Das 27. Internationale Hermannstädter Theaterfestival fand im Netz statt
Ausgabe Nr. 2678
Der Regen hat auch das diesjährige Internationale Theaterfestival aus Hermannstadt komplett begleitet, so wie man das als Hermannstädter seit Jahren kennt. Diesmal hat es allerdings gepasst, denn die Lockerungsmaßnahmen während der Corona-Pandemie hätten vielleicht viel mehr Hermannstädter aus dem Haus gelockt. So konnte man sich gemütlich vor dem Fernseher, Tablet oder Handy kuscheln und ein schönes Theaterstück online sehen. Doch nicht nur Hermannstädter zählten heuer zu den über 1,5 Millionen Zuschauern, denn die meisten Stücke waren weltweit kostenlos zu sehen. Wer diese 27. Auflage verpasst hat oder ein Stück nochmals sehen will, hat gute Chancen, denn die Stücke werden wieder gesendet.
Zwar fehlten die ganzen Emotionen, die ein „normales” Theaterfestival auslöst, dafür konnte die diesjährige Auflage in „kalten” Ziffern beschrieben werden: „Zehn Tage lang verzeichnete unser Festival 217.918 Einzelbesucher aus über 100 Ländern, mit einer Anzahl von 804.328 Visualisierungen der Aufführungen von Theater, Tanz, Musik, Oper, zeitgenössischem Zirkus, Outdoor-Vorstellungen, Kindershows, die auf unserer Website und auf der Facebook-Seite gezeigt wurden. Auf beiden Hauptkommunikationskanälen von FITS (Webseite und Facebook) wurde eine Reichweite von 1.512.243 Personen verzeichnet”, erklärten die Organisatoren und stellen fest, dass die Zahlen nicht schlecht sind für ein Festival, das in knapp zwei Monaten organisiert wurde.
Nicht nur die Theaterstücke, auch die Konferenzen und Dialoge fanden ihre Zuschauer. Die Dialoge wurden im Laufe der letzten Monate von Constantin Chiriac mit seinen Gästen geführt. Spezielle Konferenzen wurden auch gesendet, mit Gästen aus der ganzen Welt, die zum Teil in den letzten Jahren im Rahmen des Festivals aufgetreten sind oder Produktionen gezeigt haben.
Die Kinder wurden auch nicht vergessen, Schauspieler Marian Râlea begrüßte sie jeden Morgen als Gäste seiner fünfminütigen Aufführungen.
Sehr gut gefilmt waren viele der Theaterstücke, die gezeigt wurden, auch gut zu hören waren sie, so dass bei den klassischen Stücken viel weniger verloren ging als bei den Straßenshows. Zu gerne hätten die Zuschauer die riesigen Puppen der Franzosen der Compagnie Oposito auf dem Großen Ring und in der Heltauerstraße gesehen. „Kori Kori”, ein Film nach einer Show von Jean-Raymond Jacob, in der Regie von Philippe Lachambre ließ den Wunsch offen, die Entertainer auch mal live zu erleben.
Am zweiten Wochenende des Festivals wurde auch die „Geschichte der verrufenen Prinzessin” (Povestea prințesei deocheate) gezeigt, die in der Regie von Silviu Purcărete von den Hermannstädtern gespielt wird. Als Zuschauer hatte man auch Zeit, die richtig faszinierenden Kostüme und das Make-Up der Schauspieler zu bewundern, was in einem Saal oft im Hintergrund bleibt.
Ganz in Ordnung waren die Leseveranstaltungen, die auch im Rahmen des „normalen” Festivals eher ruhige Events sind. FITS in Zusammenarbeit mit dem Hörtheater-Studio Teatrul Național Radiofonic präsentierten am Samstag Mittag das aus dem Französischen übersetzte Stück „Sulki und Sulku führen intelligente Konversationen” des Dramaturgen Jean-Michel Ribes, der 2018 in Hermannstadt zu erleben war.
Am letzten Festivalstag überraschte wie gewöhnlich der in Wien lebende Tänzer und Choreograph Ziya Azazi mit seiner Aufführung ,,Neo Dervish“, die Beschleunigung als Mittel zur Entschleunigung anbietet und dabei alle Register zieht. Diese Darbietung wurde vom Österreichischen Kulturforum angeboten, ebenso am Abend Robert Wilsons Inszenierung des ,,Messiah“ von Georg Friedrich Händel in der 1789 erfolgten Bearbeitung von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 572). Die Premiere hatte am 23. Januar d. J. im Rahmen der Mozartwoche in Salzburg stattgefunden, unter der musikalischen Leitung von Mark Minkowski. Der US-amerikanische Regisseur zeichnet dabei auch für Bühnenbild und Licht und schafft surreale Bilder. Wilson schreibt im Programmheft: „Religion hat keinen Platz im Theater. Religion gehört in die Kirche“. Es geht dem Regisseuren darum, die der Musik innewohnende Kraft in starken Bildern auszudrücken.
Ein weiteres Highlight am Sonntag war die Aufführung des Sankt Petersburger Nebolshoy Dramatheaters mit Anton Tschechows ,,Der Kirschgarten“. Regisseur Lev Erenburg konzentiert alles in einen Raum und setzt die Protagonisten regelrecht einander aus.
Ob zufrieden oder nicht mit der Anzahl der Zuschauer, kaum einer würde auf die Live-Präsentationen der Theaterstücke verzichten, auch wenn diese Kompromisslösung für die meisten Zuschauer in dieser Zeit unvermeidlich war.
„Wahrscheinlich haben nur noch die Olympischen Spiele in so vielen Ländern Einschaltquoten”, erklärte zum Abschluss des Festivals Constantin Chiriac, der Direktor des Radu-Stanca-Nationaltheaters. „Noch drei Mal wird das diesjährige Festival zu sehen sein”, so Chiriac, denn ab Juli bis zum 9. Januar 2021 wird jeden Samstag einer der Festival-Tage online gestellt. „Wir wollen auch in der Zukunft diese fantastische Beziehung mit den Zuschauern des Festivals, aus Hermannstadt, aus Rumänien und aus der ganzen Welt pflegen. Es ist wichtig, dass die Menschen die Kraft finden, zu träumen”, erklärte er in Anspielung auf die kommende Auflage des Festivals, denn „Die Macht zu glauben” – das Motto des diesjährigen Festivals – wird sich im nächsten Jahr in „Die Kraft zu träumen” verwandeln. Es steht schon fest, dass die 28. Auflage des Festivals vom 11. bis 20. Juni 2021 stattfinden wird. Geplant sind bereits jetzt über 500 Events – die meisten live, auch wenn die Organisatoren eine online-Weiterführung des diesjährigen Festivals planen. Doch die meisten Shows sind dann doch hoffentlich live. Auch im Regen, wenn es sein muss.
Ruxandra STĂNESCU
Beatrice UNGAR