Vom Hobby zum Beruf

Teile diesen Artikel

Interview mit dem Mühlbacher Produzenten Eduard Schneider

Ausgabe Nr. 2582

 

Eduard Schneider in seinem Studio mit der englischen Version seines von dem großen deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel stammenden Leitspruches: „Nichts wirklich Wichtiges ist ohne Leidenschaft erreicht worden“.                                                            
Foto: Werner FINK

Eduard Schneider kehrte gerade vom Golfplatz, wo er ein internationales Golfturnier gefilmt hatte,  zurück zu seinem Studio im Gebäude der ehemaligen Lederfabrik in Mühlbach. In der Hand schwang er eine teuere Phantom-Zeitlupenkamera, die er aus London für diesen Zweck gemietet hatte. Schneider ist ein Rückkehrer, der seit 1997 die Schneider Productionsin Mühlbach betreibt. Anfangs konzentrierte er sich auf die Musikbranche wo er, auch als „DJ Phantom“ bekannt, die rumänische Musikindustrie nach 1990 revolutioniert haben soll. Er produzierte über 60 Musikalben für die bekanntesten Plattenfirmen aus Rumänien. Später wechselte er zur Filmbranche. Einen Höhepunkt erreichte Schneider als Filmemacher,  als er das Musikvideo für das Lied „Playing with Fire“ produzierte, mit dem Paula Seling und Ovi im Rahmen des Liederwettbewerbs Eurovision Song Contest 2010 den dritten Platz errangen. Das Video selber wurde zum besten Musikvideo des Wettbewerbs erklärt. 2012 wurde Schneider auch zum Ehrenbürger der Stadt Mühlbach gekürt und  sogar von bekannten Firmen angesprochen, um für sie Markenbotschafter zu werden. Eduard Schneider gewährte HZ-Redakteur Werner F i n k folgendes Interview:  

 

Wie kam es dazu, dass Sie nach Mühlbach, zu den Orten Ihrer Kindheit zurückkehrten?

Nachdem ich mein Studium 1995 in Frankreich abgeschlossen hatte, arbeitete ich ein Jahr lang in der Mikroelektronikbranche. Meinen Großeltern ging es damals nicht so gut, meine Oma war krank. Da meine Eltern sich scheiden ließen, als ich klein war und mich meine Großeltern aufzogen, bis ich nach Deutschland ging, entschloss ich mich, für ein paar Monate zurück nach Mühlbach zu kommen. Das freute sie natürlich sehr, ich war für sie wie ihr eigener Sohn. Es gefiel mir hier außerordentlich.

In Mühlbach rinnt die Zeit anders.

Wie geschah Ihr Einstieg in die Musikbranche?

Ich bemerkte, dass die Musikbranche hier in Rumänien gerade am Anfang war, denn es gab ja vorher nur die Volksmusik oder die Easy Listening, die „muzică ușoară”. Da gab es die ersten Versuche für Musikstile wie Dance und HipHop, Boybands und Girlbands, Bands wie Trei Sud Est u. a. Ich dachte mir, ich würde gerne mithelfen, denn ich hatte als Hobby schon immer elektronische Musik gemacht. Ich fand, es war genau der richtige Moment dafür.

Im Studio.

Was sagten Ihre Eltern zu Ihrer Entscheidung?

Meine Eltern waren recht verzweifelt, als ich diese Entscheidung traf, denn sie wollten mir eine sichere Zukunft im Westen vorbereiten. Damals war die Politik hier ziemlich unsicher, die Richtung, die Rumänien einschlagen wird. Ich bezahlte noch ein Visum und musste mich alle drei oder sechs Monate in Karlsburg melden. Ich kam aber zum Entschluss, wenn ich mein Hobby, die Musik, in meinen Beruf umwandeln könnte und auch bei meinen Großeltern in ihren Altersjahren dabei sein könnte und einen kleinen Teil von all der Liebe und Hilfe zurückgeben könnte, die sie mir geboten hatten,  wäre das optimal. Es sind jetzt schon 21 Jahre her und die Zeit ist wie verrückt davongelaufen.

 

2012 sind Sie zum Ehrenbürger der Stadt Mühlbach gekührt worden, wie kam es dazu?

