Silvester in der Suru-Hütte

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Vor unseren Augen läuft ein Schwarz-Weiß-Film…
Ausgabe Nr. 2513
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Die Laubbäume bilden einen starken Kontrast in dem frisch verschneiten Wald. Wir befinden uns in den Fogarascher Bergen. Knapp 30 Minuten Autofahrt von Hermannstadt entfernt liegt das urige Dorf Sebeșul de Sus. Ein kleines Hirten- und Waldarbeiterdorf im Tal, wo der Kammweg der Südkarpaten beginnt.

Wir wollen die nächsten 3 Tage in der „Suru“-Hütte verbringen. Der Zugang vom Dorf zur Hütte dauert drei Stunden auf Skitouren. Es gibt keinen Autoweg und keine Seilbahn, was für uns ein großes Plus ist. Noch erfreulicher sind die Schneebedingungen und die Wettervorhersage: Frischer Schnee und Sonnenschein erwarten uns in den kommenden Tagen.

Wir haben das Auto am Ende des Dorfes geparkt. Der Pfad zur Hütte ist gut markiert; am Anfang sehen wir mehrere Wege, die in den Wald führen, aber diese vereinigen sich schnell zu einem einzigen. Die Pfade werden noch von Dorfbewohner benutzt, um Waldholz für den Eigengebrauch mit den Pferden aus dem Wald herunter zu schleppen. Wir hören ihre Motorsägen in der Ferne. Es ist in den Dörfern noch üblich, mit Holz zu heizen.

Wir sind spät aufgebrochen und werden wohl erst bei Einbruch der Nacht ankommen.

Mit zunehmender Höhe wird der Pfad immer schmaler (unser Bild), der Himmel dunkler und der Schnee tiefer. Wir machen uns wenig daraus, dass wir in den Spuren im Schnee auch Bärentatzen erkennen. Der Bär ist oft zu finden in Rumänien. Sehr selten wird er gefährlich, meistens macht er einen weiten Bogen um die Menschen. Unsere Freunde haben heute Morgen frische Spuren hinterlassen und sparen uns einen Teil der Anstrengung.

Das Streifen der Steigfelle auf dem Boden ist das einzige Geräusch, das in dieser wunderschönen wilden Stille zu hören ist. Wir machen die Stirnlampen noch nicht an und freuen uns an dem schattigen Bild des Waldes am Abend.

Nach knapp drei Stunden erblicken wir durch den Wald weihnachtliche Lichter. Die Suru-Hütte wartet. Unsere Freunde und der Hüttenwart sind schon da.

Wir werden empfangen mit heißem Tee, selbstgebranntem Schnaps und einem regelrechten Festessen. Alles muss hier auf dem Rücken getragen werden, das macht es viel wertvoller in unseren Augen und schmackhafter für unseren Gaumen.

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Am nächsten Morgen, nachdem wir ein Superomelett gefrühstückt haben, versuchen wir zum ersten Mal, bis zum Kamm hochzulaufen. Der Schnee ist sehr hoch und um der Lawinengefahr zu entgehen, müssen wir so weit wie möglich durch den Wald laufen. Die Bäume verschwinden langsam, je mehr wir uns der 1.800-m Höhengrenze nähern. Obwohl es unter null Grad draußen ist, läuft der Schweiß auf meiner Stirn, denn das Spurenschlagen ist kein Kinderspiel durch den einen Meter hohen Neuschnee.

An diesem Tag gehen wir nur bis knapp über die Waldobergrenze und bereiten die Spuren für die nächsten Tage vor. Den Rest des Tages spielen wir im Pulverschnee und genießen ein paar herrliche Abfahrten, sogar einmal bis unterhalb der Hütte durch den Waldpfad, den wir gestern hochgelaufen sind.

