Die Diplomatin Judith Urban wurde mit der Honterus-Medaille geehrt
Ausgabe Nr. 2557
Als „zu uns gehörend“ hätten die Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) die deutsche Diplomation Judith Urban „dank der wiederholten Unterstützung“ kennen und schätzen gelernt, heißt es in der Laudatio, die Ortrun Rhein, Leiterin des Dr. Carl Wolff-Altenheims, des Hospizes und des Kinderhospizes des Dr. Carl Wolff-Vereins, auf die jünst ausgezeichnete Trägerin der Honterus-Medaille am 25. November d. J., im Spiegelsaal des Deutschen Forums in Hermannstadt gehalten hat. Verliehen haben die Auszeichnung das Siebenbürgenforum und die EKR gemeinsam.
Ortrun Rhein führte einige biografische Daten zu der Geehrten an. So war diese nach dem Studium an der Hochschule für Verwaltung in Köln-Bonn ab 1984 für das Auswärtige Amt tätig. Zunächst in Tokyo und in Kuala Lumpur, dann von 1987 bis 1989 an der Deutschen Botschaft in Budapest. Von 1990 bis 1993 gehörte Judith Urban zum Diplomatenteam, welches das DDR-Außenministerium übernahm, 1993 wurde sie zur ständigen Vertretung Deutschlands bei den vereinten Nationen nach New York berufen und 2002 an die Deutsche Botschaft in Bukarest, wo sie bis 2007 auch für die deutsche Minderheit in Rumänien zuständig war. Von 2007 bis 2012 war sie in Jordanien tätig und von 2012 bis 2017 zunächst (bis 2014) als Vizekonsulin des Generalkonsulats und ab 2014 als Leiterin des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt.
Wir zitieren weiter aus der Laudatio (die Sie im Wortlaut auf unserer Homepage lesen können): „Ausgerechnet Rumänien wurde das Land, von wo aus der Wechsel nach Jordanien im Jahr 2007 gar nicht so leicht fiel. Es waren Freundschaften entstanden, es hatten sich Themen herauskristallisiert aus der Kultur oder der Schultradition in der Muttersprache, für die mal hier mal da ein Impuls gegeben werden konnte, wo im Hintergrund Bemühungen gelaufen waren für oft große Entscheidungen. In ihr aber klang aus dieser Zeit mit der deutschen Minderheit die Herzlichkeit nach, die sie erfahren durfte bei den Besuchen im Land und es waren fast Vorbilder, wie sie es einmal sagte, die Menschen, die in den Gemeinschaften für diese Gemeinschaft Projekte verwirklichten, die beharrlich ein Ziel vor Augen hatten.
Und ausgerechnet wieder Rumänien! 2012 kam die erneute Anfrage, ob sie noch einmal nach Rumänien gehen würde, dieses Mal nach Hermannstadt. Die Entscheidung zum Ja wurde von der Familie wortwörtlich über Nacht gefällt. Dann war sie 5 Jahre da, präsent im Alltag Siebenbürgens: Sie hat die Anliegen von Kultur über zahlreiche geförderte Projekte und Wirtschaft als Vorsitzende des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen mit unterstützt. Sie hat die Vielzahl an Delegationen vorbereitet und begleitet und deren Augenmerk auf die essentiellen Anliegen der deutschen Minderheit gelenkt. Sie war in vielen Gesprächen eine bedachte aber kritische Stimme. Was wir sehr schätzen lernten: ihr breites Spektrum an Hintergrundinformationen, die Gabe, Gespräche nicht zu beschlagnahmen, das Geschick, Fragen zu stellen und Position zu beziehen wenn es um Menschen in Not ging, und um Situationen, die ein schnelles Handeln nötig machten. Dann war sie weniger Berufsdiplomat und vielmehr ein verlässlicher, herzlicher Partner.
Sie nahm sich die Freiheit, eine Diplomatin zu sein, die sich nicht hinter einem Amt versteckt, sondern Kraft dieses Amtes auf Menschen zugeht. Diese Haltung war vertrauensaufbauend.
Auf Menschen zugehen, gemeinsame Wegstrecken gehen, beharrlich eine Wende herbeiführen, beharrlich aber leise. Das kennzeichnet den Weg von Judith Urban, das ist ihr Ziel. Wir hier Versammelten, die Vertreter des Deutschen Forums und der Evangelischen Kirche, danken dir dafür, dass du auf uns zugekommen bist, eine bedeutende Wegstrecke mit uns gegangen bist, uns mit viel Geduld und Beharrlichkeit begleitet und beraten hast. Die Honterus-Medaille, die Dir nun verliehen wird, soll eine kleine Anerkennung dafür sein, dass Du in Siebenbürgen Fußspuren hinterlassen hast.
Die Geehrte denkt weiter mit: Sie schlägt vor, alle Träger der Honterus-Medaille zu vernetzen, sieht sie doch in der Auszeichnung „den Auftrag für die Zukunft, Verbindungen zu stärken und wo immer es geht, zu verbessern“.
