6. Dorfschreiberfest in Katzendorf setzte Wetterprognose außer Kraft
Ausgabe Nr. 2644
In Katzendorf hat vom 4. bis 6. Oktober d. J. das sechste Dorfschreiberfest stattgefunden. Neuer Dorfschreiber ist der aus Oberwischau stammende und in Wien lebende Schriftsteller Thomas Perle. Er wird in den nächsten sechs Monaten die Ruhe in der Dichterklause zum Schreiben nutzen. Seine Vorgängerin, die in Hermannstadt geborene Autorin Dagmar Dusil, war dabei und berichtet dankenswerterweise für die Hermannstädter Zeitung.
Als wir am Freitag Abend in Katzendorf ankamen, war es bereits dunkel, und es regnete in Strömen. Im spärlich erleuchteten Dorf erstrahlten die Fenster des ehemaligen evangelischen Pfarrhauses im hellsten Lichterglanz. Ein bunt gemischtes Völkchen – zum größten Teil Kulturinteressierte – harrte der kommenden Dinge. Bei guten Gesprächen klang der Abend bei einem oppulenten Mahl aus.
Am Samstag wurden die Wolkenlücken größer und die Sonnenstrahlen kräftiger. Der Ort des Geschehens wurde in den Pfarrgarten verlegt. Nicht nur die gelben Blätter der Bäume sondern auch die an den Ästen angebrachten Zettel mit Gedichten flatterten im Wind. Im Haus selbst sowie an den Mauern des Hauses und des Turmzimmers konnten die großflächigen Arbeiten der Bukarester Malerin Rodica Ion bewundert werden. Um 12.30 Uhr fand die Preisverleihung statt. Die Sektkorken knallten. Frieder Schuller, der Initiator des Dorfschreiberpreises, sprach die Laudatio und überreichte Thomas Perle die vom Bukarester Bildhauer Daniel Răduță angefertigte Gipskatze. Der frisch gekürte Dorfschreiber las aus seinem aus der Sicht eines Kindes geschriebenen Prosatext ,,wir gingen weil alle gingen”, der 2013 mit dem exil-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Er erhielt viel Zuspruch von den Zuhörern und man kann gespannt sein auf die Früchte seiner Arbeit in Katzendorf.
Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt Thomas Perle für ,,karpatenflecken” den Retzhofer Dramapreis. Die Uraufführung des Stückes ist für Mai 2020 am renommierten Wiener Burgtheater geplant.
Rolf Binder erfreute die Zuhörer mit dem ersten Satz der Sonate Nr. 1 von Ignazio Sieber, einem Zeitgenossen Vivaldis.
Musikalisch ging es weiter mit einem Klaviervortrag von Victoria Nițu, die u. a. ausdrucksvoll und einfühlsam ,,Solveighs Lied” von Grieg und die ,,Träumerei” von Schumann vortrug, gefolgt von einer Lesung der ehemaligen Dorfschreiberin Dagmar Dusil mit einem Fragment aus ,,Auf leisen Sohlen. Annäherungen an Katzendorf”. Frieder Schuller, der Gastgeber, las aus den von ihm verfassten fiktiven Tagebüchern Schuberts den deutschen Text. Die rumänische Übersetzung trug die Schauspielerin Ioana Crăciunescu vor, die auch gemeinsam mit Thomas Perle einen von ihm verfassten Monolog vortrug.
Auch eine Weltpremiere erlebten die Teilnehmer des diesjährigen Dorfschreiberfestes: Das Debüt des Freiburger Sängers Immanuel van Driem, der begleitet am Klavier von Victoria Nițu ,,Die schöne Müllerin” von Schubert vortrug.
Am Abend zeigten Studenten der Berliner Filmakademie die Filme, die im letzten Sommer im Rahmen eines Workshops in Katzendorf entstanden sind.
Am Sonntag fiel das Wetter zurück in den Regen. Die meisten Gäste verließen Katzendorf und den Pfarrhof. Zurück blieben einige Wenige und Thomas Perle, der neue Dorfschreiber.
Dagmar DUSIL