Abends kommen noch andere Bergsteiger und es herrscht heitere Stimmung, denn der Chefkoch Bogdan hat sich wieder einmal extra Mühe gegeben und uns ein köstliches Abendessen vorbereitet. „Sarmale“ ist eine rumänische Spezialität, es handelt sich um in Kraut gewickeltes Mischfleisch von Schwein und Rind, mit Reis und verschiedenen Gewürzen, serviert mit Schmand.

Am zweiten Tag ist der Himmel blau und keine Wolke in Sicht. Wir steigen schnell auf den gestrigen Spuren und kommen auf den Sekundärkamm, der bis in den Hauptkamm herüber geht. Wir wollen nichts riskieren, denn gestern ist eine Lavine plötzlich westlich von uns herunter gedonnert. Das ist aber ganz normal, wir wissen, dass man dem Berg Respekt zeigen und die Schneelage und die Umgebung gut kennen muss. Wir machen eine kurze Schneeanalyse und ziehen es vor, einen Teil des Weges auf Steigeisen zu gehen. Es ist wunderschön.

Unter uns befindet sich das Flachland von Siebenbürgen, ringsherum nur weiße massive Berge, glänzend in der Sonne. Der Glanz ist zwar schön, aber teilweise kommt er auch vom vereisten Schnee. Auf dem Hauptkamm weht ein starker Wind, die gefühlte Temperatur liegt unter -30 Grad Celsius. Einige von uns gehen weiter, der andere Teil muss auf den Gipfelruhm verzichten. Es muss alles im Wohlfühlbereich bleiben.

Unter 1.800 m herrscht eine andere Welt. Es ist warm, der Schnee ist weich und es weht kein Wind. Wir spielen den restlichen Tag in der Waldgegend, wo dieser nicht dicht ist, denn hier besteht keine Lawinengefahr.

Abends ist es soweit, das Jahr geht ins nächste über. Aus unserer Höhe können wir die feiernden Städte und Dörfer bis weit beobachten. Das Lichtspiel um Mitternacht ist fabelhaft, das kann man nicht beschreiben.

Früh geht es trotzdem ins Bett, denn morgen wollen wir noch einmal versuchen, auf den Gipfel zu steigen.

Der Wind lässt aber nicht nach, ganz im Gegenteil. Wir steigen weiter soweit es geht, um das atemberaubende Panorama und ein paar Abfahrten zu genießen. Wir sparen uns noch Energie für die Abfahrt zum Auto, denn das Gepäck auf dem Rücken wird eine größere Belastung.

Es war eine sehr schöne Tour wie sie die Wildnis in den rumänischen Bergen anbietet. Man trifft weit und breit Tage lang niemanden. Das Skilaufen ist erst in der Anfangsphase hier, aber seine Beliebtheit wächst. Man bekommt schon jetzt hochwertige Ausstattung. Die Unterkunft und die warmherzige Bewirtung bei der Suru-Hütte waren einsame Spitze.

Die Kosten liegen noch unterhalb des EU-Durchschnitts. Zum einem da die rumänische Wirtschaft noch nachzuholen hat und Dienstleistungen insgesamt günstiger sind. Zum anderen da wie erwähnt Bergsteigen ob im Sommer oder besonders im Winter kein Nationalsport ist und Konkurrenz und Nachfrage noch keine Preissteigerungen verursacht haben.

Man muss als Bergfreund und Skifahrer die Fogarascher Berge einmal im Leben kennen lernen. Sie sind zwar nicht immer leicht zu bezwingen, bieten aber jedes Mal eine vielfache Belohnung für die Mühe.

Răzvan MORARIU

www.VerticalSport.ro

Suru Hütte: 25 Schlafplätze in 2 Zimmern, Höhe: 1.450 m, Hüttenwart und Koch: Ioan Bogdan, Tel. 0746-65.21.35.

 

Schneezauber in den Fogarascher Bergen (hier auf dem Kamm unweit des Suru-Gipfels) erlebte eine Gruppe junger Skifans zum Jahreswechsel. Lesen Sie dazu den Bericht auf Seite 6.                       Foto: Răzvan MORARIU

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft, Im Jahreslauf, Tourismus.