Während dieser ganzen Musikjahre von 1996 bis 2006 produzierte ich nur Musik und ich setzte es durch, dass die ganzen Künstler und Bands aus Bukarest hierher nach Mühlbach kommen. Ich wollte nie nach Bukarest, obwohl ich dort sehr verlockende Angebote bekommen hatte. Es war natürlich eine große Sache für Mühlbach, denn damals gab es ja noch kein Internet und die Kommunikation war schwierig, sie geschah über die Briefe, Post usw. Deswegen wurde ich ja auch zum Ehrenbürger der Stadt gekürt, weil ich überall, wo ich eingeladen war, in Talkshows und Sendungen, von Mühlbach sprach. Für mich bedeutet Rumänien Mühlbach, hier fühle ich mich zu Hause.

Außerdem drehten  wir für Paula Seling und Ovi das Musikvideo für den Grand Prix de l’Eurovision 2010. Es wurde als bestes Musikvideo des Wettbewerbs gekürt. Sie hatten damals den dritten Platz mit ihrem Song belegt. Ich bin sehr stolz darauf. Ich glaube, es war meinerseits die beste Performance soweit.

Die Lobby.

Wie sind Sie denn von der Musikbranche zur Filmbranche gekommen?

Das war 2006 geschehen, wo es eine große Nachfrage nach Musikvideos gab. Die Musikbranche war zur Reife gekommen. Die  ganzen Künstler und Musikstile waren recht klar definiert. Da  erschienen Musikfernsehsender wie Atomic TV und dann UTV. Die ganzen Plattenfirmen, für die ich in Bukarest gearbeitet hatte, sagten, sie bräuchten jetzt Musikvideos. Es war eine total andere Branche, ich hatte keine Erfahrung, aber es klang verlockend.  Ich suchte natürlich Mitarbeiter,  Regisseure, Kameraleute und mietete Equipment, denn ich hatte gar nichts und null Ahnung, aber sehr großes Interesse. Es war kompliziert, denn die ganze Ausrüstung wurde aus Bukarest oder Budapest gemietet und bis sie hier ankam schlug das Wetter um. Dann überlegte ich, in Ausrüstung zu investieren, um unabhängig zu sein, denn es gab Kosten. Schön langsam kaufte ich meine eigene Kamera, ein Stativ, ein Objektiv und immer mehr. Ich lernte selber.

Details am Studiogebäude. Der Anker ist echt.

 

Arbeiten Sie allein?

In Musikzeiten machte ich alles selbst, aber in der Filmbranche ist das natürlich viel komplizierter und man braucht mehrere Fachkräfte. Es ist von Projekt zu Projekt verschieden. Ich hatte ein Musikvideo für eine französische Künstlerin gedreht, da waren wir 60 Leute. Da ich alles auch selbst machen kann, kann ich gut einschätzen, wie viele Leute ich brauche und was für spezialisierte Leute für welche Bereiche, wie hochrangig das Make-up sein muss. Es gibt sehr viele Berufe in dieser Kunst.

Edi Schneider und Freunde vor dem zykloramafarbenen „Greenscreen“.

Woher holen Sie all diese Leute?

Morgen kommt zum Beispiel ein Regisseur, ein Freund von mir, aus den USA. Er hat sich auf Bierbrauereien spezialisiert und da ich diese tolle Kamera hier gemietet habe, wollen wir hier im Studio was mit Bier machen. Für weniger komplizierte Aufträge habe ich hier lokale Mitarbeiter, Freelancer, die Sachen machen wie Hochzeiten. Ich habe aber auch mit Kameraleuten aus England gearbeitet, hatte zweimal einen Regisseur aus Australien bei einem Werbespot dabei. Es hängt alles vom Budget ab.

Schneider Productions. Die zahlreichen Zahnräder sind verschieden und doch arbeiten sie zusammen, angetrieben von einem größeren Zahnrad, so auch die Menschen in Verbundenheit mit Gott.

Welche Bedeutung haben all  die Firmennamen da an der Wand?

Das ist ein Sache, auf die ich recht stolz bin. Meine  Mutter hat sich gewünscht, dass ich Politik studiere oder dass ich in die Diplomatie gehe. Leider ist es nicht dazu gekommen, aber ich bin Markenbotschafter geworden. Die Hersteller von verschiedenen Geräten wurden durch meine Filme auf mich aufmerksam und es ist eine große Ehre für mich, dass ich zum Beispiel von der Firma Carl Zeiss angesprochen wurde. Ich glaube, man muss nicht viel dazu sagen, es ist die Nummer Eins weltweit im Bereich Optik und ich bin stolz darauf, der einzige Markenbotschafter aus Osteuropa für sie zu sein und die Ehre zu  haben, Objektive zu testen und Zugang zu Geräten zu haben, die nur einer Elite angeboten werden.

