und Pizza gebacken. Die größte Begeisterung gab es dann aber für die Pizza, die sich jeder nach Lust und Laune gestalten konnte.

Nach dem Pizzabacken vor der Pizzeria noch schnell ein Foto gemacht.Foto: Privat
Über Pizza können Sie ein Liedchen singen…
Ja, eine Pizza in einer Pizzeria essen war natürlich einer der wichtigsten Punkte des Tages für die Kinder. Pizza und Eis gab es für alle Kinder, und sie haben sich unglaublich darüber gefreut. Davon erzählen sie bestimmt auch noch lange… nicht nur über die Werkstatt.
Pizza gab es also auch für diejenigen, die nicht gekocht haben?
Parallel zu den Bäckereiwerkstätten hat die Schmiedewerkstatt mit Gesellen und ehemaligen Gesellen von der Gesellenherberge stattgefunden und natürlich hatte man dann auch zusammen gegessen. Die Kleinsten haben ein Schmuckstück gebastelt – ein Armband aus einer Gabel. Die größeren Kinder haben dann richtig geschmiedet, das Eisen ins Feuer gelegt, es geschlagen… was alles dazu gehört. Die Kinder waren sehr beeindruckt von den Gesellen und von ihrem Enthusiasmus für die Schmiedekunst.
Hat Ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht?
Wie gesagt, unser Programm wurde ein bisschen geändert, aber es war nicht so schlimm. Weil wir wussten, dass wir mit Kindern aus benachteiligten Gegenden arbeiten, hatten wir schon lange vor der Pandemie auch einen Hygienekurs eingeplant, den haben wir dann nur ein wenig erweitert. Für sie war auch geplant, dass sie einen vollständigen Kulturbeutel erhalten – von Zahnbürste bis Duschgel – hinzu kamen eben auch Händedesinfektionsmittel und eine Maske.
Wie kam es zu dem Projekt?
Wir machen leider in Rumänien – und wahrscheinlich nicht nur hierzulande – sehr oft die Erfahrung, dass die Handwerke keinen guten Ruf haben. In die Berufsschule kommen leider hauptsächlich Kinder, die sehr schwache Schulergebnisse haben, aus welchem Grund auch immer. Dort machen sie eventuell einige Wochen ein Praktikum mit einem überforderten oder gelangweilten Werkstattleiter und die Chancen liegen da praktisch bei Null, Enthusiasmus dafür zu entwickeln. Und leider haben wir auch feststellen müssen, dass auch ein talentierter und interessierter Lehrer oft auch einfach nicht arbeiten kann, weil ihm das Rohmaterial fehlt, dass er dieses aus der eigenen Tasche kaufen müsste, weil ihm dafür unzureichende Fonds zur Verfügung stehen. Und da wollten wir den Kindern zeigen, dass man ein Handwerk auch mit Freude und Leidenschaft ausüben kann, nicht nur, um Geld zu verdienen.
Wie fanden die Kinder die Handwerke?
Einfach nur toll. Und natürlich fanden die Kinder die Gesellen sehr cool. Die Jungen aus Thalheim würden übrigens gerne öfters in eine Schmiedewerkstatt arbeiten.
Wie fanden Sie das Projekt?
Genauso toll. Wir haben uns sehr gefreut zu bemerken, dass man die Kinder eigentlich sehr leicht begeistern kann. Ich denke, wir haben unsere Ziele alle erreicht.
Wie soll es weiter gehen?
Wir denken, dass man so etwas regelmäßig organisieren müsste, um wirklich nachhaltig wirken zu können. Vielleicht schaffen wir es, zumindest in den wärmeren Monaten, solche Kurse monatlich zu organisieren. Ich denke, Konstanz ist in diesem Bereich wichtig. Wir bräuchten natürlich auch Partner, damit wir regelmäßig unterschiedliche Handwerke vorstellen. Wir haben uns bereits Gedanken darüber gemacht, mal sehen, was daraus entsteht. Ein Folgeprojekt soll da aber kommen, hoffentlich was Größeres. Denn es war zum Beispiel nicht einfach, nur einen Teil der Kinder mitzunehmen, dann fragen sich die anderen natürlich, warum sie nicht ausgewählt wurden. Vielleicht können wir das demnächst für mehr Kinder anbieten. Übrigens, wir sind offen für jede Menge Vorschläge und Kooperationen.
Herzlichen Dank.