„Wir stoßen an Kapazitätsgrenzen“

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Jenny Rasche und ihr Verein „Kinderhilfe Siebenbürgen e. V.“

Ausgabe Nr. 2632

Jenny Rasche mit Pflegekind (Ioan) im Kinderhaus Pippi Langstrumpf. Ioan lebt in Familienpflege bei Tabita Grancea. Foto: André WINTER

Seit über zehn Jahren engagiert sich Jenny Rasche in Hermannstadt für Roma-Kinder, die mit ihren Familien verarmt am Stadtrand leben. Eine Frau, die für ein besseres Leben der Kinder kämpft. Über ihren Verein „Kinderhilfe Siebenbürgen e. V.“ unterstützt sie Roma-Familien, deren Lebensumstände innerhalb der EU-Grenzen eigentlich kaum vorstellbar sind. Hier leben Kinder mit HIV oder Hepatitis, auch Missbrauchsfälle von den eigenen Familienmitgliedern sind keine Seltenheit. Jenny Rasche hat selber acht Kinder, davon sind sechs ihre leiblichen und zwei Pflegekinder.

Was hat sie bisher erreicht? Um das herauszufinden, sprach André W i n t e r, ein derzeitiger Praktikant bei der HZ, mit Jenny Rasche.

 

Guten Tag…

Guten Tag, mein Name ist Jenny Rasche und ich bin 37 Jahre alt. Ich lebe zusammen mit meiner Familie in Schellenberg im Kreis Hermannstadt.

Wie kamen Sie nach Rumänien?

Ich habe schon damals als 7-jähriges Mädchen die Berichte über die rumänischen Kinderheime gesehen, das war nach der Ceaușescu-Zeit und habe als Kind beschlossen, dass ich das gerne später mal machen möchte. Mit 18 Jahren habe ich das dann angepackt und durch einen Zufall unterstützte mich das Deutsche Rote Kreuz, indem sie mir einen Kontakt in Rumänien vermittelten. Es war also reiner Zufall, dass ich jetzt in Hermannstadt bin.

Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie?

Ich bin gelernte Land- und Tierwirtin und habe dann später soziale Arbeit und Theologie studiert.

Welche Projekte leiten Sie?

Unser Verein heißt Kinderhilfe für Siebenbürgen e. V.. Wir haben zwei größere After-Schools, eine davon ist mit 100 Kindern in Großscheuern/Șura Mare und die andere mit ca. 80 Kindern ist in Heltau/Cisnădie. Dann haben wir noch eine kleine After-School hier in Hermannstadt, im Kinderhaus „Pippi Langstrumpf“ mit Platz für 20 Kinder. Im Kinderhaus „Pippi Langstrumpf“ haben wir 13 Pflegekinder. Ein weiteres Projekt heißt „Pamipa“, welches momentan 5 Pflegekinder und 3 Notfallkinder beherbergt.

Wo sind Sie überall tätig?

Ich bin überwiegend in Rumänien tätig. Zu meinen Deutschlandbesuchen zählt dann: Aufklärung, die Treffen mit Sponsoren, Erweiterung und Entwicklung der Projekte, Planungen und Kontakte pflegen. Meine Haupttätigkeit findet hier in Rumänien statt.

Welche Erfolge haben Sie bis jetzt erreicht?

Wir haben die Roma-Siedlung in Großscheuern komplett wiederaufbauen und dort 100 Kinder in das normale lokale Bildungssystem integrieren können. Wir haben neben 200 Schülern auch 23 Auszubildende, von denen die Hälfte ihre Lehre in diesem bzw. im nächsten Jahr beenden wird. Zudem haben wir die Lebensumstände von Hunderten von Familien erheblich verbessert.

Wie sieht die aktuelle Lage aus?

Es ist in Ordnung, so wie es jetzt läuft. Es gibt immer irgendwo Probleme und wir stoßen gerade an Kapazitätsgrenzen, die momentan mit der sozialpolitischen Situation in Rumänien kollidieren. Weil wir uns gerade in einer Umwandlung befinden, wo das Heimsystem in Rumänien revolutioniert wird, in Form von Dezentralisierung der großen Heime. Klare Projekte liegen in meinen Augen nicht vor und es gibt jetzt auch Veränderungen in der Altersstruktur, besonders von abgegebenen Kindern, die unter dem siebenten Lebensjahr nicht mehr in Heime dürfen, sondern nur in Pflegefamilien. Ich sehe einen großen Mangel an Pflegefamilien und überhaupt weiß ich nicht, wie das Ganze funktionieren soll. Ich denke, dass es nicht so umsetzbar sein wird, so wie es unterschrieben wurde. Rumänien hat ja vor der EU unterschrieben, dass bis 2020 diese Problematik thematisiert und entsprechend behandelt wird. Erfolge sehe ich eher nur kleine. Es ist wieder alles auf den Rücken von kleinen Organisationen geblieben, die dann natürlich auch wieder mit Problemen konfrontiert werden, die eigentlich Fachleute erfordern. Z. B. Dezentralisierungen: Dort gibt es jetzt Familienhäuser, die dürfen bis zu 14 Kinder betreuen, welche aus der Dezentralisierung kommen. Die Frage ist, wie man die Fachkräfte bezahlt, wie bezahlt man die Häuser und wo sollen die ganzen Menschen herkommen, die gewillt sind, das zu tun. Es steht noch aus, ob es staatliche Zuschüsse geben wird oder nicht. Wir werden also ständig in all unseren Kapazitäten gesprengt und ich habe manchmal das Gefühl, egal wie groß und vorausschauend man plant, es wird nie genug Plätze geben, für alle Notwendigkeiten.

Welche Meilensteine sind für die Zukunft geplant?

Wir versuchen, als Kinderhilfe auf der Meta-Ebene mitzuwirken, und versuchen, Entwicklungshilfe zusammen zu gestalten. Man müsste Schulungen für Mitarbeiter arrangieren. Wir haben Mittel akquiriert und Seminare gemacht für Mitarbeiter des Jugendamtes mit Psychologen über das Thema Trauma. Wir haben auch für Heimarbeiter Seminare angeboten und sind auch weiter dabei, an dieser Ebene zu arbeiten. Menschen sind lernfähig und ich sehe da große Chancen in der Ausformung der Kleinen.

Was würden Sie Personen empfehlen, die sich gerne beteiligen wollen?

Es kommt immer darauf an, wie man sich einbringen möchte. Zum Beispiel nach verschiedenen Organisationen suchen und Erfolge anschauen und anschließend sich dort einbringen, was man am besten findet. Bei uns sind es Patenschaften, Fördermitgliedschaften, oder wir publizieren über unsere Facebook-Seite kleine Projekte, wo man sich einbringen kann.

Welche Partner unterstützen Sie bei dem Projekt?

Da sind vom rumänischen Staat die Pflegegelder für die Pflegekinder und wir arbeiten auch eng mit dem Jugendamt zusammen. Außerdem die Spenden, die wir in Deutschland sammeln.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Das wir immer so weitermachen wie bisher. Wir brauchen auf jeden Fall mehr Leute!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Soziales.