„Pop-Musik ist für mich zeitlos“

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Gespräch mit Guillaume Jérémie von der Schweizer Band „Kadebostany“
Ausgabe Nr. 2535

 

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Die Mitglieder der Band Kadebostany haben nicht nur ein ungewöhnliches Auftreten, nein, auch das Konzept hinter ihrer Musik ist speziell. In weißen Uniformen betreten die Künstler die Bühne, es werden Fahnen geschwenkt, der junge Mann hinter dem DJ-Pult betitelt sich selbst als Präsident. Alles wirkt ein wenig patriotisch. Kadebostany gibt es seit gut neun Jahren, der Schweizer Guillaume Jérémie hat sie im Kontext der imaginären „Republik Kadebostan“ gegründet. Dieses Konzept diene nicht nur als Allein- und Gleichstellungsmerkmal, sondern auch der absoluten künstlerischen Freiheit, so sagte er. Auf dem Internationalen Theaterfestival in Hermannstadt hat die HZ-Praktikantin Nina D e l e i t e r den „Präsidenten der Republik Kadebostan“, getroffen, herausgefunden, welchen Zweck diese Art der Selbstinszenierung eigentlich erfüllt und mit ihm über moderne Pop-Musik gesprochen.

Herzlich willkommen in Hermannstadt. Wie waren die ersten Tage hier?

Wir sind gestern erst angekommen und waren ein wenig müde nach der großen Show, die wir in Athen gegeben haben. Mein erster Eindruck war allerdings fantastisch, besonders das Hotel gefällt mir total. Es passt perfekt zu Kadebostanys Stil. Überall Gold, sehr imperialistisch und herrschaftlich. Wir haben hier gleich erstmal ein Foto gemacht!

Der Auftritt Kadebostanys wird der krönende Abschluss des diesjährigen Theaterfestivals in Hermannstadt sein. Was können wir von Ihrem Auftritt erwarten?

Wir haben eine ganz neue Show auf die Beine gestellt, natürlich auch weil vor zwei Wochen unsere neue EP „Monumental- Chapter I“ herausgekommen ist. Alle Lieder unterscheiden sich sehr von unseren vorherigen Alben, auch weil viele unterschiedliche Künstler beteiligt waren. Es ist eine neue Ära für Kadebostany angebrochen und das merkt man natürlich auch der Show an. Sie werden ruhige Momente und klassische Balladen erleben, aber sich auch in ekstatischen Momenten wiederfinden. Wir bieten ein großes Spektrum an Emotionen, generiert durch die Struktur und den Rhythmus unserer Songs. Ich war schon immer ein visueller Typ und so ist auch unser Auftritt fast wie ein Theaterspiel, vielleicht sogar wie ein Film.

Könnten Sie, für alle die Ihre Band nicht kennen, kurz beschreiben welchem Musikgenre sich Kadebostany zugehörig fühlt?

Pop-Musik. Und ich bin mir bewusst, dass vielen Leuten diese Terminologie nicht gefällt, aber für mich ist Pop-Musik etwas sehr Schönes, sie drückt ein universelles Gefühl aus. Gute Pop-Songs sind für alle gemacht, egal von wo du herkommst. Sie sind zeitlos und geraten nicht aus der Mode. Du kannst sie auch noch in 50 Jahren hören und dich mit ihnen verbunden fühlen. Aber natürlich ist unsere Musik viel mehr als nur Pop. Sie ist inspiriert von all’ den Dingen, die jedem Einzelnen von uns wiederfahren. Wir machen ehrliche Musik. Man könnte sagen, sie ist der Spiegel für das, was wir erlebt oder gesehen haben.

Ich habe gelesen, dass Kadebostany nicht nur die musikalischen Grenzen der Pop-Musik in Frage gestellt, sondern sie auch neu definiert hat. Würden Sie das bestätigen?

Unsere Fangemeinschaft wächst stetig und unsere Musik läuft in vielen Länder rauf und runter. Diesen Vorteil möchte ich nutzen und unseren Zuhörern etwas bieten, was möglicherweise neu für sie ist. Ich möchte sie überraschen. Auch, wenn wir einen Live-Auftritt haben, gefällt es mir die Erwartungen unserer Fans zu erfüllen, aber auch sie herauszufordern, die Fans zu überraschen. Natürlich wird unsere Musik im Mainstream Radio gespielt, aber ich sehe das nicht negativ, viel eher als Möglichkeit trotzdem tolle Musik zu machen und mit unserem Konzept herauszustechen. Wir wollen gute Musik für die Massen machen, das könnte unser Slogan sein (lacht).

Der künstlerische Prozess, das kreieren von Musik und Songtexten ist sehr produktiv, aber natürlich auch unglaublich anstrengend. In welchen Situationen oder Momenten sind Sie am kreativsten?

