Überzeugend authentisch

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Persönliche Nachlese zum 25. Theaterfestival

Ausgabe Nr. 2582

Szene aus „CION: Requiem of Ravel´s Bolero“.
Foto: Sebastian MARCOVICI

Unter dem Gesichtspunkt, dass Theater die Kommunikation zwischen den Künstlern und dem Publikum über gesellschaftlich relevanten Themen ist und durchaus auch gesellschaftskritisch verstanden werden soll, hat das 25. Theaterfestival in Hermannstadt den Schreiber der Zeilen voll überzeugt. Der Beginn des Festivals war fulminant und hat auch schon die Richtung bestimmt.

 

Die Französische Theatergruppe „CIE CARABOSSE“ mit seinen psychedelisch anmutenden Feuerinstallationen auf dem Großen Ring, im Astra-Park und in der Harteneckgasse transzendierten unser Alltagsbewusstsein unterstützt von psychedelischer Rockmusik, angelehnt an Musik von „Pink Floyd“, in andere Sphären. Das auf dem Kleinen Ring installierte „Luminarium Katena“ (Großbritannien) arbeitete mit Farbinstallationen in einem den halben Platz einnehmenden Zelt in die gleiche Richtung.

Die durch die Heltauer Gasse ziehenden Travelers(Reisenden) der  polnischen Theatergruppe „Teatr Akt“ aus Warschau  mit ihren Kostümen und Gerätschaften und den in Zeitlupe vorgetragenen Bewegungsabläufen erinnerten am 12. und 13. Juni die begeisternden und in großer Anzahl erschienenen Zuschauer daran, dass die Langsamkeit durchaus in unserer oberflächlichen Zeit ihre Daseinsberechtigung hat. Sie passten sehr gut in das schon angeführte Gesamtkonzept. Alle Teilnehmer, natürlich auch die aus vielen Ländern angereisten Musikgruppen, Clowns, Artisten und Schauspieler, haben sich, wenn man sich darauf eingelassen hat, in hervorragender Weise auf die Kommunikation zwischen Akteuren und Publikum konzentriert und die Botschaft überbracht, dass die Langsamkeit und die Nachdenklichkeit in unserem Alltagsbewusstsein, das geprägt ist von schneller Kommunikation, Gewinnstreben und Vorteilsnahme, wieder einen größeren Platz einnehmen sollte. Dafür muss man den Konzeptgestaltern ein großes Lob aussprechen.

Zu Gast im „Luminarium Katena“.                   
Foto: Dragoș DUMITRU

Den Höhepunkt, jedenfalls sieht das der Verfasser der Zeilen so, stellte die im Radu Stanca-Theater gastierende Tanztheatergruppe „Vuyani Dance Theatre“ aus Johannesburg/Südafrika dar. Das aufgeführte Stück „CION: Requiem of Ravel´s Bolero“ handelt von der Suche einer vergewaltigten Sklavin nach göttlicher Gerechtigkeit. Also im erweiternden Sinn um Sklaverei und Apartheid, welche Jahrhunderte das Leben in Süd Afrika und woanders bestimmte. Es ist schon bewundernswert, dass ein Tanztheater aus Südafrika, das weltweit auftritt, vom Veranstalter des Theaterfestivals gewonnen werden konnte, seine Kunst vorzuführen. Die Perfektion der Einstudierung machte staunend und doch wirkte alles frisch und spontan. Das musikalische Niveau, die monotonen, teils in Englisch und Zulu vorgetragenen Texte untermalt mit Trommeln, wirkten knallig aber nie euphorisch, was dem Thema entsprochen hat.

Die Bühne war mit Holzkreuzen umrahmt und die dunkel gehaltene Beleuchtung passte hervorragend zu den in schwarz gehaltenen Kostümen der 13 Bühnenakteure. Eine perfekte Verzahnung von Tanz, Spiel und Gesang. Die Drastik der Bewegungen, der Gesichtsausdruck der Tänzer, sie wirkten auf unglaubliche Weise und machten dem Publikum klar, um was es in der Darbietung ging. Die sprachliche Barriere, die das Verstehen der Aufführung durchaus hätte erschweren können, wurde weggewischt! Die Absicht, dem Publikum die als Sklave zu ertragenden Schmerzen, das Nichtwissen ob seiner Herkunft verbunden mit dem Wunsch zu sterben und die Flucht in eine Welt der Zauberei, die eine Wiederauferstehung als freier Mensch ermöglichen soll, vorzuführen, wurde zu 100 Prozent erfüllt. Die anwesenden Zuschauer, welche den Saal bis auf den letzten Platz füllten, verweilten nach Ende der Vorführung in einer Art Schrecksekunde, um den Künstlern dann in einem Ausbruch der Euphorie zu danken für ihre authentische Darstellung der Sklaverei und der Konsequenz daraus für die davon Betroffenen. Bleibt noch zu schreiben: wer hätte das besser vermocht als Menschen aus Südafrika? Danke dafür!!

Lothar SCHELENZ

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.