Beatrice UNGAR
Laudatio auf Judith Urban bei der Verleihung der Honterus-Medaille am 25. November 2017
Nimm nur Erinnerungen mit, hinterlasse nichts außer Fußspuren
Verehrte Damen und Herren,
Ich freue mich, Ihnen die Persönlichkeit vorstellen zu dürfen, die heute mit der Honterus-Medaille geehrt wird: Frau Judith Urban, Ihnen allen als langjährige Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt bekannt.
Die Honterus-Medaille wird vom Siebenbürgenforum und der Evangelischen Landeskirche gemeinsam an verdiente Landsleute sowie an Freunde und Unterstützer der deutschen Minderheit verliehen. Frau Judith Urban war zwischen den Jahren 2012-2017 in Hermannstadt und Siebenbürgen zu Hause, als „zu uns gehörend“ haben wir sie dank der wiederholten Unterstützung kennengelernt. Sie hat immer wieder beweisen, dass sie – und auch ihr Mann – zu den Freunden der siebenbürgischen Minderheit gehört. Mit der Honterus-Medaille wird jedoch eine Diplomatin geehrt, die im Laufe von mehreren Jahren die gesamte deutsche Minderheit in Rumänien begleitet hat, die sie zu verstehen versuchte und mitdachte, die viel unterwegs war, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen und diese Gemeinschaften kennenzulernen. Sie hat immer wieder gute Vorschläge eingebracht, wie die eine oder andere Frage anzugehen, wie ein Problem gelöst werden könnte. Es war ein anderes Einbringen in unsere Anliegen, als das eines Mitarbeiters einer diplomatischen Vertretung. Es war die Unterstützung einer Freundin. Dabei war Rumänien nicht unbedingt das Land der Träume gewesen. Im Gegenteil. Als sie 2002 erstmals her kam dachte sie: ausgerechnet Rumänien!
Beginnen wir jedoch mit dem Anfang.
Gehen, auf Menschen zugehen, gemeinsame Wegstrecken gehen, den Weg als Ziel sehen – das war die Option von Judith Urban seit der Studienzeit. Sonst hätte sie sich wohl nicht für die Hochschule für Verwaltung in Köln-Bonn entschieden und hätte die Diplomatenlaufbahn nicht eingeschlagen. Der Weg führte sie ab 1984 nach Tokyo und Kuala Lumpur. Zurück in Europa war sie zunächst an der deutschen Botschaft in Budapest tätig. Vertrauter Boden würde man meinen, klingt aber nur so, denn sie war in den Jahren 1987-1989 für die Betreuung der Deutschen aus der DDR zuständig, die den Weg in den Westen suchten. Normaler Beamtenalltag war das nicht. In Budapest hatte sie auch die ersten Begegnungen mit ausreisewilligen Siebenbürger Sachsen. Eine erste Ahnung von Siebenbürgen?
1990 erfolgte die Berufung in das Diplomatenteam, welches das DDR-Außenministerium übernahm. Wenn sich zwei Länder, die eines waren und eigentlich eines sind, die ein halbes Menschenleben einander Feind sein mussten, sich wiedervereinen sollen, wenn aus Gedanken und Träumen, aus Verletzungen und Unsicherheit ein gemeinsamer Alltag werden soll, braucht es viel Fingerspitzengefühl. Einen gewöhnlichen Dienstalltag brachten jene Monate nicht. Es war die Zeit ungewöhnlicher Entscheidungen, in der aber auch mancher Traum auf der Strecke blieb.
Wer nun meinte, eine größere Herausforderung für einen Diplomaten gäbe es nicht, wurde eines Besseren belehrt: 1993 erfolgte die Versetzung von Judith Urban in die politische Abteilung der ständigen Vertretung Deutschland bei den Vereinten Nationen, wo sie zuständig war für den ersten Einsatz der Bundeswehr in Somalia und für das Sanktionsregime im Irak. Ein schwieriger Weg, der Spuren hinterlassen hat auch in der Seele. Niemand, der mit diesen Einsätzen – und sei es nur tangentiell – zu tun hatte, kann das einfach wegstecken.
In New York erfolgten 1994 aber auch große Veränderungen im persönlichen Leben: Die Heirat mit Dietrich Urban und die Geburt von Tochter Tabita. Jedoch das Innehalten, um sich der Familie zu widmen, dauerte nicht allzu lang. Es wartete der Weg. Und der führte 2002 an die Botschaft in Bukarest. Ausgerechnet Rumänien! Das Land war 2002 kein leichtes Pflaster, doch wird „ausgerechnet Rumänien“ zum Land, in dem das Herz hängen blieb.