Schneider als Markenbotschafter.

Wie sind Sie in Hollywood gelandet?

Der Spielfilm Pop-Up“, den ich koproduzierte, ist zu 80 Prozent in Australien und zu 20 Prozent in Mühlbach gedreht worden. Die Weltpremiere dieses Films fand im Chinese Theatre in Hollywood statt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als kleiner unabhängiger Produzent aus Mühlbach ausgerechnet in Hollywood die erste Pressekonferenz zu haben. Inzwischen läuft der Film in China in den Kinos und im Fernsehen und wir sind in Verhandlung für den Vertrieb in Europa und in Amerika.

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Ich veranstalte auch Konferenzen und Ausbildungsaktivitäten. Es kommen beispielsweise ab und zu Studenten von der Klausenburger Babeș-Bolyai Universität zu mir. Ich möchte diese Ausbildungsaktivitäten erweitern, so dass wir nicht nur gewöhnliche Touristen nach Siebenbürgen bringen, sondern auch Film- und Fotoleute, die was lernen wollen, die exotische Kameras und Objektive anfassen wollen. Und wenn sie schon da sind, zeigen wir ihnen auch die Schönheiten Siebenbürgens und das Tolle ist, wir sind hier mitten drin.

Außerdem  versuche ich jetzt einen lokalen Fernsehsender auf die Beine zu stellen. Fernsehsender ist vielleicht viel gesagt, es wird nur online und es wird nicht regelmäßig ausgestrahlt, aber wenn es Ereignisse gibt wie das Lucian Blaga-Festival oder markante Leute zu Besuch sind, da könnten wir Interviews machen oder eine kleine Talkshow. Da würde ich natürlich auch eine Sendung in deutscher Sprache machen, denn leider sind wir sehr wenige Deutschsprachige in Mühlbach geblieben.

Im Studio.

Wie erwähnt studierten Sie in Frankreich, Sie sind also vieler Sprachen mächtig?

Ich spreche Deutsch, Englisch, Französisch, Rumänisch und Ungarisch. Meine Großeltern versuchten, Ungarisch zu sprechen, wenn sie Geheimnisse zu besprechen hatten, denn wir haben nur Deutsch im Haus gesprochen. Ich hatte es aber mitgekriegt. Ich hatte nämlich auch ungarische Freunde.

Sie stammen also aus einer multiethnischen Familie?

Meine Uroma kam aus Österreich, sie hieß Josephine Hechler, meine Mutter hieß Alexandrina Topârcean, mein Vater hieß Ladislaus Szabó. Er ließ seinen Namen in Deutschland umändern, aus Szabó wurde Schneider. Ich bin also kein waschechter Schneider, ich bin ein Gemisch aus Österreichisch, Rumänisch und Ungarisch, ein richtiger Siebenbürger.

Vermutlich wurden Sie auch religiös vielfältig geprägt?

Ich wurde orthodox getauft, war mit meiner Oma oft in der katholischen Kirche und bekam letzendlich in Hamburg die evangelische Konfirmation erteilt und mein Sohn konfirmierte auch. Ich machte also einiges da durch, seelisch bin ich eindeutig ein Protestant.

Warum haben Sie das Studio gerade hier in dem Gebäude der ehemaligen  Lederfabrik eingerichtet?

Meine beiden Großeltern haben zu verschiedenen Zeiten hier in der Lederfabrik gearbeitet.

Das Studio in der ehemaligen Lederfabrik.

Von wem haben Sie die künstlerische Ader geerbt?

Von meinem Großvater Josef Szabó, glaube ich, denn er war der einzige in der Familie, der etwas mit Kunst am Hut hatte. Den Schriftzug „Bildung ist Freiheit“, an der Frontseite der Schule, der von den Kommunisten abgewischt worden ist, schrieb mein Großvater Anfang der 90er Jahre nach. Er war sehr sehr stolz darauf, dass er den Spruch nachgeschrieben hatte. Er hatte die ganzen Schriftzüge, die ganzen Schilder in Mühlbach, die Grabsteine gemacht. Er war auch Eiskunstläufer gewesen.

„Edi“ schießt ein Selfie.

Vielen Dank für das Gespräch.

Für genauere Infos zur Tätigkeit von Schneider Productions und dem Angebot der Firma finden Sie online unter www.eduardschneider.com oder wenden Sie sich an Eduard Schneider per E-Mail edi.schneider@gmail.com

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.