Wenn du erstmal erkannt hast, dass es deine Berufung ist, Künstler zu sein und Emotionen aus den Menschen zu kitzeln, erkennst du auch, dass es wichtig ist immer auf dich selbst zu hören. Melodien und Klänge kommen mir ganz zufällig in den Kopf, ich kann diese dann sofort bündeln und in einen Song verwandeln. Ich bin sehr froh diese Fähigkeit zu haben. Ich denke als Künstler befindest du dich immer in einem kreativen Prozess, ich muss dafür nicht im Studio sein. Egal wo ich mich befinde, ich sauge Dinge auf, auch hier in Hermannstadt, wenn ich durch die Straßen laufe. Ich habe die große Gabe und vielleicht auch die notwendige Offenheit, Situationen und Emotionen in Musik zu transkribieren. Und dann verliere ich mich in meinen Gefühlen, das ist fast schon magisch. Trotzdem ist dieser Prozess natürlich anstrengend, vor allem wenn du dich kreativ erschöpft fühlst. Dann muss man sich trotzdem zwingen und sagen: „Hey, das geht vorbei“ und zurück ins Studio gehen.

Es sind gerade mal zwei Wochen vergangen seit die EP „Monumental- Chapter I“ auf dem Markt ist. Wie hat es sich angefühlt die neuen Songs, in denen so unglaublich viel Arbeit steckt, auf der Bühne zu performen, sie in einen den Kontext einer Live-Performance zu bringen?

Das ist eine gute Frage, denn wenn du einen Song live spielst, ist es wichtig für jeden Künstler, dass du eine Verbindung zum Publikum herstellst. Ich möchte, dass die Leute eine andere Seite des Songs kennenlernen, wenn sie ihn auf einem unserer Konzerte hören. Ich habe ein sehr kompetentes Team, die Techniker, Musiker und anderen Künstler mit denen ich arbeite und so können wir gemeinsam immer wieder das Publikum herausfordern. Zum Beispiel in Athen spielten wir zum ersten Mal das Lied „Early Mornings“, aber in der Live-Version und das Publikum tobte. Und das ist das schönste Gefühl, wenn Menschen deine Musik verstehen, sich auf die Reise mitnehmen lassen, auf die du sie führst. Ich möchte, dass unsere Musik sie verzaubert, sowohl Zuhause vor Ihrem Radio und auf ganz andere Weise dann, wenn sie uns auf der Bühne sehen.

Ich möchte nochmal auf die Republik Kadebostan zurückkommen, weil ich das Konzept sehr spannend finde. Wie genau kann ich mir diesen imaginativen Ort, dieses Land denn vorstellen, das Sie da geschaffen haben. Als eine Art utopisches Musikparadies?

Ich habe mir dieses Konzept ausgedacht während ich gerade als Solo-Künstler unterwegs war. Ich wollte meine musikalische Perspektive erweitern und spielte schon mit dem Gedanken eine Band zu gründen. Aber es gibt tausend Bands, also suchte ich nach einem Konzept, das uns besonders machen würde. Und mit der Idee ein eigenes Land für meine Musik zu gründen, war eigentlich auch der Rest völlig logisch. Zum Beispiel, das wir Kostüme auf der Bühne tragen würden und das wir, Kadebostany, die nationale Band von Kadebostan werden. Es hat einfach alles gepasst. Und obwohl es uns Grenzen setzt, haben wir innerhalb der Republik große künstlerische Freiheit. Weißt du, mein alltägliches Leben ist nicht besonders spannend, aber mein Leben als Präsident der Republik Kadebostan, ist es.

Also sind Sie Kadebostan?

Ja, ich verkörpere das Land. Ich kann dort machen, was ich möchte, und gleichzeitig mein Privatleben im Verborgenen lassen. Alles läuft nach meinen Regeln. Das ist Freiheit für mich. Viele große Künstler scheitern an Ihrem Erfolg, weil sie ihr ganzes Leben im Internet zur Schau stellen. Was bleibt Ihnen denn dann noch?

Zumindest das Geld, der Lohn ihrer Popularität…

Ich denke, das ist nicht genug. Das Konzept der Republik Kadebostan gibt mir die Möglichkeit eine andere Persönlichkeitsseite auszuleben und nicht abzuheben. Ich bin ganz ehrlich, häufig gebe ich Interviews und dann habe ich das Gefühl, dass die Journalisten nicht verstehen, was wir machen und dann kann ich diese arrogante präsidiale Attitude ganz schön raushängen lassen. Und ich bin privat natürlich anders als wenn ich auf einer großen Bühne vor Zehntausenden stehe. Dieses Konzept gibt mir die Möglichkeit, verschiedenes auszuleben, aber gleichzeitig auch Wichtiges in meinem Leben zu trennen.

Klar, das ist wichtig. Wahrscheinlich auch, um sich der Verantwortung bewusst zu werden, die man gegenüber so einem riesigen Publikum hat.

Genau, und dessen sind wir uns bewusst. Wir haben das Glück eine große Hörerschaft zu erreichen und das treibt uns umso mehr an, gute Musik zu machen.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview!

 

Die Bandmitglieder fühlten sich vor der Kulisse der Lobby im Hotel Römischer Kaiser“ in Hermannstadt offensichtlich pudelwohl.

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.