In Bukarest war Judith Urban auch für die deutsche Minderheit zuständig. Sie hätte die Akten bearbeiten und ein paar protokollarische Besuche machen können. Wie die meisten Diplomaten es tun. Nicht so Frau Urban. Sie führte unzählige Gespräche, nahm an Veranstaltungen teil, machte Besuche. Wie ein roter Faden zieht sich durch ihre Tätigkeit das Wahrnehmen und Verstehen der Menschen jenseits der Empfänge, der politischen Debatten. – Und das Bemühen, zu helfen, sich einzubringen. Zu den ersten Dingen, die ich über dich gehört habe war, dass Du Kolleginnen und Kollegen motiviert hast, Geschichten, Texte, kleine Romane auf Band zu sprechen, um Menschen, die nicht mehr selber lesen können, Zugang zu neuen Texten der Literatur in ihrer Muttersprache zu ermöglichen. Die Vorleserin! Kennengelernt hattest du sie bei den Besuchen bei alten Leuten in Bukarest, die über den katholischen Hilfsverein betreut werden.
Stand diese Aufgabe in der Stellenbeschreibung der Diplomaten?
Du wagtest den Blick in den Teil Welt, den nicht jeder Entsandte suchte. Das war nie ein Aushängeschild, es gehörte zu dir.
Das Gesehene und Erfahrene floss aber entscheidend in viele Gespräche mit Vertretern des Deutschen Forums und der Evangelischen Kirche, in den Altenheimen und im Blick auf andere soziale Einrichtungen ein. Bei vielen Diskussionen mit politischen Vertretern des In- und Auslands wurden die Fragen geschickt auf die Not der Hilfsbedürftigen gelenkt. Sie bewirkten den Blick auf eine Problematik, die im Kontext der deutschen Minderheit ein wenig stiefmütterlich behandelt wurde: Das Problem der stillen Armen. Sie fanden in dir eine mahnende Stimme, die sachlich aber herzlich argumentiert hat.
Der Imperativ, den es wohl im Berufsalltag immer wieder brauchte, klang hier aber nie durch.
Ausgerechnet Rumänien wurde das Land, von wo aus der Wechsel nach Jordanien im Jahr 2007 gar nicht so leicht fiel. Es waren Freundschaften entstanden, es hatten sich Themen herauskristallisiert aus der Kultur oder der Schultradition in der Muttersprache, für die mal hier mal da ein Impuls gegeben werden konnte, wo im Hintergrund Bemühungen gelaufen waren für oft große Entscheidungen. In ihr aber klang aus dieser Zeit mit der deutschen Minderheit die Herzlichkeit nach, die sie erfahren durfte bei den Besuchen im Land und es waren fast Vorbilder, wie sie es einmal sagte, die Menschen, die in den Gemeinschaften für diese Gemeinschaft Projekte verwirklichten, die beharrlich ein Ziel vor Augen hatten.
Und ausgerechnet wieder Rumänien! 2012 kam die erneute Anfrage, ob sie noch einmal nach Rumänien gehen würde, dieses Mal nach Hermannstadt. Die Entscheidung zum Ja wurde von der Familie wortwörtlich über Nacht gefällt. Dann war sie 5 Jahre da, präsent im Alltag Siebenbürgens: Sie hat die Anliegen von Kultur über zahlreiche geförderte Projekte und Wirtschaft als Vorsitzende des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen mit unterstützt. Sie hat die Vielzahl an Delegationen vorbereitet und begleitet und deren Augenmerk auf die essentiellen Anliegen der deutschen Minderheit gelenkt. Sie war in vielen Gesprächen eine bedachte aber kritische Stimme. Was wir sehr schätzen lernten: ihr breites Spektrum an Hintergrundinformationen, die Gabe, Gespräche nicht zu beschlagnahmen, das Geschick, Fragen zu stellen und Position zu beziehen wenn es um Menschen in Not ging, und um Situationen, die ein schnelles Handeln nötig machten. Dann war sie weniger Berufsdiplomat und vielmehr ein verlässlicher, herzlicher Partner.
Sie nahm sich die Freiheit, eine Diplomatin zu sein, die sich nicht hinter einem Amt versteckt, sondern Kraft dieses Amtes auf Menschen zugeht. Diese Haltung war vertrauensaufbauend.
Auf Menschen zugehen, gemeinsame Wegstrecken gehen, beharrlich eine Wende herbeiführen, beharrlich aber leise. Das kennzeichnet den Weg von Judith Urban, das ist ihr Ziel. Wir hier Versammelten, die Vertreter des Deutschen Forums und der Evangelischen Kirche, danken dir dafür, dass du auf uns zugekommen bist, eine bedeutende Wegstrecke mit uns gegangen bist, uns mit viel Geduld und Beharrlichkeit begleitet und beraten hast. Die Honterus-Medaille, die Dir nun verliehen wird, soll eine kleine Anerkennung dafür sein, dass Du in Siebenbürgen Fußspuren hinterlassen hast.
Ortrun RHEIN